Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2794]

Hans Wunderlich
an Bullinger
Neuenburg,
4. Februar 1547

Autograph: Zürich StA, E II 368, 234f (Siegelspur) Ungedruckt

[1] Wunderlich hat das Anliegen von Bullingers Brief [nicht erhalten]begriffen. Gott erbarme sich der Seinen und mehre deren Glauben! [2] Wunderlich hat die ganze Angelegenheit dem sich derzeit auf dem Weg [in die Eidgenossenschaft] befindenden Botschafter des französischen Königs Franz I. in einem Brief dargelegt und vorgeschlagen, diesbezüglich sogleich eine Vollmacht vom König zu erwirken, denn anderenfalls wüsste der Botschafter nicht, was aus der Sache würde, wenn er sich der Dinge am Bodensee annähme. Die Franzosen sind nämlich untereinander nicht sehr zuverlässig, sodass sie die Vorschläge guter Leute nicht unbedingt berücksichtigen. [3] Wunderlich hätte sich aus der Sache herausgehalten, wäre diese nicht Gott dienlich. Demzufolge will er alles dafür tun. Gleich nach Eintreffen des Botschafters wird er diesen aufsuchen und sich bei ihm für das Wohl der Eidgenossenschaft einsetzen. [4] Beim Botschafter handelt es sich um den sieur de Lyancourt [Guillaume Du Plessis]. Schon vor 26 Jahren diente er [Louis de Forbin] sieur de Soliers [und] seinem Bruder [Charles Du Plessis, sieur de Savonnières], damals Botschafter des Königs in der Eidgenossenschaft. Wunderlich kennt ihn gut. Er ist ein freundlicher und frommer Mann. Sobald er geantwortet hat, wird Bullinger durch Wunderlichs eigenen Boten informiert werden. [5] Wunderlich erweist sich Gott gerne als nützlich in dieser Angelegenheit. Dieser schenke Bullinger und seinen Kollegen Kraft und Ausdauer. In Eile.

Min underthenig, guttwillig dientst sampt was ich eren unnd liebs vermag zuvoran, erwurdiger, günstiger, lieber herr. Ich hab mitt grossem hertzleid uwer schriben 1 alls im grund 2 verstanden. Der allmechtig gott wöll sich aller siner gleubigen erbarmen und den glouben meren, darmitt wir in sinn willen erfunden werden.

Ich schriben jetz gegenwurtigklich uff der post deß kungs 3 bottschafft, so er 4 jetz heruß schickt, 5 , alls von mir selbs 6 , den gantzen handel 7 mitt dem anhang 8 , ob er nut gewollt hett 9 , darin zu handlen 10 , das ers angends 11 an den küng langen lasse, und im 12 anttwurtt und gewallt 13 werde zugeschickt; dan 14

1 Nicht erhalten. —Siehe dazu Nr. 2774,11— 22.
2 alls im grund: ganz; gründlich.
3 König Franz Ï.
4 der König.
5 uff der post deß kungs bottschafft, so er jetz heruß schickt: an den (möglicherweise vorausgehenden) Dienstboten des sich in die Eidgenossenschaft begebenden französischen Botschafters. — Zu Letzterem s. unten Anm. 28.
6 alls von mir selbs: als schriebe ich aus eigener Initiative.
7 Gemeint ist die Anbahnung eines Kontaktes zwischen Konstanz und Franz I.; s. dazu Nr. 2762,53-80; Nr. 2771,13-31, und die oben in Anm. 1 angeführte Stelle.
8 Zusatz.
9 ob er nut gewollt hett: ob er (der Botschafter) nicht willens wäre.
10 darin zu handlen: zu bewirken.
11 sogleich.
12 dem Botschafter.
13 Ermächtigung; Vollmacht (vom König).
14 denn.


