Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2371]

Oswald Myconius an
Bullinger
Basel,
6. März 1546

Autograph: Zürich StA, E II 336a, 227 (neu: 245)(Siegel) Ungedruckt

Auf den 1. April ist ein neuer Schmalkaldischer Bundestag angesetzt. Alles wird von klugen Teilnehmern vertraulich behandelt, was Myconius gefällt. [Johannes] Sturm konnte einen mit [König Franz I.] von Frankreich ausgehandelten und für die Protestanten sehr günstigen Vertrag nach Frankfurt mitbringen. [Franz I.]hat allerdings nur Beobachter nach [Frankfurt] abgeordnet. [König Heinrich VIII. von]England hat niemanden geschickt. Die Gesandtschaft von Kaiser [Karl V.] ist nie erschienen. [Kurfürst Friedrich II. von der]Pfalz kam mit seinem Bruder [Wolfgang von der Pfalz-Neumarkt] nach Frankfurt; ebenso [Landgraf Philipp von] Hessen. Auch der Mainzer [Erzbischof Sebastian von Heusenstamm] erschien dort, aber er traf sich nicht mit den Protestanten. Sehr zu begrüßen ist, dass die Protestanten eine Gesandtschaft an [Karl V.]geschickt haben, um dessen Absichten zu erkunden. Das [Zweite] Regensburger [Religionsgespräch] hat endlich begonnen. Zur Zeit wird über die Rechtfertigung disputiert, zumal über den freien Willen und die Erbsünde bereits früher debattiert wurde. Bucer spricht [für die Protestanten], da Philipp [Melanchthon]abwesend ist. An dessen Stelle wurde Georg Maior geschickt. Die [katholischen] Gegner wollen den Inhalt der Debatten geheim halten, die [Protestanten]aber, dass die Welt davon erfährt. Man einigte sich schließlich darauf die [Protokolle der Verhandlungen] in einer unter der Obhut des Regensburger Rates stehenden Truhe aufzubewahren, zu der einer der Präsidenten und je ein Vertreter der beiden Gesprächsparteien einen Schlüssel erhielten. Karl [V.] muss allerdings noch seine Zustimmung dazu geben. In der ersten Sitzung [des Konzils] von Trient wurden sechs Punkte beschlossen: 1. Dass die Bischöfe und Prälaten beten und fasten sollen. 2. Dass die Priester einmal in der Woche Messe halten. 3. Dass [die Teilnehmer]eine ehrenhafte, einfache Lebensführung haben. 4. Dass die Zivilverwaltung [von Trient] die Konzilsteilnehmer beschützt. 5.

30 Hermann von Wied.
31 Siehe schon Anm. 27.
32 Der Kaiser.
33 Ironisch gemeint.
34 Hermann von Wied. — Vgl. HBBW XV 281,10—12. 445f, Anm. 24. 463,2f; 520f,19—27. 548f,16—21.


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Dass für die Verpflegung [der Teilnehmer]gesorgt wird. 6. Dass Protokollführer, Schreiber und Boten ernannt werden. Das Übrige wird Bullinger von [Rudolf] Gwalther und [Hans] Vogler [d.Ä] hören. Myconius ist Theodor [Bibliander]wohlgesinnt, weiß aber nicht, was dieser über ihn denkt. Grüße an [Konrad]Pellikan.

S. In kalendas aprilis nova sunt instituta comitia a Smalcaldensi foedere. 1 Illic expedientur, quae nunc 2 expediri non potuerunt. Consilia, tractationes et caetera omnia habentur clam, id quod mihi summe placet; docet enim ea res, quam prudentia polleant, qui illic conveniunt. Sturmius professor 3 quae exposuerit Francfordiae, 4 novit nemo. Illud tamen certum, ipsum conditiones optimas a Gallo 5 protestantibus adtulisse, quamvis Gallus non habuerit illic 6 nisi inspectores 7 . Anglus 8 neminem misit. 9 Caesaris 10 legatio nusquam comparuit 11 Palatinus 12 tamen una cum fratre Wolfgango 13 , qui adhuc caret uxore, 14 celeribus equis Francfordiam venit, quo advenit et Hessus 15 . 16 Tractarunt de rebus communibus; tantum scitur. Moguntinus 17 illac iter fecit, sed protestantes non convenit. 18 Placet ex omnibus, quae possunt cognosci, maxime, quod legationem miserunt protestantes honorabilem ad caesarem, 19 si qua ratione queant cognoscere, quid sit de ipso sperandum. Alia ex comitiis Francfordianis nosse haud valeo.

Ex Ratispona haec sunt. Colloquium 20 tandem coepisse, et quoniam de libero arbitrio et peccato originali antea 21 collatio fuit habita, in praesentiarum 22 tractatur iustificatio 23 Adfuit spiritus domini in hac tractatione Bucero

