Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3077]

Joachim Vadian
an Bullinger St. Gallen,
16. November 1547

Autograph: Zürich StA, E II 351, 58 (Siegelspur) Auszüge in deutscher Ubersetzung von Bullingers Hand: Zürich ZB, Ms A 43, 19f Druck: Vadian BW VI 677, Nr. 1574

[1] Gestern Abend hat Vadian bei 2 Francisco de Enzinas zu Abend gegessen. Dieser befindet sich auf dein Weg nach Memmingen, wo er bei Hieronymus Sailer eine private Geldangelegenheit erledigen will. 3 Auf dem Rückweg (den er bald anzutreten gedenkt) hat er vor, wieder durch St. Gallen zu reisen und sich dann nach Zürich zu begeben, um, wie er sagte, Freunde zu besuchen. Bestimmt wird er Neuigkeiten zurückbringen, vielleicht nicht erfreuliche, doch willkommene, die zur Wachsamkeit anspornen. 4 -[2]Als Vadian seinen letzten Brief an Bullinger [Nr. 3076]schon versiegelt hatte, erfuhr er von einem vertrauenswürdigen Freund [...]

21 Siehe dazu Nr. 3082, Anm. 6.
22 Vadian hegte den Gedanken, an einer etwaigen Gesandtschaft der eidgenössischen protestantischen Orte an das Konzil teilzunehmen; s. Nr. 3090,[17].
23 Siehe dazu Nr. 3062.93-99; Nr. 3065, Anm. 62.
24 Laut den im Briefkopf von Bullinger angefertigten Notizen zu diesem Brief (s. dazu oben Anm. 1), die mit dem Titel "Uß Sangallen des XVII. novembris 1547" versehen sind, traf vorliegender Brief am 17. November in Zürich ein, da Bullinger im Titel derartiger Briefauszüge oft nicht das Briefdatum, sondern vielmehr das Empfangsdatum angab.
1 Siehe dazu Nr. 3076, Anm. 1.
2 In der Vorlage apud: Vermutlich wurde der sich auf Reisen befindende Enzinas bei Johannes (Hans), dem Bruder von Hieronymus Sailer, untergebracht (vgl. nämlich Nr. 3090, Anm. 22), bei dem
auch das hier erwähnte Abendessen stattgefunden haben wird.
3 Enzinas spielte damals mit dem Gedanken, Basel zu verlassen, weil er dort (wo er seit Oktober 1546 lebte) nicht glücklich war, wie aus seinem Brief an Joachim Camerarius d.Ä. vom 8. November 1547 deutlich wird: "Interim vivo hic in magno dolore, in aere quidem salubri et pulchra civitate, sed omnino eruditorum (paene quoque dicerem bonorum hominum) communicatione destitutus - sine qua, non solum vitam ipsam mihi acerbam puto, sed ne vivere quidem vellem" (Enzinas BW 306). Aus demselben Brief geht zudem hervor, dass er damals einem Umzug nach Leipzig nicht abgeneigt war. Zudem aber gibt der an ihn am 31. Dezember 1547 gerichtete Brief von Matthias Claudius zu verstehen, dass Enzinas zugleich einen Brief von dem aus Basel nach England am 4. November 1547 (s. Karl Benrath, Bernardino Ochino


Briefe_Vol_20-665arpa

der Stadt St. Gallen, dass Kaiser Karl V. vorhabe, Herzog Karl III. von Savoyen wieder in seine Gebiete einzusetzen (Kaiser und Herzog sollen sich gegenseitig sehr mögen). Zunächst habe er vor, das Piemont samt Turin und den umliegenden Städten für den Herzog zurückzuerobern. Danach wolle er sich diesseits der Alpen begeben und das übrige Gebiet des Herzogs [das Chablais und die Waadt] wiedergewinnen. Und falls die Eidgenossen König Heinrich II. von Frankreich zu Hilfe kommen oder dies zu verhindern suchen würden, wolle er diese sogleich überfallen und mit seinen ganzen Streitkräften dermaßen heimsuchen, dass sie sich ihm nicht widersetzen können. -[3] Ein anderer [...]erzählte, es sei verbürgt, dass die Kurfürsten sich derzeit über den [Schwäbischen] Bund 5 beraten (welcher alle Stände des Reichs einbeziehen soll) und sie sich diesem trotz ihrer Vorbehalte anschließen werden, zumal alle durch die vom Kaiser ausgeübte Macht dazu genötigt werden. -[4]Dass dem Kaiser die Errichtung dieses Bundes sehr am Herzen liegt, ist gewiss. Weniger sicher sind allerdings seine Kriegspläne. Da aber Freunde Vadians immer wieder in ihren Briefen vor einem Angriff des Kaisers warnen, könnte es gut sein, dass dieser tatsächlich versuchen wird, ganz Helvetien zugleich in einen langwierigen Krieg zu verwickeln. Möge etwas Unerwartetes geschehen, das diesen Plan vereitelt! -[5]Gruß.