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Autograph: Zürich StA, E II 351, 60 (Siegelspuren) a Druck: Vadian BW VI 693f Nr. 1586
[1]Vadian hat aus Bullingers Brief [Nr. 3102 vom 3. Januar 1548] mit Interesse vernommen,
dass der Bannerherr Andreas Schmid [zur Taufe von Claude, der Tochter König Heinrichs ll.]
nach Frankreich gesendet wird. Er hatte zunächst mit Bürgermeister Johannes Haab
gerechnet, dann aber von der Entsendung Schmids erfahren, sofern jener wegen vieler
Amtsgeschäfte oder aufgrund gesundheitlicher Probleme davon abgehalten wäre. Der
mit Vadians Frau [Martha, geb. Grebel]blutsverwandte Schmid ist äußerst gebildet und
soll auch der französischen Sprache kundig sein. Vadian lernte ihn kennen, als dieser
Landvogt in Baden war. Schmid ist für diese Aufgabe sehr geeignet. -[2]Der St. Galler
Rat hat zu schätzen gewußt, dass der Große Rat von Zürich gerne auch einen St. Galler
an der Gesandtschaft beteiligt hätte. Da bei der Wahl der [vier] Gesandten unter den
Dreizehn Orten nur wenige miteinbezogen werden konnten, scheint es klug, dass von den
Zugewandten Orten keiner berücksichtigt wurde. Zudem erspart man sich dabei überflüssigebriefe_vol_21-067 arpa
Kosten, da ja die St. Galler [lnteressen]durch die Zürcher sowieso hervorragend vertreten
werden. -[3] Was Bullinger über Ägidius Tschudi schreibt, bedauert Vadian. Er hegte die
Hoffnung, dass Tschudi, wenn er die Wahrheit sieht, sich nicht nur den [Evangelischen],
sondern auch Christus und dessen Hauptlehren gewogener erweisen würde. Wenn sich
also von dem vielbegabten Mann nichts Besseres erwarten lässt, ist es zumindest wichtig,
dass man ihm auf seinen Einspruch hin nicht den Eindruck gibt, man wäre bereit, den
eigenen Standpunkt aufzugeben, zumal er von großen Kirchenpatronen verteidigt wurde.
-[4]Von ähnlichem Schlage wie Tschudi sind bei den Luzernern der hochgeachtete Jost von
Meggen, der, wie Vadian hört, den [Evangelischen]abgeneigt gegenüber steht, sowie auch
bei den Urnern der gelehrte Amandus von Niderhofen. Niemand wird glauben, wie sehr
Vadian ihretwegen insgeheim leidet, sooft er in ihrem Namen gegrüßt wird. Ergibt aber die
Hoffnung nicht auf und glaubt, dass sie künftig nicht nur den [Evangelischen]gegenüber
etwas geneigter sein werden, sondern im Falle eines Streites über ihre klaren Lehrpunkte
auf deren Unterstützung gezählt werden kann. -[5]Es gibt aus Nürnberg, Augsburg,
Memmingen, Lindau sowie aus München keine Nachrichten mehr über Kriegspläne [Kaiser
Karls V]gegen die Schweizer, da sich Kaiser, Fürsten und Stände am Reichstag zu Augsburg
nicht einig werden. Da Karl V. alles blockiert, was ihm nicht gefällt, sind seine Parteigänger
inzwischen ebenso unzufrieden wie seine Gegner. Ihnen entstehen unterdessen [nämlich]
nur große Ausgaben, und es sieht danach aus, als würden der Kaiser und sein Bruder, König
Ferdinand I., den Reichstag allein unter sich abhalten! Es steht fest, dass der Kaiser viele
Reiter und Fußsoldaten nach Württemberg verlegt. Niemand zweifelt daran, dass er Pläne
gegen die Eidgenossenschaft schmiedet. Fest steht auch, dass der Kaiser, wenn er auf Papst
Paul III. zählen und von diesem Hilfe erwarten könnte, ohne Rücksicht auf die Schweizer
und Franzosen Herzog Karl III. von Savoyen wieder einsetzen würde. Er vertraut aber weder
dem Papst noch dem Waffenstillstand mit Sultan Suleiman I. Man muss aber auf der Hut
sein, weil er bei der ersten Gelegenheit seine Pläne umsetzen wird. Gott bewahre die Seinen!
Dies nur für Bullinger und seine Vertrauten.
