Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2590]

Johannes Gast
an Bullinger
[Basel],
18. September 1546

Autograph: Zürich ZB, Ms F 62, 263 (Siegelspur) Ungedruckt

Es gibt viele Gerüchte, doch hat Gast erfahren, dass der Straßburger Professor Johannes Sturm als Gesandter von König (Franz I.] mit dem Italiener (Piero]Strozzi (einem gelehrten Mann)(aus Lyon]nach (Basel]gekommen ist und versicherte, dass der genannte König bereit sei, den (Schmalkaldenern] zu helfen. Jetzt, wo es kälter geworden ist, will Strozzi versuchen, die im (Heer]des Kaisers (Karl V.]dienenden Italiener abzuwerben. Paul Fagius wurde von (Kurfürst Friedrich II. von] der Pfalz nach Heidelberg zur Reform der Universität berufen. In Brabant und Holland soll eine unerhörte Hungersnot viele Opfer gefordert haben. Gott quält die Menschen, damit sie erkennen, dass er der Herr ist. Einem Landbewohner [Vorderösterreichs] wurde von seiner Obrigkeit die Zunge abgeschnitten, nur weil er dem Kaiser die Pest gewünscht hatte. Daran erkennt man den Wahnsinn dieser Leute! Myconius wird mehr berichten. Gast empfiehlt seinen Verwandten, den Überbringer (Johannes Georg Grünblatt]. Größe an Theodor (Bibliander] und (Konrad]Pellikan.

S. in domino. Nihil certi habeo, quod ad te scribam. Sed plena omnia sunt vanis rumoribus. Sed hoc audeo dicere: Es ist d. Ioannes Sturmius, professor literarum bonarum Argentinensis, kommen vom künig von Franckreych 1 . ein legat, 2 ouch mit im Strotzius Italus 3 , ein gelerter mann. Der understatt 4 ,

d Blarer machte seine Unterschrift unleserlich. Darüber in der Hand von Traugott Schieß: Ambr. Blaur. manus.
34 Siehe Nr. 2581,120-130.
35 Widerstand.
36 Wall, Schanze; s. Nr. 2581,96f.
37 angegriffen.
38 die Feinde.
39 des unbekannten Boten.
40 Gwalther hatte Blarer seinen "Endtchrist" (s. dazu Nr. 2565, Anm. 7) mit einem Brief vom 14. September (Blarer BW II 508, Nr. 1347) geschickt.
41 Siehe dazu oben Anm. a.


Briefe_Vol_17-479arpa

die Italiäner, die bym keyser 5 sindt, abtrünnig ze machen, 6 besonder zu disen zytten, do kälte ist infallen. Gott gebe im wyßheit darzu! lusserunt nos bene sperare de Gallo et auxiliis eius, si ullam posset habere occasionem. Paulus Fagius vocatus est a Palatino 7 academiam Heidelbergensem reformaturus. 8

Prçterea hic heri audivi a Brabantinis, das ein grosser hunger sey in Brabant und Holant, deßgleichen nie erhört 9 sey worden, do vil menschen hungers sterben. Also plaget gott dise menschen zur rechten und zur lincken. Wil aber als 10 nuit helffen, biß got den kübel seins zorns 11 ußschütt, damit si erkennen, das gott der herr sey. 12

Es hat ein bur 13 gsagt, er wölle, das der keyser die pes[ti]lentz a hette, das 14 er nit mer krieget und sy unplagt von im weren. Diser baur ist verklagt. Das regiment 15 hat in gefangen, im die zungen abgehowen. Vide insaniam illorum hominum!

Myconius reliqua. 16 Vale. 18. septembris 1546. Commendo tibi affinem meum, 17 praesentium literarum latorem, ac tuis consiliis adiuva!

D. Theodoro 18 et Pellicano felicia queque precor.

Tuus Gastius.

a Textverlust durch Papierverlust.
1 Franz I.
2 Der in Straßburg unterrichtende Johannes Sturm wurde damals wiederholt nach Frankreich gesandt. Die hier bezeugte Durchreise in Basel erfolgte nach einem Aufenthalt in Lyon, wo Sturm vergebens versucht hatte, im Auftrag des schmalkaldischen Bundes ein Darlehen von italienischen Kaufleute zu erhalten; s. Hugues Daussy, Jean Sturm et la France, in: Johannes Sturm (1507-1589). Rhetor, Pädagoge und Diplomat, hg. v. Matthieu Arnold, Tübingen 2009, S. 347; PC I VII 397, Anm. 2. Am Abend des 22. September sind Strozzi und Sturm in Ulm nachgewiesen. Am 24. traten beide im schmalkaldischen Feldlager bei Donauwörth ein; s. PC IV/1 383f, Anm. 6; 397, Anm. 2; 401f, Nr. 378.
3 Der Condottiere Piero Strozzi (1510— 1558) aus dem Florentiner Patriziat, der im Dienste Franz' I. stand; s. über ihn zuletzt HBBW XVI 321, Anm. 22.
4 versucht.
5 Karl V.
6 Vgl. Blarer BW II 516 (Bullinger an Blarer, 3. Oktober 1546).
7 Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz.
8 Zum Vorhaben dieser Reform s. schon
HBBW XVI 105f. —Fagius wirkte in Heidelberg etwa zwischen dem 2. August und dem 25. Oktober; s. Richard Raubenheimer, Paul Fagius aus Rheinzabern. Sein Leben und Wirken als Reformator und Gelehrter, Grünstadt 1959 — Veröffentlichungen des Vereins für Pfälzische Kirchengeschichte 6, S. 80-87; PC IV/1 passim (s. Reg. s.v. Fagius).
9 gehört.
10 alles.
11 Jes 42. 25; 51, 17; Apk 16, 1.
12 Vgl. Ex 7, 5; 10, 2; 14, 4 und IS: usw.
13 Ein unbekannter Landbewohner.
14 Die Bevölkerung.
15 Die Behörde (angesichts Gasts Wohnort wohl diejenige eines in Vorderösterreich gelegenen Dorfes oder Städtchens). — Die Anekdote dient wohl dazu, Bullinger zu veranschaulichen, welch großer Gefahr der unten Z. 20f erwähnte Flüchtling ausgesetzt ist.
16 Mit einem nicht erhaltenen Brief, falls ein solcher damals tatsächlich verfasst wurde.
17 Johannes Georg Grünblatt. — Siehe schon Matthias Erbs Empfehlung in Nr. 2580,1— 19.
18 Theodor Bibliander.


Briefe_Vol_17-480arpa

[Adresse auf der Rückseite:] Ornatissimo ac doctissimo viro d. Heinrycho Bullingero, Tigurinc ecclesiae pastori vigilantissimo. Zurich.