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Abschrift von Josias Simler 1 mit Überschrift von Bullingers Hand: Zürich StA, E II 345, 356 Druck: Culmann, Schuler 169—172 2 ; Teildruck: CO XII 292—294, Nr. 770
Bullinger hat Schulers "Sechs Fragen"[über das Abendmahl]gelesen, diese gut erwogen und
dabei festgestellt, dass Schuler sich jetzt anders als früher (als beide noch dieselbe Gemeinde
[in Bremgarten]betreuten) über das Abendmahl äußert. Darüber ist Bullinger sehr beunruhigt.
Er weiß, dass Luther eine solche Ausdrucksweise duldet; ja, dass diese von denjenigen
verwendet wird, die der Meinung sind, sie würden eine Mittelposition zwischen den Lutheranern
und den [Zürchern] vertreten. Bullinger denkt jedoch, dass die Seelsorger sich an die
Redensart ihres Vorstehers [Christus] halten sollten. Hier nun in Kürze die Punkte, an denen
Bullinger Anstoß nimmt. — Schuler definiert das Abendmahl als "Leib und Blut Christi", was
falsch und absurd ist! Das Abendmahl ist eine von Christus eingesetzte Handlung, bei der man
Brot und Wein zu sich nimmt und dabei des Herrn gedenkt. Dies geht sowohl aus dessen
Worten wie auch aus denjenigen des Apostels [Paulus]hervor. Die menschliche Überlieferung
hat das Abendmahl mit dessen Zweck gleichgestellt! Aus dem Evangelium aber erfährt man,
dass das Abendmahl dazu dient, an den Herrn zu denken, ihm zu danken, an ihn zu glauben
und dementsprechend gemeinsam mit den anderen Gläubigen zu wachsen. Durch seine Sakramente
garantiert der Herr die Verheissungen seiner frohen Botschaft, nämlich, dass durch
den Glauben unsere Sünden vergeben werden und wir Anteil an dem ewigen Leben und an
[Gottes] Gaben haben. Dieser Anteil ist nicht an die Abendmahlsfeier gebunden. Vielmehr
nehmen wir am Abendmahl teil, weil wir bereits zu Teilhabern Christi gemacht wurden.
— Schulers Äußerungen erwecken den Eindruck, dass der Gläubige in dem Abendmahl oder
durch dieses das erhält, was er bereits besitzt (besäße er es nicht, würde er [Gottes] Urteil auf
sich ziehen); als würden also die Sakramente denjenigen, die diese nicht ablehnen, die Gnade
vermitteln! Auf diese Weise verwirft man [Paulus], der gelehrt hat, dass der Mensch ohne
Werke gerechtfertigt ist, und man kehrt zu den Papisten zurück, laut denen die Teilnahme am
Sakrament zum Heil beiträgt. — Könnte Schuler sich doch nur wie früher klar und einfach
ausdrücken, und nur so, wie es die [Heilige]Schrift gestattet! Die Vergebung der Sünde und
das ewige Leben ist dem Gläubigen wie ein Geschenk durch Christus allein vermittelt. Doch
Christus bezeugt, verkündigt, stellt dar und garantiert uns im Abendmahl die Erlösung und
[Gottes]Gaben, die er uns verschafft hat und die wir bereits durch den Glauben und nicht erst
durch das Abendmahl besitzen. Das Heil wird durch den Glauben, nicht durch das Zeichen
eingesogen; und das Abendmahl ist [nur]ein Zeichen. —Schuler behauptet, dass im Sakrament
der Hunger der Seele gestillt werde. Dies entspricht nicht dem, was Christus in Joh 4, 6 und 7
lehrt! Schuler erklärt ferner, dass die große Bedeutung, die er dem Abendmahl zuschreibt,
nicht aus dem Abendmahl selbst oder aus dessen Einnahme entsteht, sondern allein deshalb,
weil es mit dem Glauben und dank des Glaubens wirksam wird. Warum sagt er nicht einfach
deutlich und klar: Der Glaube rechtfertigt und das Sakrament zeugt davon? Paulus gab doch
klar zu verstehen, dass Abraham bereits vor der Beschneidung gerechtfertigt war. Genauso
bezeugt das Abendmahl, dass wir schon gerechtfertigt sind, bevor wir an ihm teilnehmen.
—Schuler behauptet wie Luther, dass die [Einsetzungs]worte alles mit sich bringen! Wie kann
man so etwas behaupten? Worte können nur verkündigen, belehren und ermahnen. Sie werdenBriefe_Vol_16-172 arpa
nie vermitteln, was sie verkündigen; es sei denn, man glaubt an Zauberformeln! — Wie andere
gebraucht auch Schuler das Wort "Darbietung" (exhibitio). Doch können Zeichen das Dargestellte
nicht darbieten. Eigentlich ist "exhibitio" synonym mit "Darstellung" (expositio).
