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Autograph: Zürich StA, E II 351, 140 a (ohne Siegel) b Druck: Vadian BW VI 610f, Nr. 1528
a Der Brief ist trotz fehlender Grußformel möglicherweise vollständig, zumal das "S." für
Salutem" im engen Einband eingebunden sein könnte. Im Original wurde eine ziemlich lange
Randbemerkung unleserlich gemacht. Dem letzten Abschnitt des Briefes zufolge ist vermutlich
Bullinger dafür verantwortlich. —Briefe_Vol_19-417 arpa
[1]Der Abt von St. Gallen [Diethelm Blarer von Wartensee]ergeht sich in üblen Plänen gegen
die Stadt. So hat er wieder einen neuen Grund zur Anklage erfunden und behauptet, dass St.
Gallen beabsichtige, die Klosteruntertanen, die im Leinwandgewerbe tätig sind, mit Steuern zu
belasten, was die Stadt keineswegs vorhat. Der Abt gibt vor, dass er von den Untertanen zu
diesem Schritt veranlasst wurde. Die St. Galler wissen hingegen aus zuverlässiger Quelle, dass
der Abt die Bauern durch seine Amtsleute zu solchen Beschwerden angeregt hat, ja sogar
diejenigen bedrohen ließ, die aus guter Gesinnung der Stadt gegenüber eine Beschwerde
ablehnten. Man weiß auch, dass der Vogt [...] einer Ortschaft [...]die Anwesenden aufgefordert
hat, die Hand zu heben, wenn sie für ein Verfahren gegen die Stadt wären. Als niemand
dies tat, fuhr er die Bürger an und sagte, sie sollten doch an ihren Vorteil denken und die Hand
heben. Diese Anschuldigung des Abtes ist rein dem Neid zuzuschreiben. Die Mönche sind
nämlich auf den Wohlstand von St. Gallen neidisch. Es ärgert sie, feststellen zu müssen, wie
gut die Stadt ohne sie auskommt. Deshalb schrecken sie vor keiner List oder Verleumdung
zurück. Dabei spielt nicht nur die Religion, sondern auch die alte Feindschaft [zwischen Stadt
und Kloster] eine Rolle. —[2] Vadian wollte dies seinem guten Freund nicht vorenthalten und
bittet diesen, auch die Bürgermeister Hans Rudolf Lavater und Johannes Haab sowie andere
Vertraute davon in Kenntnis zu setzen. Diese sollen zudem wissen, dass die St. Galler die
Angelegenheit vor die Tagsatzung [zu Baden]bringen wollen, wenn der Abt von seinen Kungeleien
nicht ablässt. Dabei streben sie nur nach ihrem guten Recht und wollen weitere Verleumdungen
und Drohungen verhindern. Es geht ihnen also nicht um irgendeinen Gewinn.
Bullinger weiß, was Vadian meint. Man hofft auf ein gerechtes Urteil, befürchtet aber das
Gegenteil. — [3] Möge der Herr die Seinen vor den Fallen des Teufels beschützen!
—[4] [P.S..] Falls Bullinger, wie Vadian es sich wünscht, diesen Brief den Bürgermeistern
zeigt, soll er eine Abschrift davon vorweisen, als hätte er Vadians Schreiben aus dem Latein
übersetzt, damit niemand, außer Bullinger und [Itelhans] Thumysen, sieht, was Vadian am
Rand vermerkt hat. 3