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Autograph: Zürich StA, E II 342, 19r.-20V. Siegelspur Übersetzung: Rudolf; Aussöhnungsversuch 512-515; Teilübersetzung: Max Niehans, Die Bullinger-Briefsammlung, in: Zwa VIII 158f
Äußert seine Freude über Myconius' Brief [Nr. 304]und wird selbst [bei der Vermittlung zwischen Zürich und Bern]keine Mühe sparen. Genugtuung über Basels Hilfsbereitschaft. Eine Einigung allein zur Stärkung des evangelischen Glaubens wäre leicht zu erreichen. Schwieriger ist eine damit zusammenhängende Versöhnung Zürichs mit Bern aus verschiedenen Gründen: 1. Die heimlichen Gegner der Reformation in Zürich werden sich gegen eine Verständigung mit Bern wehren, indem sie Berns wiederholte Treulosigkeit betonen. 2. Die Unentschlossenen werden sich dieser Argumentation mangels einer besseren anschließen. 3. Mit den Anhängern der Reformation ist auch nicht zu rechnen, da die Niederlage und dabei erlittene persönliche Verluste sie zu sehr schmerzen. Bullinger schildert die Gesinnung einzelner Persönlichkeiten und die Gründe für deren Abneigung gegenüber Bern. Der Basler Bote soll zunächst mit Bürgermeister Röist, dann mit dem ganzen Rat verhandeln. Verhandlungen mit einzelnen fruchten nichts und sind der Geheimhaltung abträglich. Bullinger wird die entscheidenden Ratsherren und Röist vorbereiten. Dem Argwohn der erneuten Kriegstreiberei soll deutlich entgegengehalten werden, daß man mit der erstrebten Einigung hoffe, einen neuen Krieg zu verhindern. Grüße.
Gnad und frid vonn gott.
Üwer schryben 1 , geliepter herr und bruder, hatt mich seer und uß der maassen wol erfröwt. Gott wölle es zu gutem end bringen. Was ich nun 2 hierinn 3 kan, will ich warlich nitt spaaren. Dann ich wol merck, was guts daruß erwachsen, diewyl ich gruntlich gloub, das es ein hälleß zeychen vonn hymel unsers undergangs und unser zerstörung sye, wenn uß sömlichem eerlichen trüwlichen und früntlichen werben nüt söllte werden. Was a ir nitt zewägen bringend, das bringt niemands zewägen. Basel ist Zürych angenem, nitt nun daß sy uff dem berg 4 mitt inen gelitten, sunder ouch sust b . Ich truw aber gott, er verlaß uns nitt eewglich. Bißhar hab ich eben disen handel seer vil getryben 5 , aber vergäbens, das ich hieran ein zyt lang verzwyfflet. Nun so ich andere und bessere mittel sich 6 , heb ich an widerumb hoffen.
Demnach das ir begärend, daß ich üch anzeygung gäbe, welchen under den unsern die sach ze vertruwen et cum quibus legatus ille vester 7 tuto possit colloqui, wüssend also, ermässend ouch eigentlich 8 , was ich schryb. Wenn der handel alein anträffe das evangelium, und daß man styff darby wider mencklichs anfachten bestande, anträffe, were ring ze handlen; es möchtend üch ouch vil angezeygt werden. Nun so aber dise fürgenomne handlung daruff fürnemlich reycht und danäben
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angehencks 9 der Bernnern halben hatt, so wirts ettwas rücher 10 zugon und sinnes 11 bedörffenn, quid cui fidat. Dann erstlich habend wir lüt, die dem evangelio nitt günstig und baß 12 den allten yrrthumb lyden möchtind, dörffend sich aber nitt lassen mercken. Wo sy aber sust anlaaß findent, daß sy irren 13 mögend 14 , so spaarends sy nüt. Alß 15 hierynn: Sy sehend, daß es unserm glouben ein schaden bringt, daß wir, so ein lyb sin sölltend, tränt sind. Das mag inen nun nitt mißfallen. So müßend sy ye besorgen 16 , wo einige einigheyt under unß gemachet wurde. Dorumb wo nun die dise sach mercken, werdent sy zahlen und weerren. Nitt daß sy (allß sy redent) wider gotswort sin wellent, sunder daß sy sich vor den Bernern goumen 17 wellend. Ecce sic transferunt statum caussae, ut facilius vincant. Da thund sy dann ire proben 18 herzu: Bernn hatt unß nitt nun einist, sunder allwäg gefällt 19 , und sunderlich imm Zürychkrieg 20 und jetzund 21 . Et c revera sic habet d . Was söllend wir underston, das evange-||19v. lium mitt denen zu erhallten, die unß und ander biderb lüt inn nächst verschinnem krieg gar nach 22 umb das evangelium, darzu umb lyb und gut gepracht habend! Sölichs alleß ist noch inn fryscher gedächtnuß und zum teyl nun ze vil waar. Da ist jetzund ein ander genus hominum under unß, die medii sint; vallend zu diser meynung, ee dann zu einem bessernn. So sind demnach tertii, pii quidem et filii lucis 23 , sed imprudentiores; die ermässend dann ouch nitt gruntlicher, was druff und dran ist. Dann die nüw wunden schmirtzt sy ze seer; so hatt der den sun, der den vatter, der den bruder verloren. Wenn ich inen dann bißhar die grimme ußnemmen 24 gewellen, so überwand sy allwäg der vehementior affectus.