Wozu es dann gebrauchen? Um Darstellungen mit anderen Darstellungen zu erklären? Es sei
denn, man verstehe mit darbieten" (exhibere) "erneuern" (renovare) und man behaupte
damit, dass das Sakrament das Dargestellte (den Leib und das Blut [Christi]) erneut hervorbringt!
In diesem Fall wäre das Sakrament ein Instrument, durch das der Herr sich [in den
Gläubigen] "eingießt" (infusere), oder würden die Sakramente das, was sie darstellen, enthalten!
Man kann nur darbieten, was man besitzt; und wäre etwas dargeboten, würde auch der
Offiziant etwas darbieten [können]. Schuler soll nachlesen, was Augustin in seinem Kommentar
zu Joh 5 über Doktoren schreibt, die meinen, solches tun zu können. —Schuler soll seinen
Irrtum erkennen! Wären doch die "Sechs Fragen"nie veröffentlicht worden! Bullinger schickt
die ["Epitome"]des Johannes a Lasco, eines Polen, der ein Mäzen von Erasmus von Rotterdam
war und nun in Ostfriesland und in den Niederlanden lehrt. Er schickt diese Schrift nicht
etwa, weil er sich auf menschliche Autorität zu stützen braucht, sondern um Schuler zu zeigen,
dass, während einige eine neue Lehre verbreiten, andere die Reinheit der Lehre mit den
Zürchern bewahren und verteidigen. Schuler soll das Buch nach der Lektüre zurückschicken.
Übrigens hat a Lasco [in seiner Schrift "Defensio verae doctrinae"] die Fleischwerdung
Christi behandelt. [Die Abhandlung] wäre Schuler für seine Auseinandersetzung mit [Kaspar
von]Schwenckfeld nützlich. [Johannes]Haller wird darüber mehr berichten. —Übrigens weiß
dieser nicht, dass Bullinger im vorliegenden Brief über das Abendmahl geschrieben hat. Die
Freundschaft, die Bullinger mit Schuler seit 14 Jahren verbindet, ist der Grund für diese
Diskretion.
Gratiam et pacem. Sex istas tuas, Gervasi dilecte, quaestiones 3 legi et expendi pro mea quidem tenuitate non indiligenter, ac re ipsa experior te genus universum dicendi a de coena domini mutasse ab eo, quo aliquando utebaris, dum eiusdem gregis b 4 essemus pastores et unius ecclesiae doctores. Valde id me turbat, ac cuperem te rem expendisse diligentius. Non nescio sic doceri fere a Luthero, non nescio verba sic usurpari et torqueri, figi et refigi ab illis, qui videntur sibi mediam tenere sententiam inter Lutheranam et nostram. Ego vero existimo pastores ecclesiae doctrinae genus petere debere ab archipastore 5 , non ex hominibus. Quid ergo me in tuis illis quaestionibus offendat, paucis indicabo non iuste de his disputando sed quaedam duntaxat indicando.
Deffinitionem coenae legens cogitavi, num animum habueris praesentem. "Coena", ais, "est corpus Christi et sanguis eiusdem", etc. Alienissima est haec finitio a re ipsa c , adeoque et absurda plane! Coena est e genere actionum. Actio ergo sacra est a Christo instituta, qua sumpto sacro pane et vino memoriam domini celebramus, gratias ipsi agentes, quod morte innoxia nos liberarit a morte. Sic enim ait dominus: "Hoc facite in mei memoriam."6 Et apostolus: "Quoties panem hunc ederitis et poculum biberitis, mortem domini
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annuntiate."7 Sic usum coenae et finem indicans hominum traditiones sequeris, non simplicem evangelii doctrinam. Ex ea discimus finem coenae esse memoriam celebrare traditi corporis, gratias agere, sicuti modo dictum est, coalescere in unum corpus (1. Cor. 10 [16f]), exercere fidem in Christum, qui sacramentis institutis testificatur visibiliter et obsignat promissiones evangelii sui (Rom. 4). Evangelio autem docemur fide in Christum remitti peccata, 8 heredes nos fieri vitae aeternae, 9 adeoque et Christi et omnium bonorum participes fieri 10. Non tunc demum participamus Christo, cum coena participamus, sed quia participes Christi facti sumus 11 . Ideo accedimus 12 apostolo dicente, probet se homo et deinde edat. 13
Neque aliter tua possunt intelligi, quam quod in coena et per coenam exhibeantur nobis illa omnia, quae fidelis, priusquam accedat, possidet, et, nisi possideat, ad iudicium accedat (1. Cor. 11 [29]). Ex tua doctrina recte sequitur sacramentis conferri sumentibus et non ponentibus obicem gratiam. Sic aedificamus rursum cum papistis, quod olim destruximus cum apostolis. Ubi nunc generale illud dogma: Fide iustificatur homo absque operibus? 14 Iam secundum nostram doctrinam in participatum admittetur et sumptio sacramentorum, 15 quae revera pertinet sub spetiem operum.
