Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2799]

Francesco Stancaro
an Bullinger
Basel,
7. Februar 1547

Autograph: Zürich StA, E II 335, 2087 (Siegelspur) Druck: Museum Helveticum V/19, Zürich 1751, 490f; Petrus Dominicus Rosius a Porta, Historia Reformationis Ecciesiarum Raeticarum, Bd. 1/2, Chur und Lindau 1772, S. 90, Anm. g

[]]Bullingers Brief [nicht erhalten]erfüllte Stancaro mit tiefer Freude. Welch gute Nachricht, dass Bullinger sich bei den Bernern um eine Stelle für ihn bemüht! Sollte dies gelingen, wäre es Gott und Bullinger zu verdanken. [2]Stancaro ist froh, dass die Berner in ihren Kirchen besonders in der Abendmahlslehre keine verwickelten Theorien verbreiten, denn auch er würde niemals solche vertreten! Ihm gefällt die reine, schlichte Lehre von Christus auch in Bezug auf die Sakramente, und genauso wie die Berner hat auch er eine Abneigung gegen das Luthertum und das Papsttum. Georg Frölich, Johannes Haller, Michael Keller sowie seine Schriften und die Universität in Wien können dies bezeugen. [3]Bullinger ist aufgrund seiner Hilfsbereitschaft ein wahrhaft christlicher Bischof! Stancaro wird ihm dafür stets verbunden sein. Bullinger möge ihn baldmöglichst über das Ergebnis seiner Bemühungen informieren. [4]Gruß.

Redditae mihi fuerunt literae tuae 2 , venerande antistes, quibus lectis totus summo perfusus suma gaudio, quod enim de prospicienda mihi conditione apud Bernates te curaturum scribis. 3 Quid gratius, quid antiquius mihi contingere posset? Perge itaque, te rogo, in instituto, et, quod tibi suggerit dominus, effice. Et, si quid confeceris, deo inprimis, deinde tibi summas agam gratias.

Quod vero Bernates subtilitates ac nodos tam in doctrina quam in planissimo caenae domini negocio ecclesiis suis tradi nolunt, hoc etiam atque etiam laudo, neque ego talia doceo nec unquam docebo. Placet enim" mihi puram ac simplicem doctrinam Christi eiusque verum sacramentorum intellectum sine tricis ecclesiis tradere. Quod praeterea Luteranismum ac papismum odiunt, hoc mihi a multis iam annis cum illis commune est. Testes enim (ut alios taceam) sunt Laetus 4 , Hallerus, Michael Caelarius 5 . Testantur scripta mea. 6 Testis est tota Viennensis academia me nihil grec 7 comamerciive

a Über der Zeile nachgetragen.
h Unter der Zeile nachgetragen.
16 Die Hochzeitsfeier hingegen wird erst nach diesem Brief anzusetzen sein. Francisco de Enzinas berichtet nämlich in seinem Brief an Bullinger vom 25. März 1547, dass sie "vor wenigen Tagen" stattgefunden hatte: s. Nr. 2861.
1 Zu Stancaro s. unten Anm. 9.
2 Nicht erhalten.
2 Bullinger hoffte also, Stancaro mit der
kürzlich in Bern freigewordenen Stelle des Thomas Grynäus oder mit der in Lausanne freigewordenen Stelle des Cello Secondo Curione versehen zu können. — Zur Entlassung des Grynäus s. die Verweise in Nr. 2737, Anm. 12. Zu Curiones Entlassung s. Nr. 2735, Anm. 2 und Anm. 4.
4 Georg Frölich.
5 Michael Keller.


Briefe_Vol_19-271arpa

habere cum huiusmodi sectis. Amo itaque verbi domini sirnplicitatem illam, quam sacrae literae nobis proponunt. 8

Quod tandem in aiis etiam rebus omnem tuam operam, si ea indiguero, mihi polliceris, primum, quod verum ac christianum episcopum decet, facis, deinde nie tibi maximo beneficio devinctum semper habebis. Quamobrem expectabo, ut, quam citius fieri potent, de toto negocio me certiorem facias.

Vale. Basileae, 7. februarii 1547.

