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Autograph: Zürich StA, E II 345, 370 (Siegelspur) Druck: Leonhard Theobald, Das Leben und Wirken des Tendenzdramatikers der Reformationszeit Thomas Naogeorgus seit seiner Flucht aus Sachsen, Leipzig 1908, S. 23
[I] Es gilt als gewagt, jemanden, den man nicht kennt, ohne besonderen Grund anzuschreiben.
2 Naogeorg tut es dennoch, weil sein Freund Johannes Haller auf seiner Reise [vonBriefe_Vol_20-529 arpa
Augsburg nach Zürich] erfreulicherweise bei ihm Halt machte, ihn darum bat und dabei
Bullingers Gelehrsamkeit, Freundlichkeit und Güte SO sehr rühmte, dass er sich überzeugen
ließ, dass dieser ihm den Brief nicht übelnehmen würde. Eigentlich wurde er davon schon
längst von Haller überzeugt und wollte seit einiger Zeit an Bullinger schreiben und sich um
dessen Freundschaft bemühen. Doch fand er nie einen zuverlässigen Boten. Diesmal wird
Haller das vorliegende Schreiben mündlich, und zwar ausführlich und getreu, ergänzen.
—[2]Die Tugend vermag es, zwischen unbekannten Menschen Zuneigung zu stiften. Naogeorg
empfand diese bei seiner Lektüre von Bullingers gelehrten Schriften, auch wenn er dem Autor
nie begegnet ist. Beim Lesen bemerkte er dessen Aufrichtigkeit und Standhaftigkeit. Er beglückwünscht
die Helvetier zu solchen Gelehrten, die Christus und dessen Botschaft so genau
vertreten, dass sie nicht nur ein echteres Evangelium, sondern auch mehr Freiheiten als die
Deutschen genießen! —[3][In Deutschland]stecken viele mit dem Papsttum unter einer Decke
oder wollen ein neues errichten. Es besteht die Gefahr, dass den [Deutschen]das Evangelium
entrissen wird. Doch Bullinger soll weiterhin Christus allein verherrlichen (auch wenn der
Teufel herumtobt und ailes versucht 3 ). Dafür wird er den Ruhmeskranz vom Herrn erhalten! 4
—[4]Naogeorg muss abbrechen, denn Haller reist ab. Er wollte Bullinger wenigstens seine
Sympathie bekunden. Dieser möge ihn in seinen Freundeskreis aufnehmen. Gruß.