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Autograph: Zürich StA, E II 340, 169 (ohne Siegel) a Ungedruckt
[1]Von Cham hat am Vortag einen Bericht von Johannes Haller über Augsburg empfangen. Er hätte Bullinger darüber informiert, wenn er nicht aus Hallers Brief entnommen hätte, dass dieser auch an Bullinger geschrieben [Nr. 2791] hat. Die Lage scheint nun wirklich gefährlich. Schuld daran sind aber die verstockten Augsburger. Allerdings tun ihm die frommen Leute leid, die nun um ihr Hab und Gut fürchten müssen, ja auch um sich selbst, wenn sie in der Stadt bleiben. Hätte man ihren Rat befolgt, wäre [der Donaufeldzug] anders verlaufen! Von Cham hat schon immer geahnt (was nun leider eingetroffen ist), dass die Protestanten infolge des nie zustande gekommenen Angriffs uneinig würden. Alles sei dem Herrn anvertraut. —[2] Da die anderen Städte [Süddeutschlands] sich [Kaiser Karl V.]ergeben haben, befürchtet von Cham, dass auch Konstanz dies tun wird. Falls die Stadt aber standhaft bleibt, würde man sich bestimmt um sie bemühen, damit sie zu einem ehrbaren Frieden gelangt, der auch der Eidgenossenschaft dienlich ist. Gibt man den Einwohnern Konstanz' die Möglichkeit, über ihre Zukunft zu entscheiden, werden sie (angesichts ihres Wankelmuts) gewiss für eine Ergebung stimmen. —[3]Aus Hallers Brief geht hervor, dass dieser durch Bullingers Briefe [u.a. Nr. 2770]beleidigt wurde. Vermutlich aber wird er über Bullingers nachfolgenden Brief [Nr. 2780]und über das Schreiben des Zürcher Rats [vom 30. Januar]erfreut sein. Bullinger soll Haller erneut Mut einflößen, damit dieser Gottes Wort tapfer verkündet. Er hat ja den geeigneten Charakter dazu. Mit Gepolter hingegen wird man die Augsburger Kirche kaum erbauen können. — [4] Von Cham hat Sebastian Schertlin brieflich gebeten, Hans Wilpert [Zoller](der nicht nach Zürich zurückkehren will) hinsichtlich dessen Zukunft zu beraten, da die Lage gefährlich ist, zumal kaiserliche Truppen nach Augsburg verlegt werden. Er hat auch Schertlin [angesichts dessen schwieriger Lage] sein Mitleid bekundet, ihn zu sich eingeladen und ihm versprochen, ihn nach Zürich zu begleiten, wo man ihn ehrenvoll empfangen würde. Zudem hat er ebenfalls an Zoller geschrieben. —[5]Segenswunsch für Bullinger und dessen Haushalt.
Ersamer, walgelerter, insonders günstiger, lieber her, min früntlich grutz
und gantz gütwillig dienst sygent 1 üch allzit zuvor, lieber meister Heinrich.
Uf gestert ist mir ein schriben von her Hanß Haller 2 zükommen, der mich
aller sachen, wie eß umb Augspurg stat, bericht. Ich het üch den handel
zügeschriben, so 3 hab ich uß dem schriben, so mir geschechen ist, verstanden,
daß üch ouch geschriben ist. 4 Ich kan wal verstan und gedencken, daß
die sach gar gefarlich stat. Die ellenden verstopften 5 lüt habent nüt anderßBriefe_Vol_19-297 arpa
wellen. Mich durent 6 allein die frommen, redlichen lüt, die eß so gar 7 güt
gemeint, und etlich von dem iren, die anderen so nach beliben 8 , ouch in
grossen gefaren müssent stan. So man densälben gefolget, were eß mit der
hilf gotteß ein anderen weg gangen. Ich hab alweg 9 besorgt, die har 10 10 wurd
sy 11 trennen, damit wurd eß gan, 12 wie eß leider geschehen ist. Wir wellent
eß dem heren got heimsetzen 13 . Der wirt eß zu siner zit wal nach sinem
gefallen ordnen.
Kostentz, besorg ich, diewil die anderen stet al abgefallen, sy werdent nit beharen. So sy die gnad und daß glück von got hettent, daß sy sich nach 14 tapfer und trostlich darstaltend 15 , mir zwyflet nit, man wurde inen nachwerben 16 , dadurch sy mit der zit zü eim gütten annemlichen friden komen möchtent, und der einer Eidgnosschaft ouch nützlich möchte sin. Ich besorg, so eß 17 fur 18 den gemeinen man kome (so ist der gmein man wanckelmüttig und unbeharlich!) b , sy werdent thün wie die anderen. Got gab inen gnad, das sy stif 19 beharent.
An 20 her Hansen schriben verstan ich wol, das der güt man ein beduren ab 21 üwerem schriben 22 hat enpfangen, wiewol ich gedenck, ab miner heren und üwerem nachgenderen 23 schriben wider ein trost und ein fröid enpfangen. Ir wellent im ouch trostlich züschriben, daß er manlich und dapfer daß wort gottes verkünde. Er ist zam 24 , den mit holderen 25 wirt an dem ordt 26 nit vil gebuwen. Wer weist, der her got wirtz nach alles ||169v. zum besten ordnen.
Hanß Wilbergen 27 halb hab ich sinem heren, her Sebastian Schertlin 28 , geschriben, ime ze ratten, wie im ze thun syge, 29 diewil er nit heim wil und
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doch sinethalb (so ein keiserischer züsatz 30 gen Augspurg solte geleit werden) gar gefarlich stan wurde. Ich hab im 31 sälber ouch geschriben. Heren Schärtli hab ich in minem schriben klagt 32 und me zü mir geladen in hoffnung, er werde mit der zit zü mir komen. Wil ich me in miner heren stat gen Zürich füren, 33 gütter hofnung, im werde vil eren und gütz begegnen.
Uch und üwer husgesint (in den schirm des heren gotz befollende) geben zü Kiburg, den 12. tag hornung im 47. jar.
Uwer gutwilliger diener Bernhart von Cham, vogt zü Kiburg. |
[Adresse auf f. 172v.:] Dem ersamen und wolgelerten meister Heirich Bullinger, pfarher zum Grossen Münster zü Zürich, minem lieben heren und gütten fründ.