Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2776]

Bullinger
an Ambrosius Blarer
Zürich,
28. Januar 1547

Autograph: St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 35 (VBS VI), 224r.-v. (Siegelspur) Zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 579, Nr. 1401

[1] Am Vortag hat Bullinger dem Konstanzer Boten [...] einen Brief [Nr. 2774]mitgegeben. Als er nun aus der Kirche zurückkam, wo er, wie in Zürich üblich, eine lateinische [Karlstags]rede vor den Pfarrern gehalten hat, fand er Blarers Brief [Nr. 2775] vor. Als er dann zum Bürgermeister [Hans Rudolf Lavater?] wollte, wurde ihm gesagt, dass dieser wegen eines eingetroffenen Briefs aus Konstanz [vom 26. Januar 1547] in einer Ratssitzung sei. Unterdessen nutzt Bullinger die Zeit, um zu schreiben. [2]Blarer sei für seinen Brief und für die freundliche Aufnahme des von Bullinger in Sorgen verfassten Schreibens [Nr. 2767]gedankt. Gott und die ewige Wahrheit bleiben der Fels! Ihn bitte man um Gnade. ihm ergebe man sich gänzlich. Sein Wille geschehe. [Blarer und Bullinger], die im selben Boot sitzen, mögen bis in den Tod treu ihre Pflicht ausüben. [3] in ihrer beider Namen soll Blarer an Georg Frölich und Johannes Haller schreiben und diese auffordern, in Augsburg zu bleiben, solange es noch einen Grund zur Hoffnung gibt. Die Stadt jetzt schon zu verlassen, wäre verfrüht. Zudem sind die Menschen in Zürich genauso wankelmütig wie in Augsburg. [4]Bullinger wüsste nicht, dass die Eidgenossen [an der letzten Tagsatzung] beschlossen hätten [an der künftigen Tagsatzung den Fall Konstanz nicht mehr zu behandeln]. Bullinger verhehlt Blarer nichts. Die Verräter werden stets falsche Gerüchte in Umlauf bringen. Genauso wenig hat Bulliger etwas über eine künftige Tagsatzung gehört, an der die Angelegenheiten zwischen Frankreich und den Eidgenossen behandelt werden sollen. Sollte eine Tagsatzung angesetzt werden, wird er sogleich darüber berichten. Fest steht, dass, wenn Franz I. Söldner anfordert, es dazu keiner Tagsatzung bedarf Das Geld für die Söldner liegt schon in Basel bereit, und ob die Amtsleute der inneren Orte es wollen oder nicht, sollte Franz I. es wollen, wird das Reislaufen spätestens am 1. März beginnen. [5] Wenn Kaiser Karl V. noch lebt und atmet und nicht schon vom Wasser des Styx trinkt, besteht er dennoch nur aus Fleisch, und Blut und wird daher nur das tun können, was Gott ihm erlaubt. Letzterem ist zu vertrauen! ihn muss man verkündigen! Und musste man deswegen sterben, wäre es ein Gewinn. [6] Grüße, auch an Frau [Katharina, geb. Ryff] und Kinder, an Thomas Blarer und Konrad Zwick, denen Bullinger all das Seine anbietet, solange er lebt. [7][P.5..] Sollte Herzog Christoph [von Württemberg aus Basel] vertrieben werden, dann wird man gut feststellen können, daß die [Eidgenossen] genauso untauglich und unzuverlässig sind wie andere auch.

57 Thomas Blarer.
58 Konrad Zwick.


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Gnad und frid. Gester hab ich by üwerm löuffer 1 geschriben 2 . Jetzund 3 kumm ich grad uß der kirchen. Hab Latinam collationem than 4 pro clero 5 , ut moris est; 6 so find ich üwer schriben 7 uff dem disch. Als ich zum herren 8 gewölt, zeigt man mir an, er sye imm radt üwer herren brieffen 9 halb. Dorumb müß ich jetzund schriben, diewyl ich wyl 10 hab. Wil aber hernach wyter reden mit minem herren, etc.

Ich danck üch vast trüwlich üwers flyssigen schriben. Danck gott, das ir mir min angefochten 12 , ungeordnet schryben 13 so früntlich angenommen. In summa: Gott und die eewig warheyt sye unser felß. Uff den wöllend wir gründen, 14 inn umb gnad bitten. Faciat ipse, quod bonum videtur in oculis suis. 15 Wir wöllend uns in todt und läben gäben, wie er wil mitt sinen gnaden. Gwüß, wie es üch, also uns. Wir wöllend amm wagen heben 16 und unser ampt thun, diewyl 17 wir könend.

Bitt ouch umb gotts willen, ir schribind Laeto 18 und Hallero 19 in üwerm und minem namen, sy wöllind nitt wychen, biß sy sähind, das nut mee ze hoffen. Die zyt aber ist gwüß noch nitt hie. Was sy dört verlassend, findent sy hie. Dorumb syend dappffer; wychind nitt.

