Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[404]

Hans Vogler an
Bullinger
St. Gallen,
1. Juli 1534

Autograph: Zürich StA, E II 351, 155 (Siegelspur) Ungedruckt

Hofft, daß Bullinger von Vadian neueste Nachrichten erhalten hat. Es geht das Gerücht, König Ferdinand habe sich für seinen Teil mit dem Herzog [Ulrich von Württemberg]geeinigt. Dieser liege nun nahe bei Ravensburg, das ihm - zusammen mit den Klöstern Weingarten, Weißenau und Baindt - Proviant liefere. Der Herzog gedenke die Städte zu schonen, nicht aber die Klöster, den Truchseß [Dietrich Spät] und den Grafen [Hugo von Montfort] zu Tettnang. Die Äbte von Reichenau, Salem und der Bischof von Konstanz befinden sich mit viel Besitz in Überlingen; sie haben dem Herzog den Proviant verweigert und halten zum Kaiser. Man erzählt sich, ein Markgraf sei mit großem Gefolge durch den Thurgau gezogen; er sei bei [Ulrich] von Hohensax, in Blidegg, in Rorschach und beim Abt [Diethelm Blarer] von St. Gallen gewesen. Grüße.

Gott syg ewig mitt unns durch sinen sun. Amen. Im syg och ewig danck um sin ewige und tägliche gütty 1 .

Filgliepter herr und bruder, ich hoff, min sonders günstiger herr Vadian hab üch nüwe zittung 2 , so vil nochmals 3 vorhanden, zu empotten 4 etc. Doch im noch nit wissend, sonder ich lest 5 uff gestern abend brieff 6 glesen, ainem burger 7 über sew har zugschriben, och der bott 8 muntlich gsagt, das gschray 9 also by inen etc.: namlich die sag 10 , da Verdinand für sin person dem hertzog 11 zusagen, aber für kays[erlich] m[aieste]t 12 nit 13 desshalb , sy

9 Leo Jud.
10 Tadel, Vorwurf (SI XI 2059f). - Die Veranlassung dazu ist unbekannt.
1 Güte.
2 Nachrichten (Grimm XV 591f).
3 nach wie vor (Grimm VII 877).
4 sagen lassen (SI IV 1869). - Der letzte erhaltene Brief Vadians an Bullinger datiert kurz vor 18. Mai (s. oben Nr. 375).
5 eben (SI III 1468).
6 Nicht erhalten.
7 Unbekannt.
8 Unbekannt.
9 Gerücht, Gerede (SI IX 1448-1451).
10 das Reden, die Behauptung (SI VII 375).
11 Ulrich von Württemberg.
12 Kaiser Karl V.
13 Die in Augsburg versammelten Bundesstände hatten, unabhängig von den Verhandlungen in Kaaden, versucht, zwischen Ferdinand und den beiden Fürsten einen Waffenstillstand bis zum Eintreffen einer kaiserlichen Abordnung zu vermitteln. Am 24. Juni waren ihre Vertreter im Feldlager eingetroffen und hatten Vorschläge


