Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[642]

Johannes Zwick an
Bullinger
Konstanz,
3. September 1535

Autograph a : Zürich StA, E II 346, 35-37 (Siegelspur) Ungedruckt

Schickt das Gutachten [der Zürcher]für Baron [Balthasar von Kuenring] zurück und ist erfreut über ihre Zustimmung zu seiner eigenen Stellungnahme. Hört nichts über Herzog [Ulrich] von Württemberg; Thomas [Blarer] hat einzig berichtet, die neue Kirchenordnung sei nun in den Händen von [Johannes]Brenz. Über die Konkordie mit Luther hat Bullinger bereits alles von Capito erfahren; dieser hat [in Konstanz]Luthers Antwort auf einen Brief der Augsburger vorgewiesen. Zwick weiß, daß Bullinger für die Widmung [seines Kommentars zu]vier Paulusbriefen kein Geld erwartet. Verspricht Fürbitte um Bewahrung Pellikans, Leo [Juds], Theodor [Biblianders] und Bullingers vor der Pest und legt von Doktor [Johann]Menlishofer empfohlene Rezepte bei. Erkundigt sich nach einem [Prediger], der dem Baron zur Verfügung gestellt werden könnte, und fragt, ob letzterer in Zürich [Ludwig] Carinus angetroffen habe. Sendet Grüße und gute Wünsche.

Salus per Christum.

Iuditium vestrum baroni datum 1 remitto; et mihi placet summe. Quod meum 2 vobis placuerit, libenter audio, quanquam forsan b nimis anxius videri potui vobis. Sed studio scripsi omnia.

De duce Wirtenbergensi 3 iam nihil audio. Frater Ambrosii, Thomas, e ditione illius nuper rediit 4 nihil praeterea de religionis negotio adferens, quam constitutam rationem ecclesiasticae caussae iam esse apud c manus Brentii 5 . Tu ne cui temere credas, ego semper te certiorem faciam de omnibus rebus.

De concordia Lutheri omnia habes ex Capitone 6 . Ostendit ille nobis epistolam illius, qua respondet Augustanis 7 . Augustanorum vero epistolam 8 non ostendit. Sed utinam foelix et fausta sit concordia!

a Von Zwick unlesbar gemachte Verschriebe bleiben unerwähnt.
b forsan am Rande nachgetragen.
c vor apud gestrichenes penes.
1 Das Gutachten der Zürcher Theologen zur eherechtlichen Frage, die ihnen der österreichische Adlige Balthasar von Kuenring vorgelegt hatte (vgl. Nr. 631, Anm. 3), scheint nicht mehr erhalten zu sein.
2 Zu Zwicks Gutachten vgl. Nr. 631, 8-13; 632,9-11.
3 Herzog Ulrich von Württemberg.
4 Thomas Blarer hatte sich Ende August in Württemberg aufgehalten; vgl. Blarer BW I 734; Vadian BW V 247.
5 Vgl. oben Nr. 635, Anm. 6.
6 Capito hatte kurz zuvor in Zürich und Konstanz über den Stand der Einigungsbestrebungen berichtet; s. oben Nr. 635, 10f mit Anm. 12.
7 Luther an die Geistlichen zu Augsburg, 20. Juli 1535 (WA Briefwechsel VII 2121, Nr. 2212; vgl. Vadian BW 247f).
8 Die Augsburger Geistlichen an Luther, 20. Juni 1535 (WA Briefwechsel VII 195-198, Nr. 2203).


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Quod nobis 4 Pauli epistolas 9 inscripseris 10 , gratum est, sed et mihi iocus risusque fuit, si quid de angelatis scripsi 11 ; ut enim scimus te nihil tale quaerere d ita maxime scimus te a nobis nihil tale quaerere, qui nihil minus possemus praestare.

Proinde petis dominum pro te interpellari a nobis 12 . Hoc faciemus cum tota ecclesia. atque utinam exoremus, ne regnante apud vos peste e13 eos invadat, quibus claves ecclesiae datae sunt 14 . Tueatur dominus Pellicanum, Leonem 15 , Theodorum 16 , te vero imprimis, nec nos puniat cum regni Christi iniuria. Privatim et publice orabimus sedulo cum bonis omnibus. ||36 Und daß ir unser fürsorg spürind gegen uch, habend wir uns mit docter Menishofer 17 ernstlich underredt, damit er etwas f guts uffzaichnete für uch und ander lieb brüder. Das hat er nun thon. Schick uch hie in ainem zedel uffzaichnet 18 : dem wellind nachkomen. Es stat aber von ainem wasser darinn, das uch min bruder 19 wolt gschickt haben, und so er daruber kompt 20 , so ists verdorben; drum bruchend den driax 21 fur 22 das wasser. Och hab ich uch sunst ain pulver uffgschriben und den doctor vorhin lassen lesen. Sagt, es sye vast gut 23 So versuchend nun, was uch got gunt; darnach lassend yn drum sorgen. Doch so welle er uch bhuten und bschirmen, und das um siner kilchen willen. Amen.

