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Ausfertigung a : Marburg Hessisches Staatsarchiv, 3, 1797 (PA 1797), 42r.— 43v., Adresse auf f. 45v. (Siegelspur)
Entwurf von Bullingers Hand b : Zürich StA, E II 335, 2293 Gleichzeitige Fassung ohne Adresse und mit am Rande angebrachten
Zusätzen c : Zürich StA, E II 337 a , 375f d
Druck: Johann Philipp Kuchenbecker, Analecta Hassiaca, darinnen allerhand zur Hessischen Historie, Jurisprudentz und Litteratur behörige
Urkunden, Abhandlungen und Nachrichten mitgetheilt werden,
Bd. X, Marburg 1736, S. 438-445, Nr. XXI;
Mühling 295-300, Anlage 8
Die Pfarrer und Lehrer Zürichs haben das von Landgraf Philipp von Hessen am 5. Juni in
Friedewald verfasste Schreiben [Nr. 2455] mit der Nachricht über die gegen sie verbreiteten
Verleumdungen erhalten. Sie begrüßen die Bemühung des Landgrafen um den Frieden in der
Kirche, bedanken sich für seine Gunstbezeugung und wünschen ihm Gottes Beistand. — Der
Landgraf soll wissen, dass sie nicht, wie man in Hessen und in Sachsen von ihnen behauptet,
[Martin] Luther von der Kanzel oder während des Unterrichts als gottlos bezeichnen, und
dies, obwohl sie gut wissen, dass Luther sie als noch schlimmer als die Türken und die Juden
apostrophierte. Sie bemühen sich ganz im Gegenteil, erbauend zu wirken, indem sie das Volk
nur in der christlichen Lehre unterrichten. — Bei genaueren Ermittlungen würde der Landgraf
vielmehr erfahren, dass in Hessen und in Sachsen Verleumdungen gegen sie kursieren und sie
als zwinglische Götzenstürmer, Schwärmer und Sakramentsschänder diffamiert werden. Dies
tut z.B. Theobald Thamer in seinem Unterricht in Marburg, 2 also in der Stadt des Landgrafen
selbst! — Sie haben auch nie behauptet, dass Luther aus Kummer gestorben wäre, weil er ihr
[Warhafftes]Bekanntnuß [von 1545]nicht zu widerlegen wusste. Sie haben nicht die Gewohnheit,
über Verstorbene zu lästern, nicht einmal über unbedeutende Menschen. Umso weniger
würden sie nun den um die Kirche Christi so verdienten Luther schlecht machen wollen! Mit
der Ausnahme seiner Lehre über das Abendmahl und die Bilder sowie auch einiger seiner
unangebrachten Schriften [gegen Zwingli] verteidigen sie stets seine Ehre. Nachdem er nun
verstorben ist, würden sie auch nur dann weitere Abhandlungen über die Meinungsverschiedenheiten
veröffentlichen, wenn sie von anderen angegriffen werden sollten. — Es stimmt auch
nicht, dass sie diejenigen nicht dulden, die sich an das in Basel ausgearbeitete und an Luther
geschickte [Erste Helvetische] Bekenntnis halten. Im Gegensatz zu vielen Lutheranern anerkennen
sie dieses Bekenntnis. Sie können aber nicht vertragen, wenn man es anders auslegt,
als was es ursprünglich aussagen will. Ferner (Gott sei Dank!) mussten sie niemanden wegen
des Abendmahl[sstreits] ausweisen, da sie sich diesbezüglich einig sind. — Hätte Luther sie
nicht angegriffen, befände man sich nicht in der heutigen unglücklichen Lage. Sie ziehen
nämlich den Frieden der Auseinandersetzung vor und werden sich weiterhin friedlich verhalten.
— In Summa: Weder haben sie bei sich Luther öffentlich verleumdet, noch haben sie vor,
sich an ihm zu rächen, oder sind sie weniger als die anderen [eidgenössischen protestantischen]
Stadt[kantone]geneigt, sich an das [Erste Helvetische] Bekenntnis zu halten. Sie lehren
vielmehr, dass dem Gläubigen im Abendmahl nicht nur Brot und Wein dargereicht wird,
sondern der wahre Leib und das wahre Blut Christi, doch nicht auf leibliche, sondern auf
geistliche Weise, zumal Christi Leib an Gottes Seite bleibt. Nichtsdestoweniger speist Christus
den Gläubigen mit sich selbst, so dass Christus in diesem und dieser in Christus lebt [Joh 6,
56]! — Trotz allem wird die von ihnen gelehrte geistliche Speisung als ungenügend kritisiert.
Man fordert von ihnen, dass sie eine leibliche Speisung anerkennen! Dies können sie aber
nicht. Und noch weniger könnten sie mit Luther behaupten, dass im Brot der richtige, natürliche
Leib Christi anwesend sei und dieser sowohl von den Gottlosen wie Judas als auch von
den Heiligen wie Petrus empfangen werde! Mit Ausnahme der Transsubstantiationslehre
drückt sich Luther wie die römische Kirche aus. Dies zeigt, dass der Streit nicht lediglich auf
den Gebrauch einer unterschiedlichen Terminologie zurückzuführen ist, 3 sondern wohl auf
entgegengesetzte Auffassungen. Denn zu behaupten, dass Christus leiblich anwesend sei, dass
er mit dem Mund leiblich gegessen werde und dass es von Nutzen sei, sein Fleisch leiblich mit
dem Mund zu essen, ist grundsätzlich nicht das Gleiche, wie zu behaupten, dass Christus
leiblich abwesend sei, dass er mit dem Glauben geistlich gegessen werde und dass es nicht von
Nutzen sei, sein Fleisch leiblich zu essen 4 ! — Die [Zürcher] suchen dennoch die Einheit der
Kirche und sind bereit, dafür zu wirken, solange man von ihnen nicht verlangt, etwas zu
behaupten, das sie nicht glauben und das sie vor Gott nicht verantworten könnten, weil sie
dadurch Verwirrung unter den Gläubigen stiften würden. Sie sind bereit, ihre Liebe und ihren
Gemeinschaftsgeist all denen zu bekunden, die sie in Hessen, in Sachsen und anderswo nicht
als Feinde betrachten und die, wie sie, die Lehre des Heils durch den Glauben allein befürworten
und nicht etwa (wie es der Antichrist tut) durch andere Mittel. — Der Landgraf möge
ihren Brief gut aufnehmen und sie bei dem Kurfürsten [Johann Friedrich von Sachsen]und all
den anderen Fürsten, bei denen sie verleumdet werden, verteidigen. Sie sind ihrerseits stets
bereit, sich für ihren Glauben zu rechtfertigen und den Frieden zu fördern. Den Landgrafen
empfehlen sie ferner Gottes Schutz.