Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2798]

John Hooper
an Bullinger
[Basel,
7. Februar 1547]

Autograph: Zürich StA, E II 345a, 422 (Siegelspur) Druck und Übersetzung ins Englische: Epistolae Tigurinae 25-27 bzw. Original Letters I 40-42, Nr. 23 Englische Zusammenfassung: LP XXI/2, Nr. 645

[1]Es ist schon fast ein Jahr her, seit Hooper den Brief Bullingers 3 in Straßburg erhielt, mit dem deutlich dargelegt wurde, dass der wahre Gottesdienst nichts mit den äußeren Götzendiensten gemeinsam hat und dass es deshalb viel besser wäre, um Christi Willen sein Vaterland und sein Vermögen zu verlieren, als an einer Messe teilzunehmen. Hooper hat sich dieser Ansicht gern angeschlossen. Gott möge Bullinger für seine Antwort reichlich belohnen. Inzwischen soll dieser seine Kirche vor den Wölfen und den Söldnern behüten und das arme zerstreute Volk Gottes zu dessen einzig wahrem Hirten, Christus, zurückrufen. [2] Über seine lange und gefährliche Reise nach England 4 wird Hooper mündlich berichten. Auf dem Festland wurde er zweimal in Ketten gelegt. Doch durch Gottes wunderbare Fügung wurde er befreit. Auf dem Meer 5 litt er drei Monate lang vonseiten der Feinde und der Fluten. Dies wird aber wohl noch nicht das Ende von Hoopers Leid auf dieser Welt gewesen sein. Gott gebe, dass sein restliches Leben im Dienste seiner Ehre und der Erbauung seiner Kirche steht. [3]Als Hooper den Flammen [der Verfolgung] und dem Wasser entkommen war, 6 geriet er mitten in diesen Krieg, in dem Frömmigkeit und Religion zerstört werden. Gott wird allerdings den Feinden nicht erlauben, den Glauben Petri und seine Kirche 7 zu vernichten! Daher sollten wir uns dem Herrn völlig ergeben. Stattdessen aber schlafen wir schnarchend weiter inmitten

d Textverlust bei der Entfernung des Siegels.
1 Der Abfassungsort geht aus dem letzten Abschnitt des vorliegenden Schreibens hervor.
2 Siehe dazu unten Anm. 3 und Anm. 8. — Die hier angeführten englischen Quellenausgaben datieren den Brief fälschlich auf Dezember 1546.
3 Nicht erhalten. — Mit diesem Brief hatte Bullinger die von Hooper im Brief HBBW XVI, Nr. 2336, vom 27. Januar 1546, gestellte Frage beantwortet. Auch Ludwig Lavater hatte Bullinger angehalten, die Frage des Engländers zu beantworten; s. aaO, S. 115. Die Antwort traf noch vor Hoopers Abreise nach England ein; s. aaO, S. 392; und unten Anm. 4. Da Hooper hier anführt, dass er Bullingers Antwort schon fast vor einem Jahr erhalten
hatte, und da er ferner (s. dazu unten) noch nichts über den am 28. Januar 1547 eingetretenen Tod von König Heinrich VIII. wusste, wird vorliegender Brief spätestens auf Mitte Februar 1547 zu datieren sein.
4 Hooper hatte vor, Straßburg Ende Februar 1546 zu verlassen, scheint aber erst ein wenig später abgereist zu sein; vgl. HBBW XVI 112. 390. 392,22f.
3 Damit ist nicht nur die See, sondern auch das im Meer liegende England (im Gegensatz zum oben erwähnten Festland) gemeint.
6 Vgl. 2Kor 11, 23-26.
7 Hooper bezeichnet die Kirche in Anlehnung an Apk 12, 4-6, als "matrem et filium".