Das gmein Eydgnossen sich des entschlossen, 20 ist mir by der warheit nitt ze wüssen. Verhallt 21 üch weder güts noch baß. Es mögend wol proditores vil hin und wider sagen nach irem willen. Ich weiß von keinem tag, der angesetzt sye den Eydgnossen oder Frantzosen, 22 dann 23 sy von einandren one tagsatzung zerritten. Wurde aber neißwas 24 angesetzt, das ich wüste 25 ,

1 Unbekannt.
2 Mit Brief Nr. 2774.
3 Der 28. Januar 1547 war ein Freitag.
4 collationem than: Rede getan (gehalten).
5 Zu Bullingers Karlstags-Rede, die er bereits Anfang Januar an Blarer zur Begutachtung geschickt hatte, s. Nr. 2743, Anm. 3.
6 Am 28. Januar, am Fest Karls des Großen, der als Begründer des Großmünsterstifts galt, kamen auch nach der Reformation die Pfarrer von Stadt und Land zusammen. Nachgewiesen sind solche Reden auch in HBBW II 41. 56f; IV 79, Anm. 9; 436, Anm. 14; V 213. 215. 226. 231. 265f. 291; VI 51. 107. 161f. 212; VIII 54f; XVI 43. 299.
7 Brief Nr. 2775 vom 27. Januar 1547.
8 Vielleicht Bürgermeister Hans Rudolf Lavater (Johannes Haab war im Natalrat stillstehend).
9 Zu den Schreiben des Konstanzer Rats s. Nr. 2775, Anm. 15.
10 Weile (Zeit).
11 vast trüwlich: von ganzem Herzen.
12 in Sorgen (verfassten).
13 Bullingers Schreiben vom 24. Januar (Nr. 2767).
14 Vgl. Mt 7, 24 par.
15 Vgl. 1Sam 3, 18.
16 amm wagen heben: kräftig zupacken; die Sache führen.
17 solange.
18 Georg Frölich.
19 Johannes Haller. — In Blarer BW finden sich aus diesem Zeitraum weder Briefe an Haller noch an Frölich.
20 Nämlich an der künftigen Tagsatzung den Fall Konstanz nicht mehr behandeln zu wollen; s. Nr. 2775,34-37.
21 Vorenthalte.
22 In Anspielung auf Nr. 2775,44f. Die nächste Tagsatzung vom 28. Februar wurde tatsächlich nicht alleine Frankreich gewidmet.
23 da.
24 irgendeine (Tagsatzung).
25 das ich wüste: von der ich erfahren würde.


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wil ich anzeigen. So der Franzoß 26 die knächt begärt, vragt er keinem tage 27 mee nach. Das gällt ligt zü Basel. Acht wol, olygarchae 28 wöllind oder nitt, so der Franzos fürfart 29 , wirt uff 1. martii das glöuff 30 und darvor angan 31 .

Quod si vivit adhuc caesar 32 et vescitur aura aetherea 33 nec adhuc bibit de Stygia palude, 34 certum est illum esse carnem et non spiritum, nec plura illum effecturum, quam deus ipse permiserit. 35 Huic credamus, illum annunciemus facientes nostrum officium! Mon lucrum erit. 36

Vale aeternum || 224v. cum uxore 37 et liberis 38 , fratre 39 et consobrino 40 , quibus, utcunque res cedat, omnia mea offero, donec ipse vixero et locum habuero in terris. Tiguri, 28. ianuarii 1547.

Bullingerus tuus.

Wenn man hertzog Christoff 41 vertriben last, sicht man, das wir ouch nut söllend 42 und das man uns eben truwen sol wie ander lüten. Omnis caro foenum. 43 V[erbum] d[omini] m[anet] i[n] ae[ternum]44

[Adresse darunter:1 [Min]em früntlichen, [hebeln herren und [brüder] m. Ambro[sien B]laureren, [predican]ten zü Constantz. b

a Hier und unten Textverlust bei der Entfernung des Siegels.
b Daneben von einer späteren Hand das Briefdatum: 28. ianuarii anno 47.
26 Franz I.
27 Tagsatzung.
28 Damit sind die Amtsleute der Fünf Inneren Orte gemeint (s. schon HBBW XVII 174,71-75; 212,53), die Bullinger auch als "die grossen Hansen in Ländern" bezeichnete; s. Nr. 2774,26f.
29 (mit seinem Vorhaben) fortfährt. — Die Inneren Orte waren durch ihr Soldbündnis mit Frankreich von 1521 zur Bereitstellung von Söldnern verpflichtet.
30 Reislaufen.
31 und darvor angan: und schon zuvor beginnen.
32 Karl V. — In Bezug auf Nr. 2775,56-59.
33 Vergil, Aeneis, 1, 546f.
34 Vgl. Nr. 2768,8-11.
35 Hi 1, 12; 2, 6; 1Kor 10, 13.
36 Phil 1, 21.
37 Katharina, geb. Ryff.
38 Zu deren Namen s. HBBW XVI 121, Anm. 13.
39 Thomas Blarer.
40 Konrad Zwick.
41 Christoph von Württemberg. — In Bezug auf Nr. 2775,46-49.
42 nichts taugen.
43 Sir 14, 18; Jes 40, 6; 1Petr 1, 24.
44 Jes 40, 8; 1Petr 1, 25.