Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2328]

Ambrosius Blarer an
Bullinger
[Konstanz],
6. Januar 1546

Autograph: Zürich StA, E II 357, 154 (Siegelspur): [Beilage:]1 E II 357a, 637 Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 406f, Nr. 1238 (Brief); 402f, Nr. 1233 (Beilage)

Blarer leitet einen Brief von [Georg] Frölich [HBBW XV, Nr. 2313] weiter. Statt auf Bullingers Brief [Nr. 2319] zu antworten, kann er jetzt nur auf ein Versehen in seinem letzten Brief [HBBW XV, Nr. 2316] hinweisen: Nicht [Joachim] Mötteli [vom Rappenstein], sondern Wilhelm von Peyer, Vogt des [Konstanzer]Bischofs [Johann von Weeze] in Gottlieben, hat vom geänderten Umgang der [Zürcher] mit den Söldnern berichtet. Mötteli und der (Konstanzer] Arzt [Johann Jakob]Menlishofer waren nur anwesend. [Am 5. Januar] erhielt Blarer einen

d mihi über der Zeile nachgetragen.
Bundes gegen Herzog Heinrich von Braunschweig.
53 Johannes Hub und Hans Rudolf Lavater.
54 Hans Escher vom Luchs.
55 Schreibfeder.
56 Johannes Haller nahm diesen Brief bei seiner Rückreise nach Zürich mit.
1 Die undatierte und unterschriftslose Beilage gehört nicht, wie Schieß vermutete, zu Blarers Brief vom 24. Dezember 1545 (HBBW XV, Nr. 2309), da Blarer dort (Z. 9—12) noch keine Nachrichten vom
Frankfurter Bundestag vermelden konnte. wohl aber in der vorliegenden Beilage (Z. 54—57). Die übermittelten Nachrichten, die übereinstimmende Schrift und Tinte sowie die Faltungen des Briefes und der Beilage beweisen die Zusammengehörigkeit dieser zwei Dokumente. — Die Nachrichten wurden offensichtlich kurz nach Blarers Empfang von Frölichs Brief und vor der Abfassung des vorliegenden Briefes niedergeschrieben; vgl. unten Z. 54-57 mit Z. 1. 18f.


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Brief von seinem Bruder [Thomas Blarer]über die mangelnden Fortschritte [am Bundestag zu Frankfurt]. [Thomas Blarer] weiß noch nicht, wann er [nach Konstanz] zurückkommt. Er schreibt, dass [aufgrund]des Todes des Trierer Bischofs [Johann IV. Ludwig von Hagen] nun [Johann] von Naves [in Trier]sei. Auch schickte er dem Rat [von Konstanz]ein Gutachten von Philipp [Melanchthon], [Johannes] Bugenhagen und Luther, welches jedoch der Rat noch nicht verlesen ließ; Blarer bekommt es vielleicht zu sehen und würde dann auch Bullinger informieren. [Thomas Blarer] hat nichts über das [Zweite Regensburger Religions]gespräch mitzuteilen, außer dass [Johannes]Brenz in Regensburg eine Zeitlang allein war und auf die anderen Teilnehmer warten musste, von denen bisher [Erhard] Schnepf und Balthasar von Gültlingen eingetroffen sind. Dies in Eile wegen des Boten [...]. Grüße. [P.S.:] Die von Isny haben Benedikt Burgauer, der in Bern als strenger Lutheraner bekannt war, zum Pfarrer gewählt. Dieser gewagte Entscheid verstimmt Blarer wie kaum etwas anderes seit vielen Jahren. [Beilage:]Aus Augsburg wird Folgendes berichtet: In England haben König [Heinrich VIII.] und das Parlament beschlossen, dass alle kirchlichen Güter der Krone gehören, was die Geistlichen bewilligt haben mit der Bitte, der König möge wenigstens ihren Unterhalt gewähren. Das Gesetz ordnet auch die Verbannung des Papstes und seiner Anhänger aus dem Königreich an. Zudem plant man eine Kirchenreform und die Abschaffung der Messe. Die Gesandten [des Schmalkaldischen Bunds] verhandeln weiterhin über einen Frieden zwischen [Heinrich VIII.] und [Franz I.] und sind zuversichtlich. England und Frankreich bieten [dem Schmalkaldischen Bund] ein Abkommen und finanzielle Unterstützung an. Dies wird Papst [Paul III.] am Konzil [zu Trient] wohl erfreuen! [Suleiman Ï.] hat einen langfristigen Frieden noch nicht bewilligt. Es soll erst dazu kommen, wenn [Karl V.] Mailand an [Franz I.] abtritt. Das kann noch lange dauern! [Karl V.] ist verlegen und weiß nicht, wie er sein Versprechen, [die Protestanten anzugreifen], gegenüber dem Papst halten soll, so dass man wohl bald von einem Frieden und der [Neubesetzung] des Kammergerichts hören wird. [Am Bundestag] zu Frankfurt steht es gut. Blarer hofft auf die baldige Verlängerung des [Schmalkaldischen Bundes]. [Georg] Frölich schreibt Ähnliches und lässt grüßen.