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der größten Gefahr! Kein Wunder, dass wir Gottes Zorn zu spüren bekommen. Es wäre an der Zeit, ein besseres Leben zu führen und die Strafe, die unsere Sünden verdienen, mit Geduld zu ertragen. [4] Die gestern eingetroffene erfreuliche Nachricht aus Straßburg wird der gegenwärtige Bote [...]erzählen. 8 [5]In England kommt es zu einer Änderung in der Religion. Denn sollte Kaiser Karl V. geschlagen werden, wird König Heinrich VIII. das Evangelium annehmen. Sollte aber das Evangelium eine Niederlage erleide,,, wird der König seine gottlose Messe beibehalten. Wegen Letzterer wurden im vergangenen Sommer vier fromme Adlige 9 verbrannt. Derzeit hält der König den Duke von Norfolk [Thomas Howard] und dessen ältesten Sohn [Henry Howard, Earl of Surrey] im Londoner Tower gefangen. 10 Beide sollen einen Mordanschlag auf den König und dessen Sohn [Eduard VI.] geplant haben. [6]Hoopers Frau [Anne t'Serclaes] lässt Bullinger und dessen Kollegen grüßen. Hooper und sie werden bald nach Zürich kommen. 11 [Jacques de Bourgogne], Herr von Falais, dessen Frau [Yolanda von Brederode] 12 und ihr ganzes Haus lassen ebenfalls grüßen. 13 In ihrem Haus lebt derzeit ein frommer und gelehrter junger Mann [Valérand Poullain], 14 der Hooper gerne nach Zürich begleiten würde. Er ist auf der Suche nach einer Stelle und wäre für einen Lehrposten in Zürich (auch auf der untersten Klassenstufe) sehr dankbar. Bullinger möge sich dieser Sache annehmen und berichten. [7] Grüße, u. a. an Theodor Bibliander, Konrad Pellikan und Rudolf Gwalther. Bullinger möge die flüchtige Schrift entschuldigen. [8] Er soll schließlich [Heinrich]Falkners 15 Gattin [...] von Hooper und dessen Frau grüßen. Hooper brachte Letztere als Jungfrau von Straßburg nach Basel, wo er sie zur Frau nahm, nachdem deren Eltern die Erlaubnis dazu gegeben hatten. 16
8 Hooper scheint von einem aus Straßburg kommenden Reisenden, der vermutlich auch der Überbringer des vorliegenden Briefes war, die falsche Nachricht von einer Festnahme von Moritz von Sachsen erhalten zu haben. Am 6. Februar 1547 sandte nämlich Hooper seine Frau eilends zu Myconius, um Letzterem diese gute Nachricht übermitteln zu lassen; s. Nr. 2797,39-41.
9 Richtig: die Adlige Anne Askew, ein Mann namens John Lassels (Lascelles), der ein Adliger war; ein Schneider namens John Adlam (bzw. Hadlam), den einige Quellen Adams nennen; und der Geistliche Nicholas Belenian. Letzterer ist vermutlich identisch mit dem in einigen Quellen erwähnten Priester Nicholas White, wobei andere Quellen stattdessen von einem Priester namens John Hemley (Hemsley) sprechen. Alle vier wurden am 16. Juli 1546 hingerichtet; s. dazu Alec Rvrie, The Gospel and Henry VIII Evangelicals in the Early English Reformation, Cambridge 2003, S. 264; The Examinations of Anne Askew, hg. v Elaine V. Beim, Oxford/New York 1996 — Women Writers in English 1350-1850. S. xxiif. 10. 192; ODNB XXXII s.v. "Lassels".
10 Siehe schon HBBW XVIII 468. —Henry
Howard wurde am 19. Januar 1547 enthauptet, was Hooper allerdings noch nicht wusste.
11 Hooper und seine Frau verließen Basel am 25. März oder kurz danach (s. Nr. 2861) und trafen in Zürich am 29. März ein, wo sie zunächst für einige Tage bei Bullinger unterkamen; s. HBD 35,5-7; Bullinger an Myconius, 4. April 1547 (Henrich, Myconius BW 955, Nr. 1070).
12 Siehe Philippe Denis, Jacques de Bourgogne, seigneur de Falais, in: Bibliotheca dissidentium IV 9.
13 Zu Hoopers Beziehung zu dieser Familie s. HBBW XVI 113, Anm. 5.
14 Dass Poullain sich im Hause von Jacques de Bourgogne aufhielt, geht aus Francisco de Enzinas' Brief an Bullinger vom 8. Mai 1547 hervor (Enzinas BW 234). Poullain kam nicht wie geplant schon mit Hooper nach Zürich, sondern erst ein wenig später. wie aus seinem Brief an die Zürcher Pfarrer vom 3. Juni 1547 (Zürich ZB, Ms F 62, 448a) deutlich wird. Aus diesem Schreiben ist ferner ersichtlich, dass er im Juni 1547 immer noch auf eine Anstellung in Zürich hoffte.
15 Falkner stand in geschäftlicher Beziehung mit Richard Hilles; s. z.B. HBBW XI 293. 316.