1 Siehe dazu Nr. 2351, Anm. 67.
2 D.h. auf dem am 8. Februar beendeten Schmalkaldischen Bundestag in Frankfurt.
3 Johannes Sturm.
4 Zu Sturms Gesandtschaft im Auftrag der Schmalkaldener siehe Nr. 2320, Anm. 36. In Frankfurt berichteten Sturm, Johann Bruno von Niedbruck und Johannes Sleidanus am 4. Februar 1546 über die fehlgeschlagenen Verhandlungen zwischen England und Frankreich und überreichten ein Schreiben von König Franz I.; s. PC III 711 mit Anm. 3.
5 Franz I.
6 In Frankfurt.
7 Die französischen Gesandten Claude de l'Aubespine und dessen Bruder Sébastien de l'Aubespine, Abbé de Bassefontaine, hielten sich im Januar und Februar 1546 am Bundestag zu Frankfurt auf; s. Potter 341.
8 König Heinrich VIII.
9 In Frankfurt wurden allerdings die durch die englischen Gesandten Walter Bucler
und Christopher Mont an Philipp von Hessen übermittelten Antworten Heinrichs VIII. vorgetragen; s. PC III 712.
10 Karl V.
11 Gerüchtweise hatte es geheißen, Karl V. hätte Granvelle nach Frankfurt geschickt; s. Nr. 2362,15—18.
12 Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz.
13 Pfalzgraf Wolfgang von der Pfalz-Neumarkt, gen. d.Ä. (1494—1558), Statthalter der Oberpfalz.
14 Wolfgang von der Pfalz starb unverheiratet und kinderlos.
15 Landgraf Philipp von Hessen.
16 Siehe dazu Nr. 2335, Anm. 21.
17 Der Mainzer Erzbischof und Kurfürst Sebastian von Heusenstamm.
18 Siehe jedoch Nr. 2362 und Anm. 13.
19 Siehe dazu Nr. 2363 und Anm. 9.
20 Das Zweite Regensburger Religionsgespräch.
21 Gemeint sind die früheren Religionsgespräche von Worms und Regensburg (1540/41); s. ADRG II und III.
22 in praesentiarum: für die Folgezeit.


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24 , cui functio respondendi fuit data Philippo 25 absente (in cuius locum d. Georgius Maior, vir placidi ingenii et adprime doctus, missus est) a. Adversarii 26 volunt, ut disputata habeantur in summo silentio; nostri contrarium: Oportere enim evangelium praedicari omni creaturae 27 . Inventum est medium, ut omnia serventur in cista, quae sit in manu senatus Ratisponensis. Tres claves sic distribuantur: Ut unam habeant praesidentes 28 , alteras duas partes colloquentes. 29 Res ad caesarem est perscripta, ratumne velit hoc esse annon. Expectatur responsum.

Ex Tridento 30 . In prima sessione 31 excuderunt articulos sex, e quibus: 1. Ut episcopi et praelati orent ac ieiunent. 2. Ut sacrifici semel in hebdomada missent. 3. Ut familiam habeant honestam et minime sumptuosam. 4. Ut magistratus civilis vigilet pro personis concilii; eiectus fuit enim in una noctium episcopus 32 e suo diversorio; aiunt quaesisse ignem. 5. Ut prospiciatur de commeatu et annona. 6. Ut eligantur notarii, scribae, cursores. Vides, inquit quidam 33 , "gratiam pneumatis" iuxta carmen Alexandri 34 : "Me iuvet et faciat complere, quod utile fiat." Reliqua tu audies ex Gvalthero 35 et Voglero 36 .

Vale in domino cum tuis. Theodoro 37 bene volo; de eius erga me animo plane incertus. 38 Pellicanum salutabis nomine meo.

Basileae, raptim, 6. martii anno 1546.

Tuus Os. Myconius.

a Klammern ergänzt.
23 Die Verhandlungen zu diesem Thema dauerten vom 5. bis 23. Februar; s. Vogel 342—428.
24 Siehe dazu Wolrad, Regensb. RG 183. 296-299.
25 Philipp Melanchthon. — Er war an einem Steinleiden erkrankt; s. Wolrad, Regensb. RG 161.
26 Die Katholiken.
27 Mk 16, 15.
28 Zu deren Namen s. Nr. 2333,66f. Am 23. Februar wurde Julius Pflug zum dritten Präsidenten ernannt; s. BucerDS XV 317, Anm. 8.
29 Zur ganzen Debatte s. Wolrad, Regensb. RG 168—173. 177. 180f; BucerDS XV 331—361, Nr. 8f.
30 Das Konzil von Trient.
31 Gemeint ist die (nach anderer Zählung zweite) Session vom 7. Januar 1546. Das Dekret dieser Session enthielt verschiedene Ermahnungen an die in Trient Versammelten; s. CT IV 554f; Jedin, Trient II 19—21.
32 Unbekannt.
33 Unbekannt.
34 Alexander von Villa Dei (aus Villedieu in der Normandie), geb. um 1170, gest. um 1250, Verfasser einer um das Jahr 1200 entstandenen Vers-Grammatik "Doctrinale puerorum", aus deren Einleitung hier zitiert wird.
35 Zu Gwalthers Reise nach Basel s. Nr. 2365, Anm. 3.
36 Hans Vogler d.Ä.: s. Vadian BW VI 518f.
37 Theodor Bibliander.
38 Sicherlich aufgrund des Briefes, den Myconius und Markus Bertschi am 8. April 1545 an Bibliander geschrieben hatten (Zürich ZB, Ms F 81, 397). Darin hatte sich Myconius über Luthers "Kurtz bekentnis" sowie über die Antwort der Zürcher darauf (das "Warhaffte Bekanntnuß") geäußert und letzteres als nutzlos bezeichnet: "Interim non videmus, quenam sit utilitas responsionis vestrae". — Myconius und Bertschi waren von Bibliander um ihre Meinung gebeten worden; s. HBBW XV 181. Anm. 6.


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[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinricho Bullingero, Tigurinorum episcopo dignissimo, domino in Christo observando suo. Z[urich]b .