S. Mitto literas, quas a Laeto accepi 2 . Ad tuas 3 nihil nunc possum, nisi quod admissi erroris in proximis meis 4 ad te literis admoneo. Non enim Metellus 5 is fuit, qui de vestris, quod de militibus decretum mutarint, iactavit, 6 sed episcopi nostri 7 praefectus apud Gottlieben, cui Gulielmo a Payer nomen est a 8 Praesente tamen Metello istuc affirmavit audiente medico nostro Menlishofero 9 . Corriges igitur errorem apud eos, quibus forte hoc indicasti.

Literas heri a fratre 10 accepi, qui nihil aliud, quam quod respublica religionis nostrae ita illic agatur lente, ut, que extant, aemolumenta vix aequiparent

a Randhemerkung von Blarer: [Wil]halm von Payer.
2 Georg Frölichs Brief an Bullinger vom 25. Dezember 1545 (HBBW XV, Nr. 2313).
3 Nr. 2319.
4 HBBW XV, Nr. 2316 vom 30. Dezember 1545.
5 Vogtherr Joachim Mötteli vom Rappenstein.
6 Vgl. Nr. 2319,25—36.
7 Johann von Weeze.
8 Wilhelm von Peyer, der schon 1536 als Vogt zu Gottlieben (Kt. Thurgau) erwähnt wird; s. EA IV/1c 752.
9 Johann Jakob Menlishofer d.J.
10 Ein Brief von Thomas Blarer an Ambrosius Blarer findet sich nicht in Blarer BW. Erhalten ist aber ein Brief Thomas Blarers mit ähnlichen Informationen vom 28. Dezember 1545, den er vom Bundestag zu Frankfurt an den Rat von Konstanz schrieb und der am 4. Januar 1546 in Konstanz eintraf; s. Fabian, Quellen 202—210, Nr. 31.


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taedium. Nihil certi pollicetur de reditu. Praeterea de morte episcopi Treverensis 11 scribit atque ibi 12 nunc d. a Navis 13 , ut vocant, esse, pestem caesaris 14 . Misit senatui frater consilium Philippi, Pomerani et Lutheri 15 ; verum senatui nondum lectum est, 16 tanto minus mihi, cui postea fortassis communicabitur. Quod, si quid erit, quod scire te referat, diligenter curabo, ut resciscas. De colloquio 17 nihil certi habere se affirmat, nisi Brentium 18 aliquamdiu solum Ratisbonae fuisse ac expectasse reliquos, quorum aliqui iam advolarint: Schnepffius 19 et Balthassar a Gultlingen 20 . Dominus bene vertat, cui me diligentissime commenda.

Haec properiter. Nolui enim tabellionem istum 21 negligere. Saluta amicos et fratres, inprimis tuam domum. Ich kan gar nichts weyter. Es stat in alten rechten. 22

6. ianuarii 1546.

Tuus A. BI.

Isnenses istum Benedictum Burgouwer 23 , qui Bernae 24 L[utheri] partes strenue, si diis placet, defendit, in pastorem sibi malis profecto auspiciis delegerunt, id quod tam male me habet quam vix quicquam aliud multis iam annis, quod tam temeraria sunt omnia illorum consilia.

[Ohne Adresse.]25

11 Diese von Thomas Blarer übermittelte Nachricht (Fabian, Quellen 207f) ist falsch. Johann IV. Ludwig von Hagen starb nach längerer Krankheit am 28. März 1547; s. ADB XIV 424. — Vgl. HBBW XV 616 und Anm. 13. 618,17f.
12 In Trier; s. Fabian, Quellen 208.
13 Reichsvizekanzler Johann von Naves. Zu seinem Aufenthalt in Trier s. Neudecker 649.
14 Karl V.
15 Das Anfang Dezember 1545 verfasste Gutachten von Philipp Melanchthon, Johannes Bugenhagen, Martin Luther, Kaspar Cruciger und Georg Maior zur Erstreckung des Schmalkaldischen Bundes ist abgedruckt in MO V 719—724; Erläuterungen zur Datierung in MBW-Reg IV, Nr. 4084.
16 Die Verlesung vor dem Konstanzer Rat erfolgte erst am 11 Januar, s. Fabian, Quellen 204, Anm. 17.
17 Das Zweite Regensburger Religionsgespräch vom 27. Januar bis zum 10. März 1546; s. RTA-JR XVII 38—41; Vogel.
18 Johannes Brenz, Pfarrer von Schwäbisch Hall.
19 Erhard Schnepf, Pfarrer und Professor in Tübingen.
20 Der württembergische Hofrat Balthasar von Gültlingen. — Zur protestantischen Gesandtschaft an das Regensburger Religionsgespräch s. HBBW XV 636,30—35.
21 Siehe Anm. 25.
22 Zu verstehen ist: Alles ist in Ordnung (insofern alles beim Alten bleibt). —Vgl. schon HBBW XIV 589,28; XV 131,20f.
23 Zur Anstellung Benedikt Burgauers in Isny Ende 1545 anstelle des ursprünglich von Zürich entsandten Konrad Klauser (s. HBBW XV 570, Anm. 5) s. Immanuel Kammerer, Die Reformation in Isny, in: BWKG 53, 1953, S. 40—44.
24 Gemeint ist an der Berner Disputation vom Januar 1528, an der er teilnahm; s. ABernerRef I 591.
25 Dieser Brief wurde von Blarer durch die Metzger geschickt, s. Nr. 2330,1f.