S. De legato urbis vestrae in Gallias misso tuis e literis certior factus, libenter
accepi. 1 Cogitabam de consule Habio 2 . Interim colligebam d. Fabrum, antesignanum,
missum in, si illum vet negocia publica vet consolatus munus vel ulla adversa valetudo 3
remorata fuisset. Vir est humanissimus Faber et, ni fallor, Gallice lingue pentus et
mihi ex eo tempore, quo praefectus 4 ad Thermas fuit, familianiter notus ob meam
coniugem 5 , ipsi admodum propinquam sanguine, et plane talis, qui hac legatione
fungi cum laude possit.briefe_vol_21-068 arpa
Porro quod ante admonebas, amplissimo senatui vestro placuisse, ut et e nostris aliquis illo missus esset, gratissimum senatui nostro fuit. 6 At ambiri ea res non potuit, nisi aliis ullis ex urbibus pagisve sociorum idem permissum fuisset. 7 Verum prudenter mihi constitutum videtur, ut, quia non licuisset omnibus proficisci propter delectum paucorum ipsos inter pagos factum, ad declinandam invidiam nemo admissus sit ex sociis, ut taceam supervacaneam sumptuum molestiam et quod nihil minus a paucis omnium nomine perficietur, quam quod omnium praesentia agi praestarique potuisset, nec dubitamus, quin amplissimi senatus vestri intercessione egregie simus legationi vestrae commendati.
De d. Scudo quod scribis, dolet. 8 Erat mihi spes, pacatiorem illum caussae nostrae, imo vero Christi et capitis etiam sui futurum fuisse, si veritatem tam liquido ob oculos positam intuitus fuisset. Quodsi de homme alioqui tot modis commodo et tantis dotibus ornato meliora sperare non datur, tamen opere precium fuerit hoc minus cedere tumultuanti, quo turpius esset, si ullam vel suspitionem de nobis praeberemus causse deserendae, quae tarnen a magnis suae causse et partis patronis 9 defenditur.
Similis farinae 10 est, ut audio, apud Lucernates 11 clarissimus et ornatissimus vir d. lodocus a Meggen 12 , quem et ipsum audio parum aequum nostrae religioni, sicut et Amannum a Niderhofen 13 apud Uranios 14 , virum docturn et mire humanum. Quorum vicem nemo credit, quam intra me et sub pallio, quod dicitur, doleam, quoties ipsorum nomine compellor et salutor, neque ita abiicio spem, quin pro meo in illos magno amore non desinam consolari me et magna mihi fiducia polliceri, ut non modo aequiores paulo in posterurn habituri ipsos sirnus, si ulla dissensio oborta fuerit, sed etiam in articulis tam apertis et liquidis (quamquam omnia nostra mire sunt aperta) adiutores. Sed horum omnium nos dies ipsa certiores faciet.
Auß Nürenberg, Augspurg, Memingen, Lindo, Mönchen schreybt man den unsern nit mer so graußams von den Schwytzern, die selbigen zu bekriegen; dann die sachen sich bey den fürsten und stenden nit allenklich vergleychen laßen wellend,
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und söllend ja diejenigen, so eß mit dem kayser gehabt habend, sich viler dingen nit weniger beschwären dann die andern, so im zugegen ghandlet habend. Vast hin 15 diser ursach, das khain radtschlag 16 so imm nit gefellig ist, seinen fürgang 17 hat und man in großen kosten vergebens ligt und kayserliche majestat mit seinem brüder wol diss wegs für sich selbs und allain amen reychstag halten mögen, etc. Entlich 18 sag 19 aber ist, daß er amen starken, starken zeug 20 zu ross und fuß sölle in das land zu Wirtenberg legen. Das säch imm 21 zwar gleych, samm 22 er wider ain aydgnoschafft noch ettwas gedenkhens 23 in dem kropp trüge 24 , wie man desselbigen khainen zweyfel tregt. Und sol ja gewüss sein: Wo er demm papst 25 vertruwen möcht und er sich fürschubs 26 von demselben versechen 27 möchte, das er den hertzog 28 von Sophoy, onangesechen 29 die Schweytzer und Frantzosen, gewüsslich einzusetzen und damit mer dann amen hasen in ainem gejagt zu fachen 30 sich underston würd. Fr gdar 31 aber dem papst und dem Türken 32 mit seinem anstand 33 nit wol vertrauwen. Darum man sich nun versechen wil, er werde seiner anschlegen 34 ettwas anstal machen 35 , biß imm die komlikhait 36 baß zur hand ston werde. Darum man wol gut sorg haben sol. Dan wo man möcht, so thät man und ist der will gwaltig vorhanden. Gott well uns treuwlicht bewaren. Haec tibi et paucis tuis. Vale. Sangalli, 10. ianuarii, anno 1548. bach. Vadianus.
[Adresse darunter:] Viro domino Henrycho Bullingero, urbis Tigurinae episcopo, inprimis colendo.