Briefe_Vol_19-261arpa

er ist fur sich selbs, dem küng wede a kein 15 knecht. Er versäch dan die ding am Bodensee, unnd weis doch darby nitt, wie oder was darin gehandlet wirtt! Dan die Frantzossen sind gantz untrüw an einandern, und schafft 17 , obschon ein byderman 18 inen etwas warhafftz furtreitt 19 , das sys verachten; nitt das ichs sy ursach hab 20 .

Ich was in willen, mich der handlungen gar zu entziechen. So 21 ich aber gespurren mag 22 , das ich darin gott b dienen, so sol mich kein ubelmugen 23 , cost noch arbeitt nitt duren lasen 24 , unnd, so bald jetz der Frantzoß 25 heruß kumpt, wil ich mich angentz 26 zu im thun und allen möglichen flyß anwenden, darmitt in dem und in andern dingen gehandlet werde, was der Eydgnoschafft zu guttem mag erschiessen 27 .

Der bott, der uff der straß ist, heist monsieur de Lyencourtt 28 . Ist vor 26 jar by dem herren von Solliers 29 unde sin bruder 30 , ein pott deß kungs in der Eidtgnoschafft, gelegenn. Den 31 ken ich vast wol 32 . Ist nitt bößertig, unnd fromen dingen hold 33 gsin. Was mir jeder zitt 235 fur anttwurtt zukumpt, wil ich uch heimlich und angentz by eignem potten zuschicken.

Gott, der aller warheit ist, weis, das ich in disen handlungen im gern darin well 34 . Der geb gnad uch und allen sinen dienern, das ir bestentlich beharen biß an das end in üwerm stand und wessen 35 .

Datum illentz zu Nuwenburg, deß 4. tag Hornung anno, etc., 47.

Uwer williger diener allzit

Hanns Wunderlich.

a In der Vorlage wurde das Wortende er mit der für en üblichen Abkürzung geschrieben. —
b Danach getrichenes oder. —
c Fehlt in der Vorlage.
15 er ist fur sich selbs, dem küng weder kein knecht: er ist unabhängig (und) kein bevollmächtigter Beamter des Königs. — Die Betonung liegt hier auf der unterschiedlichen Funktion eines Botschafters, der in der Fremde ganz allgemein eine Ansprechsperson für den König darstellt, und eines "Knechts", der vom König beauftragt ist, eine bestimmte Aufgabe auszuführen.
16 Zu verstehen: Würde er sich daraufhin der Angelegenheit am Bodensee annehmen, wüsste er dabei doch nicht.
17 und schafft: und das hat zur Folge, (dass); vgl. SI VIII 308.
18 rechtschaffener Mann.
19 vorträgt.
20 ichs sy ursach hab: ich sie dessen für schuldig halte.
21 Da.
22 gespurren mag: spüren konnte.
23 kein ubelmugen: keine ungünstigen Umstände.
24 mich nitt duren lasen: mir nicht leid tun.
25 Der oben in Z. 6 erwähnte Botschafter.
26 umgehend.
27 (daraus) erwachsen.
28 Guillaume Du Plessis, sieur de Lyancourt, der zwischen Februar und Oktober 1547 und zwischen Juli 1548 und November 1550 als Botschafter in der Eidgenossenschaft amtierte; s. Rott, Représentation 301. 423. 558.
29 Louis de Forbin, sieur de Soliers, der zwischen Juni 1519 und März 1520 als Botschafter in der Eidgenossenschaft gedient hatte; s. ebd., 202. 578.
30 Charles Du Plessis, sieur de Savonnières, der zwischen August 1518 und Juli 1520 ebenfalls als Botschafter in der Eidgenossenschaft nachgewiesen ist; s. ebd., S. 202. 377. 576.
31 Nämlich Lyancourt.
32 vast wol: sehr gut. 33 gewogen.
34 im gern darin well: ihm (Gott) dienen möchte.
35 "Stand und Wesen" (Amt und Leben).


Briefe_Vol_19-262arpa

[Adresse vor f. 229a,v.:] Dem wolgelerten meister Heinrich Bollinger, predicant im Grossenn Munster der statt Zurich, minem erenden 36 , lieben herren zu sins selbs handen.