Also wöllend wir jetzund wyter faaren und von den personen reden. Uß obgemelltem habend ir jetzund gut abzenemmen 25 , wie ir zum teyl die unsern anfangs finden werdent. Aber erschreckend nitt, ich muß üch ye gruntlich berichten. Die dem evangelio nitt von hertzen günstig, hypocritae, werdent widerwertig sin: Revera ne salva sit veritas, at praetexent Bernen[sium]perfidiam. Die dem evangelio günstig, boni et pii viri, werdent ouch den schaden imm hertzen und die untrüw inen bewysen 26 mercken lassen. Der herr Walder 27 beladt sich gheiner sachen ze vil. Der herr Röyst 28 will dem evangelio wol, aber Bernn ist imm bitter, ursach 29 , wie die find uff Horgen 30 zufielend und anhubend den seew 31 berouben 32 wider den zusag der schidlüten, die paner von Zürych ze Bremgarten 33 lag, by nacht uffhub und mitt jomer uff Horgen zog, das iro ze redten, ward genampter herr Röyst gen Bremgarten
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zu den Bernnern gesandt 34 , dann sy noch da mitt iro paner unverletzt mitt macht lagend. Da bad er sy und ermant sy umb gotts willen, ummb Christi willen, umb deß gloubens, pünten, burgrächts, umb iro wyb und kinden willen, es leg inen jetzund amm hertzen und ann der statt, daß sy wölltend hälffen yndenck sin, was ze Murten 35 und andern orten Zürych der statt Bernn gethon und jetzund hälffen, 20r. || gen Zürych in d statt zühen, an ire bett lygen, ir brot essen und wyn trincken, so wöllend sy, die Zürycher, under den hymel an d fygend lygenn 36 . Dann thügind sy das nitt, so vall der seew von inen, so müssind sy dann ein fryden annemmen, der ungöttlich. Sust, wenn die lantschafft säch, daß der ruggen 37 Bernn noch in der statt Zürych, hoffind sy, zuo einem erlichen fryden ze kummen. Das redt der herr Röyst mitt sölchem ernst, daß er zeletst anfieng vor inen weynen, und ander mitt imm. Das beschooß 38 alleß nitt so vil, dann daß Bernn inen weder radten noch hälffen wollt, ja sprach, sy werend imm 39 wyß und witzig genug, sy hättends angehept; achtetend wol, sy köndtens wol ußmachen etc. Deß, redt der herr Röyst, wölle er sin läben lang nitt vergässen. Hoc omnium nostrum ulcus est: Achtend klein 40 , daß sy 41 amm berg 42 nitt xin, oder anderschwo nüt thon etc., sunder daß grad daruff die lantschafft abfiel und sy ein fryden 43 annemmen müstend, der nüt sollt und erst umb lyb und gut pracht hatt und täglich pringt, darvor sy allem wol hättind mögen sin 44 .
Pergimus. M[eister] Ochsner 45 ist obrister meyster, will seer wol, ist aber nunhinfür allt und kindtlich, also m[eister]Binder 46 . Sed iis multum potest fidere. M[eister] Hab 47 ist redlich, hatt aber sinen bruder 48 verlorenn und ist ze Baden vonn Berner botten getratzt 49 : Ja, gott laß unß den tag nitt läben, daß Bernn ein fryden hab wie Zürych. Ist aber böser, daß er ouch ettwas verbitteret. Die Werdmüller 50 habend ein
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son 51 verloren, und m[eister]Dumysen 52 den vatter 53 , 2 brüder 54 , daß sy ouch ettwas ungedulltiger 55 . In summa: Diewyl der handel also by unß, so bedüchte mich ghein fuglichers 56 und nutzbarers sin, dann üwer pott kaarte haar 57 und gienge za niemands dann zu dem herr Röysten, deß ampt jetzund Ioannis 58 angadt, daß er burgermeister 59 , und näme inn zum ersten für hand 60 , bitte und ermane inn, daß er wölle das best thun und demnach imm die rädt und burger wol versammlen, und da 20v. || thüyge er dann sin meynung mitt ernst dar. Ich hab ouch so vil geflyßner 61 beschryben, was die unsren yrrt, da ir die üwern manind, das alles abzeleynen 62 , wenn es dahin kumpt. Es will mich ouch gar nitt fruchtbar beduncken, daß er ützid handle mitt besonderbaren personen. Mitt gemeynem radt bringt man die sach vil ferrer 63 . Item wo besonder personen darinn handletind, blyb es so verschwygen nitt. Es wurde der sach schaden, samm 64 es neiswas 65 anders were. De e taciturnitate ne sis sollicitus. Vos videritis, ne effluat. Equidem vago rumore quaedam de hac re nuper audivi, forsan a Berna profectum, equidem nil certi etc. f Interim ego parabo animos eorum, qui in senatu humeros admoveant 66 . Ich will ouch zum herr Röysten et parabo mentem eius. Sed interim ne hic vel alius ex legatis vestris discat me huius pactionis esse conscium! Plura cum legato vestro.
Und das insonderheyt: Es wirt ein argwhon enston [!], man näme vilicht sömlichs für hand, daß man ein krieg anheb. Das sömlichs abgeleynet werde und dargethon, daß man sömlichs ze hand näme, daß man vor kriegen sye etc. Ubi hostes viderint nos scindi, acrius irruent in alteros, ubi coniunctos viderint, tardius aggredientur. Haec omnia summa fide tibi committo. Scis, quid facto opus sit. Lectis his exurito.
Grützend mir minen besondern geliepten herren burg[ermeister] Jac. Meyern und jungheren Bernhartten Meyern, Frygen 67 etc.
Zürych, 22. decembris 1533.
Achtend nitt, daß ich ein so lange legend 68 geschryben. Ich habs mitt trüwen gemeindt.
Hein. tuus.
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[Adresse darunter:]An herren Oßwalden Myconien, predicanten ze Basel, sinen insonders lieben herren und guten fründ.