Vellem itaque nunc sicuti quondam pure et simpliciter diceres, quod scripturis probare posses, quod nullam ansam adversariis papistis suos errores statuendi praeberet: Remissio peccatorum et vita aeterna datur gratuito per Christum credentibus; at Christus testificatur, significat, repraesentat, invocat et obsignat in coena nobis redemptionem suam, ac dona nobis collata, quae per fidem possidemus, non in coena demum percipimus. Acceptabulum 16 salutis fides est, non signum; d coena domini signum est d et in genere signi manet. Signum testificatur ac obsignat ac, nisi fides prius adsit et Christus in cordibus habitet, non dat signum quicquam.
At tu dicis: "In disem hochwirdigen sacrament finde man den hunger der seelen ze büßen."Aliter Christus Ioannis 4. 6. 7.! Dicis: "At coenae tanta non propter coenam et quia opus externum est, sed quia cum fide coniuncta est adeoque et propter fidem, tribuo." e Sic papiste operibus propter fidem tribuunt iustitiam impure. e Cur ergo non rite distinguis et iuste agis? lustitia
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suum cuique tribuit. 17 Ita loquere, ne qua sit confusio. Dic: Fidem iustificare nos, sacramenta testari. Sic Paulus: Abrahamne ante circumcisionem f , an post circumcisionem, an per circumcisionem iustificatus est? Respondet: Non per circumcisionem, sed ante accepisse autem circumcisionem signaculum, etc. 18 Scis eandem esse rationem sacramentorum. Ante ergo iustificati sumus, quam coenaremus. Additur, coena signum adeoque et signaculum iustitiae fidei, quae est in coenantibus, etc.
Unde, obsecro, probabis neganti aut dubitanti, quod dicis: Die wort bringent alleß mitt inen? Sic Lutherus dicit! 19 Ab eo hoc accepisti et proposuisti ecclesiae tuae. At certum est verba nihil posse quam significare et significando docere, monere, etc. Nulla verba in aeternum secum ferent, quod significant, nisi placeat incantationi g aliquid tribuere. Valde offendit me hoc dictum tuum temerarium, sed nolo de eo amplius disputare.
Uteris cum aliis verbo exhibendi, cui nisi adiicias aliam expositionem h , nunquam probabis signa exhibere, quod significant. At exhibendi vox adhibetur ut expositio. Quorsum pertinet expositiones aliis expositionibus illustrare? Nisi enim dicas "exhibet", id est "renovat" aut simile quippiam, quomodo probabis sacramentum exhibere rem significatam, corpus et sanguinem! Ergo instrumentum et organum est sacramentum, per quod se dominus infundit, aut habent sacramenta, quod significant! Non enim exhibeo, quod non habeo; exhibeo, quae habeo! An vero dicemus ministrum exhibere? Vide, quid de huiusmodi doctoribus dicat Augustinus tractatu in Ioannem 5. 20
Cetera nolo excutere diligentius. Ex his intelligis iuditium meum de tuis 6 quaestionibus, quas editas nollem. Ac hortor te, ut apud te cogites, quomodo errori medearis. Mitto hic libellum 21 viri undequaque doctissimi d. Ioannis a Lasco, baronis Poloniae, quondam d. Erasmi Roterodami moecenatis, qui iam docet in Frisia Orientali et Inferiori Germania magno cum fructu et accessu fidelium; non quod hominum scriptis nitar, sed ut videas et alios doctiores nobis puritatem doctrinae servare et propugnare, utcunque nonnulli i , nescio quibus artibus, novum doctrinae genus inculcare multis satagant. Lectum autem remitte, nam mutuo duntaxat offero. Scripsit idem a Lasco de incarnatione
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domini, 22 quae tibi utilissima forent contra Schvenkfeldium, de qua re dicet tibi et Hallerus 23 .
Is nescit, quod scripsi de causa sacramentaria quicquam ad te. Soli enim mihi retinui, ac putavi hoc me tibi debere, nec tu cogitabis aliud, quam quod ex charitate haec omnia proficiscantur. Amo enim te ex animo ac optime tibi volo, idque hactenus ab annis 14 multis ostendi argumentis.
[Adresse als Überschrift von Bullingers Hand:] Gervasio suo Bullingerus. 20. Febr. 1546.