Tuus in domino Franciscus Stancarus. 9

6 Siehe dazu Nr. 2803, Anm. 10.
7 Gemeinschaft.
8 Vgl. 1Tim 6, 4f; 2Tim 2, 14. 16; Tit 3, 9.
9 Francesco Stancaro (geb. ca. 1501 in Mantua, Italien; gest. 12. November 1574 in Stopnica, Polen) widmete sich als Student intensiv dem Hebräischstudium. Eine Zeitlang unterrichtete er in Padua die Sprachen, ehe er sich für acht Monate nach Venedig zurückziehen musste, wo er inhaftiert wurde. Nachdem ihm die Flucht gelang, ist er 1543 in Chiavenna nachweisbar. Im Oktober 1545 (nicht 1544) erhielt er die Hebräischprofessur in Wien, von wo er schon Anfang 1546 weichen musste. Von März 1546 bis Anfang Januar 1547 lebte er in Augsburg, wo er Hebräisch und Griechisch unterrichtete. Danach hielt er sich bis kurz vor dem 2. Mai 1547 in Basel auf, wo er mehrere Schriften veröffentlichte (s. VD16 S8549. S8553. ZV27925. ZV28062 und vielleicht auch ZV23760) und auch zum Drucken hinterließ (welche im Juni und August 1547 erschienen; s. VD16 S8544f). Von dort begab er sich wieder nach Augsburg, von wo er noch vor Mitte Februar 1548 (s. AK VII 562) aufbrach, um dann erneut in Chiavenna aufzutauchen. Von dort musste er wegen eines schon vor Juni 1548 ausgebrochenen Streites mit Agostino Mainardi über das Abendmahl vor dem 22. September 1548 weichen. Im Dezember 1548 ist er im Veltlin (Valtellina) bezeugt und Anfang 1549 in Siebenbürgen. Im Herbst 1549 erhielt er die alttestamentliche Professur in Krakau, von wo er im März 1550 fliehen musste. Nach einer zweimonatigen Gefangenschaft in Lipovice (Tschechien) begann er im Spätsommer
1550 seine Tätigkeit als Reformator in Kleinpolen. Er stellte bald 50 Regeln auf, an die sich eine Gemeinde, die sich reformieren will, zu halten habe (gedruckt 1552 in Frankfurt an der Oder; VD16 S8543). Wegen eines gegen die Protestanten gerichteten Edikts des polnischen Königs Sigismund II. August verließ er Polen Ende Januar 1551. Im Mai 1551 wurde er Professor für Hebräisch in Königsberg. Infolge seines Streits mit Andreas Osiander über die Rechtfertigungslehre übersiedelte er schon Ende August 1551 nach Frankfurt an der Oder, das er allerdings bereits Ende Mai 1552 verließ, da er die Ansicht vertrat, dass Christus nur nach seiner menschlichen Natur Vermittler sei. Via Zbaszyn (Bentschen), Poznan (Posen) und Szamotuly (Samter) gelangte er im Spätsommer 1553 wieder nach Kleinpolen und von dort nach Siebenbürgen, wo er spätestens Anfang November 1554 nachgewiesen ist. Im Mai 1559 kehrte er nach Polen zurück, verleumdete aber sogleich Melanchthon, indem er wie schon im Mai 1553 behauptete, dass dieser in seinen Schriften eine arianische Christologie befürwortete. Er ließ darüber eine Flugschrift in Pinczow drucken, die in Zürich StA (E II 371, f. 748-757) erhalten geblieben ist. Bereits Ende August 1559 musste er Pinczow verlassen. Er begab sich nach Dubiecko, wo er bis Frühling 1563 den Schutz des Adligen Stanislaw Stadtnicki genoss. Ab 1559 (s. Zürich StA, E II 371, 743; Beze, Corr. III 87, Anm. 1) bezogen auch die Kirchen der Schweiz Stellung gegen ihn, was 1561 zu einer schriftlichen Polemik mit Zürich führte (s. USTC 241799. 241976; VD]6 B9609. S6516). Im Frühjahr


Briefe_Vol_19-272arpa

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo viro d. Henrico Bullingero, antistiti Tigurinae ecclesiae doctissimo et vigilantissimo, suo observando. Tiguri.