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||E II 357a. 637 [Beilage:]

Aus Augspurg. 26

Auff gestert sind zytung ausß Engeland kommen, das der könig 27 daselbst mit rath des gantzen parlaments ainhellig erkent und beschlossen habe, das aller gaistlichen güter des gantzen konigrichs nieman billicher dann irem herren dem konig zugehören, land, leut und die christelich kirch damitt zu beschirmen. Darin haben och die gaistlichen bewilliget, und allain um ain ehrliche underhaltung ir lebenlang gebetten. Daruff der konig gesagt, er welle sich gepurlich gegen inen halten. 28 Es ist ouch in obgedachter des parlaments erkantnuß 29 offenlich unnd usstruckelich geordnet, das der papst und all sin anhang auss dem konigrich Engeland in ewig zyt verbant sollen sin. 30 Man gat ouch mitt ainer kirchenreformation b und abthüung der mesß in Engeland um. 31

Item, der christelichen ainungsverwandten bottschafft ist yetzund in Engelland zwischend dem könig und dem Frantzosen 32 frid zemachen; wirdt zum aller erlichesten gehalten, und 33 gute hoffnung, die unsren werden den friden finden, welchs nitt yederman gefallen wirt. So beüt 34 sich Engelland und Franckrich an, mitt den unsren verstand 35 zemachen und ain summa gellts zu unß zelegen. 36 Diß pancketh 37 kompt yetz dem papst 38 uff concilium 39 . Weren gut sachen; köndten wirs wol gepruchen.

b In der Vorlage kirchereformation.
26 Ein Brief solchen Inhalts an Blarer findet sich nicht in Blarer BW.
27 Heinrich VIII.
28 Es handelt sich um den sogenannten Chantries Act von Dezember 1545 (Druck in: The Statutes of the Realm. Printed by Command of His Majesty King George the Third, Bd. 3/2, London 1817, S. 988—992: 37 Henry VIII, c. 4), der dem König erlaubte, bei finanziellem Bedarf weitere kirchliche Institutionen aufzulösen. Dieser wurde jedoch bis zu seiner Revision im Jahr 1547 nicht umgesetzt; s. Alec Ryrie, The Gospel and Henry VIII. Evangelicals in the Early English Reformation, Cambridge u.a. 2003, S. 51. 164f.
29 Beschluss.
30 Das war allerdings schon mit dem Act of Supremacy von 1536 geschehen.
31 umgehen: sich mit etwas beschäftigen, planen. — Gemeint ist wohl die Einführung einer Liturgie in englischer Sprache 1544/45; s. Ryrie, aaO, S. 51f.
32 Franz I.
33 Zu ergänzen: ist.
34 bietet.
35 ein Abkommen.
36 Zu den seit Ende November 1545 stattfindenden Verhandlungen zwischen England und Frankreich unter Leitung der deutschen Protestanten s. HBBW XV 618, Anm. 27. Zu diesem Zeitpunkt waren die Verhandlungen jedoch schon gescheitert, wie beide Könige dem Schmalkaldischen Bund in apologetischen Briefen mitteilten; s. Potter 425 mit Anm. 146. Die protestantischen Botschafter verließen aber den Verhandlungsort in der Nähe von Calais erst am 6. Januar 1546; s. Johannes Sleidan, De statu religionis et reipublicae Carolo V. caesare, Genf, Thomas Courteau, 1559, f. 271r. — Weder England noch Frankreich unterstützten die Protestanten im Schmalkaldischen Krieg.
37 festliches Gelage. — Hier wohl ironisch und bezogen auf die Nachricht, dass Franz I. und Heinrich VIII. vorhatten, die Protestanten finanziell zu unterstützen.
38 Paul III.
39 Das Konzil zu Trient.


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Der Turck 40 hat noch kainen friden geben. Es soll aber uff ain jar frid sin, 41 wann der kaiser dem Frantzosen Mayland gebe, allso das solicher frid noch witlöffig 42 ist. 43

Die kai. mt. ist gantz irr. Waist nitt, wie sy dem papst das gethon zusagen 44 laisten soll, und ich glob, wir wellen bald zeytung haben, das man unß friden und anordnung 45 des chamergrichts anpieten soll. 46

Zu Franckfurt steht es in guter handlung. Hoff, die christelich ainung 47 sölle mitt irer erstreckung unnd erweyterung bald volzogen sein oder werden.

Similia scripsit etiam Laetus noster 48 , qui se tibi accurate commendat teque plurimum in domino iubet salvere.