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sorgen, nit bricht 14 , sonder das gschray, 15 er syg uffbrochen mit dryg huffen 16 . Als ich her 17 , so hette er nit über 3 mil oder minder gen Rafenspurg. Der achtet, er syg profantmaister zu Wingarten 19 im kloster 18 . Nit daß er drin syg, sonder er hat profant erfordert. Also haben im Rafenspurg 4 wägen, Wingarten 4 wägen, apt in der Ow 20 by Rafenspurg 3 wägen, Pünt 21 3 wägen mit korn, win, haber geschenckt gschickt. Item dise gnante dryg apt 22 sind mit hab in die statt Rafenspurg gwichen 23 . Man achtet 24 , er werd ir hab von den von Rafenspurg usher 25 vordern, als von sinen vinden das hinder sy gflöchtt 26 . Item die sag: er werd (villichtt) kair 27 statt nüt thun, sonder den klostern und dem truchsässen 28 , dem graffen von Tettnang 29 ; der het och gflöcht. Demselben graffen, ist sag, hab der hertzog empotten, er hab jetz 15 jar jedes jar tusent gulden us dem hertzog Wirttemberg gheptt 30 ; er wells gern och also nemen. Item zuo Überlingen ligt mit groser hab aptt Richenow 31 , Salmaschwil 32 und Merspurg 33 gflöcht 34 . Die habend dem herzogen in der stat ruch 35 profant abgschlagen. Sy wend by k[aiserlich] m[aieste]t blibenn, wiewol er wit von inen ist. Item die sag hie: daß ainer mit 40 pfärit 36 -acht man 37 ain margraf 38 - in samat gritten in Turgow
vorgelegt, die von Philipp und Ulrich angenommen wurden. Diese Bemühungen wurden dann allerdings hinfällig, als der Kaadener Friedensschluß vom 29. Juni bekannt wurde; s. Keller 78f.
14 Nachricht, (amtliche) Information (SI VI 322f).
15 Gemeint ist Herzog Ulrich.
16 Heer- oder Schlachthaufen als taktische Einheit (SI II 1044).
17 Wie ich höre.
18 Er, der Herzog, betrachtet sich als Proviantmeister im Kloster.
19 Benediktinerkloster Weingarten (Kr. Ravensburg, Baden-Württemberg).
20 Prämonstratenserabtei Weißenau (bei Ravensburg, Baden-Württemberg).
21 Zisterzienserinnenkloster Baindt (Kr. Ravensburg, Baden-Württemberg).
22 Gerwig Blarer (Weingarten), Ulrich Sattler (Weißenau) und Margareta Brock (Baindt).
23 gewichen, geflohen. 24 vermutet, nimmt an (SI I 80).
25 heraus (SI II 1562).
26 in Sicherheit gebracht (SI I 1160f).
27 keiner.
28 Wahrscheinlich Dietrich Spät. Über seine Feindschaft mit dem Herzog s. oben S. 186, Anm. 8.
29 Graf Hugo XVI. von Montfort zu Tettnang (regierte 1520-1564) stand auf der Seite Karls und Ferdinands; er blieb aktiver katholischer Parteigänger im württembergischen Gebiet auch nach der Wiedereroberung durch Herzog Ulrich. Siehe Johann B. Kichler, Die Geschichte von
Langenargen und des Hauses Montfort, Friedrichshafen am Bodensee 1926, S. 48. 76.
30 Um welche Art von Einkünften es sich handelte, ist nicht näher bekannt.
31 Markus von Knöringen, Abt der Benediktinerabtei Reichenau.
32 Am 26. Juni 1534 schrieb Johannes Bosch an Gerwig Blarer, Amandus Schäffer, der Abt des Zisterzienserklosters Salem (Bodenseekreis, Baden-Württemberg), liege krank in Überlingen (s. Gerwig Blarer BA 232, Nr. 377). Offenbar starb er bald darauf, denn am 10. Juli 1534 wurde Johannes Fischer zum neuen Abt gewählt (s. Karl Obser, Beiträge zur Salemer Bau- und Kunstgeschichte im 15. und 16. Jahrhundert, in: ZGO 69, 1915, S. 590).
33 Johann von Lupfen, Bischof von Konstanz; die Konstanzer Bischöfe residierten seit 1526 in Meersburg. Siehe August Willburger, Die Konstanzer Bischöfe Hugo von Landenberg, Balthasar Merklin, Johann von Lupfen (1496-1537) und die Glaubensspaltung, Diss. Tübingen, Münster i. W. 1917, S. 92f.
34 (mit Hab und Gut) in Sicherheit gebracht (SI I 1160f).
35 grob, unfreundlich (SI VI 184f).
36 Pferde (SI V 1181f).
37 man vermutet (s. SI I 80).
38 Im April 1534 hatte Graf Ludwig von Öttingen auf seiner Reise nach Mömpelgard (Montbéliard) mit großem Gefolge in Rorschach übernachtet, was Abt Diethelm Blarer von St. Gallen nur widerwillig zugelassen hatte. Tags darauf war die Reisegesellschaft


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komen mit frowen wägen, daran gsin 5 hüpscher stuten. Sagt, er hab by dem von Sax 39 inkert, demnach zu Blideg 40 gessen; syg gen Roschach 41 komen; den hab her apt 42 S. Gallen empfangen. Was grossen werch gottes; der geb uns das zu erkennen, und ain merer groser gut end, als ich hoff. Amen, amen.

Yn yl. Grützend mir üwer lieb husfrowen 43 , muter 44 , Leony 45 , Tumysen 46 und ander.

Actum S. Gallen, mitwoch nach Petry et Pauly anno 34.

Ü[wer]w[illiger]

Hans Vogler.

[Adresse auf der Rückseite:] An min geliepttenn M. Hainrich Bullingernn, prediger, zu handen.