Scis, qua de re tecum locutus sit baro ille 24 , humanissimus vir, quamque desyderet eruditum, sed insigniter modestum verbi ministrum, quem suo populo praeficeret. Ex Turregio scripsit 25 se mihi pecuniam pro viatico missurum, et, o bone deus, nullus mihi talis est ad manum; esset quidem, sed non sunt spoliandae ecclesiae. Da omnem operam, mi Bullingere g , ne desimus viro tam bono, si forte apud suos quoque cognosci posset Christus. Ubi primum aliquis ad hanc functionem idoneus tibi venerit in mentem, ||37 fac,

d vor quaerere gestrichenes habere(?).
e peste am Rande nachgetragen.
f vor etwas gestrichenes uch.
g nach Bullingere gestrichenes ut.
9 Bullingers Kommentar zu Gal, Eph, Phil und Kol (HBBibl I 72).
10 Oben Nr. 604.
11 Siehe oben Nr. 622, 126-129.
12 Bullingers Brief an Zwick ist nicht erhalten.
13 Vgl. oben Nr. 637, 23-26.
14 Vgl. Mt 16, 19.
15 Leo Jud.
16 Theodor Bibliander.
17 Johann Menlishofer (Mänishofer, Mendlishofer), gest. 1546/47(?), von Überlingen, studierte ab 1506 in Freiburg i. Br., Montpellier und Wien Medizin und wurde 1516 Stadtarzt in Konstanz, wo er zum Kreis der Humanisten und Reformationsfreunde
gehörte. Er wird oft mit seinem Sohn Johann Jakob Menlishofer verwechselt, der zwischen 1534 und 1540 studierte, anschließend neben seinem Vater als Arzt wirkte und 1548 bei der Eroberung von Konstanz erstochen wurde. — Lit.: Amerbach, Korr. VI 258-260; Vögeli, Schriften II/lI 1192-1194; Ilse Guenther und Peter G. Bietenholz:. in: Contemporaries II 433.
18 Der Zettel mit dem Rezept scheint nicht erhalten zu sein.
19 Konrad Zwick.
20 als er in dessen Besitz gelangt.
21 ein Medikament, das in Form von Latwerge eingenommen wird (SI XIV 39-41).
22 anstatt, anstelle (SI I 955).
23 sehr wirksam.
24 Balthasar von Kuenring.
25 Der Brief aus Zürich ist nicht erhalten.


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sciam 26 . Dominus extrudat operarios in messern suam 27 . Amen. Deinde significa, obsecro, an non Carinus ille 28 , quem forsan nosti nomine, apud vos fuerit et baronem illum deprehenderit. Illius enim causa, cum h nuper apud vos esset, statuerat proficisci Turregium 29 .

Sed vale cum tota domo tua et bonis omnibus, praecipue Pellicano. Uwer husfrowen 30 und muter 31 sagend mir vil guts, und sind getröst: Wann gott mit uns, wer will uns dann schaden thain 32 ? Wir wellend got mit höchstem ernst fur uch bitten. Der welle och sin hand ob üch halten mit allen sinen gnaden. Amen.

Datum Constantiae, 3. septembris 1535.

Tuus Io. Z.

[Adresse auf S. 38:] Domino Hainricho Bullingero, Tigurinae ecclesiae antistiti, fratri charissimo.

h vor cum gestrichenes Statuerat.
26 Zwick wiederholte die Bitte am 10. September, s. unten Nr. 648, 2-8.
27 Vgl. Mt 9, 37f par.
28 Ludwig Carinus (Kiel), geb. um 1496, gest. 1569, von Luzern, Kanoniker (ohne Residenzpflicht) in Beromünster (Kt. Luzern), studierte ab 1511 in Basel, wo er bald zum Freundeskreis der dortigen Humanisten gehörte. 1517 folgte er seinem Lehrer Wilhelm Nesen nach Paris, 1519 nach Löwen. In den folgenden Jahren hielt er sich teils zu Studienzwecken, teils als Lehrer und Begleiter von Studenten an verschiedenen Orten in Deutschland und Frankreich auf. Dazwischen war er 1520/21 Sekretär Capitos in Mainz und 1523/24 Rektor der Lateinschule in Frankfurt. 1522 erscheint er als Tischgenosse von Erasmus in Basel, die Freundschaft zwischen beiden zerbrach jedoch um 1528. Weil er sich der Reformation zugewandt hatte, wurde er 1531 seines Kanonikats enthoben und enterbt. Auf seine Bitte hin verfaßte Myconius die erste Zwingli-Vita (hg. v. Ernst Gerhard Rüsch, St. Gallen 1979. — MVG L; zu
Carinus s. S. 14-17). 1531 begab er sich nach Straßburg, 1533 nach Paris, anschließend wirkte er als Tutor vornehmer junger Leute hauptsächlich in Löwen. Ab 1539 hielt er sich zeitweise mit Söhnen der Familie Fugger an italienischen Universitäten auf. 1546 erhielt er eine Pfründe am Thomasstift in Straßburg. Seit 1555 lebte er in Basel, wo er als Arzt praktizierte und die Edition bedeutender Handschriften aus Fugger-Besitz förderte. Zu Bullinger scheint er nicht in nähere Beziehung getreten zu sein. — Lit.: Z VII 389 und Reg.; Erasmus, Corr. III 496f und Reg.; Amerbach, Korr. II 122 und II-V. VII. IX Reg.; Willy Brändly, Der Humanist Ludwig Carinus "Kiel" von Luzern, in: Innerschweizerisches Jahrbuch für Heimatkunde XIX/XX, [Luzern] 1959/60, S. 45-100; Peter G. Bietenholz:, in: Contemporaries I 266-268.
29 Carinus hielt sich 1535 in Löwen auf; ein Besuch in Zürich läßt sich anderweitig nicht belegen (vgl. Brändly, aaO, S. 77f).
30 Anna Bullinger, geb. Adlischwyler.
31 Anna Bullinger, geb. Wiederkehr.
32 tun. —Vgl. Röm 8, 31.