Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[552]

Hans Vogler an
Bullinger
St. Gallen,
14. März 1535

Autograph: Zürich StA, E lI 351, 162 (Siegelspur) Ungedruckt

Seine Lage ist weiterhin schwierig. Bittet Bullinger, bei Bürgermeister Röist etwas [über seine Einbürgerung?] in Erfahrung zu bringen und ihm darüber zu berichten. Ein Knecht Konrad Zwicks hat im Klostergebiet versucht, sich das Leben zu nehmen. Laut Zwick wurde an der Tagung von Donauwörth ein Bündnis geschlossen, dem auch Nürnberg und Herzog Georg angehören sollen. Man redet manches über die Berner [Savoyen-Politik]und über das Verhalten Zürichs. Hans Müller wird Bullingers Antwortschreiben weiterleiten.

Gottes gnad erhalte unns. Amen.

Gelieptter herr unnd bruder. zürnend nitt, das ich üch oft bemüg in minen anfechtungen; dann ich nitt waiß, an welches ortt oder wo us; dann ich bin müd, ja alsso zu sitzen mitt fil nachtal min und miner kinden 1 . Wann ich min

b vor peger gestrichenes p.
c vor land gestrichenes landt.
6 Augustin Talp (Dalp), von Chur, 1490-1569, war ein ruheloser Mensch, "ein armer Ätti", schrieb Bullinger, "der nirgends eine Bleibe hat." Von 1507 bis 1534 war Talp Priester in mehreren Gemeinden Graubündens. Nach seinem Übertritt zur Reformation amtete er als Pfarrer in Dietikon, ab 1535 in Schwerzenbach, 1540 in Niederurnen und Mollis, 1551 in Knonau, 1554 wiederum in Niederurnen, von 1558 an als Diakon am Großmünster in Zürich. Er zog 1559 nach Chur, wirkte von 1562 bis 1565 in Küblis und kehrte dann nach Zürich zurück. —
Lit.: Pfarrerbuch 563; Gottfried Heer, Die evangelische Geistlichkeit des Landes Glarus 1530-1900, Schwanden 1908 (Kap. VIII der glarnerischen Kirchengeschichte), S. 40f; Jakob Truog, Die Pfarrer der evangelischen Gemeinden in Graubünden und seinen ehemaligen Untertanenlanden, in: 65. Jahresbericht der Historisch-Antiquarischen Gesellschaft von Graubünden, Jg. 1935, S. 109.
7 senden, schicken (SI I 1004).
1 Ein Testament Voglers und seiner Frau aus dem Jahre 1537 verzeichnet fünf Kinder; zwei davon stammten aus Appolonia Baumgartners erster Ehe (vgl. Zürich StA, B VI 312, 68r.).


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datum gsetzt 2 zu bliben, wär ich so fil gott welt mitt im zufriden etc. Ich such by üch hilff und ratt; dann ir sechend die langmütigkait gottes. Mins bedunckens gutt sin, das zitt also mitt onnützem, och mer schädlichem müssiggang fürter 3 nitt zu bruchen.

Min herr, nächstmals hab ich üch geschriben und petten, ob ir ichtzitt 4 erfarnn by mim hem Rösten 5 oder sunst 6 . Pitt uch nochmals um gottes willen, so fil üch bedunckt erfarnn, mir raten und by zöger 7 zu trost zu schriben. Dann ich bin fast 8 unruwig in mir selb. Mögen ir, so sind vatter minen kinden. Lond mich nitt engélten mines pettlens.

Ittem Conratt Zwick von Costentz ist die tagen alhie gsin, ain knecht 9 mitt im ghept, der ist us dem stall gangen, in verlornn. Also ist er hinus in dess aptz gricht 10 gangen, sim selb 2 stich geben und noch ain in halss. Sorgen, er sterb. Er ist durch ain münch, als ich hör, tröst oder versechen worden. Gott behütte unns.

Ittem Conratt Zwick sagt mir, der tag zu Tonnenwerd 11 syg zergangen. Alda von ettlichen ain punt gmacht widerpart 12 ; doch, als er sagt, uns on nachtail, dann Nürmberg 13 die statt, syg och drin und hertzog Jörg 14 . Hie redtt man mengerlay von Bernern, was ir uch versechend 15 .

2 Wenn ich danach trachtete (SI XIII 2049).
3 weiterhin (SI I 1000).
4 etwas (SI I 83f).
5 Bürgermeister Diethelm Röist.
6 Voglers Sorge galt wohl dem Einbürgerungsverfahren. Wenige Tage nach der Abfassung des vorliegenden Briefes, am 18. März, erhielt er das Zürcher Bürgerrecht (vgl. Zürich Stadtarchiv, VIII. C. III. A. 1, 411v., Nr. 3341) und am 29. April schwor er den Bürgereid (vgl. Zürich ZB, Ms S 318, 11).
7 Der Überbringer ist nicht bekannt.
8 sehr (SI I 1111f).
9 Unbekannt.
10 in das Herrschaftsgebiet des Klosters St. Gallen.
11 Donauwörth.
12 von den Gegnern. — Die Tagung zur Erneuerung des Schwäbischen Bundes begann in Donauwörth am 22. Januar und führte am 30. Jan. 1535 zur Verabschiedung eines neuen Bündnisses, des Kaiserlichen neunjährigen Bundes. Vgl. Joachim Lauchs, Bayern und die deutschen Protestanten 1534-1546.. Deutsche Fürstenpolitik zwischen Konfession und Libertät,
Neustadt a. d. Aisch 1978. — Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns 56, S. 55-63, und Philipp Ernst Spieß, Geschichte des Kayserlichen neunjährigen Bunds vom Jahr 1535 bis 1544, als eine neue Erscheinung in der Teutschen Reichsgeschichte aus den Original-Akten dargestellt, Erlangen 1788, S. 10-13. 97-142 (Text des Bundesvertrages).
13 Nürnberg war als mögliches Mitglied im Gespräch, wurde jedoch erst am 27. April 1535, an der Tagung in Lauingen, aufgenommen. Vgl. dazu Lauchs aaO, S. 59 und Spieß, aaO, S. 14-16. 144-146.
14 Mit "hertzog Jörg" meint Vogler vielleicht Markgraf Georg von Brandenburg. Vgl. die Liste der Bundesglieder bei Spieß, aaO, S. 12. 97f.
15 was ihr vorkehrt, wie ihr euch verhält (SI VII 567f. 574). — Vogler spielt auf die Spannungen zwischen Bern und Savoyen in der Genferfrage an. Im Februar war das Gerücht umgegangen, die V Orte hätten Zürich die Rückgabe von Geschützen und Feldzeichen angeboten, wenn dieses Bern nicht weiter unterstütze (vgl. oben Nr. 524, 17-33).


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Pittend gott für mich; das beger ich ernstlich. Und grützend mir frowen üwery 16 und muter 17

Was ir mir schriben wend 18 , das gend Hanssen Müllern 19 . Der wirtz dem botten 20 gen.

Actum S. G[allen], yl, sontag nach Gregory anno 35. jar.

U[wer]williger

H. Vogler

zu S. Gallenn.

[Adresse auf der Rückseite:] An min geliepten hernn und fründt, M. Hainrichen Bulligem, prediger.