Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2166]

Gervasius Schuler an
Bullinger
Memmingen,
27. Mai 1545

Autograph: Zürich StA, E II 345, 295 (ohne Siegel) Ungedruckt

Schuler hört, dass Luther dabei sei, der Abendmahlsauffassung [seiner Gegner] mit einer Verurteilung entgegenzutreten. Schuler aber, wie auch die Kirche Memmingens, wäre nicht bereit, diese zu unterschreiben. [Karl V.]befürwortet mit ganzer Kraft ein Konzil. [Franz 1.] ging grausam gegen die Waldenser vor. [Karl V] verweigert den Protestanten einen Frieden und will seine Versprechen nicht halten. Die sich in Worms befindenden [Protestanten oder Gesandten Memmingens] bleiben aber standhaft. Schuler schickt die Schrift eines Mönches [Johannes Hoffmeisters "Verbum dei et carnem factum ... assertio"]. Sie ist in der Tat würdig, dem neuen Kardinal, dem Bischof Dillingens [Otto Truchsess von Waldburg], gewidmet zu werden! Der von Papst Paul III. gesandte [Kardinal Alessandro Farnese], zukünftiger Verräter Deutschlands, ist in Worms eingetroffen. [König] Ferdinand [1.] hat ihn ehrenvoll empfangen. Armes Deutschland, das solche Sodomiten ertragen muss! Größe an Bullingers Frau [Anna, geb. Adlischwyler] und an die Brüder, besonders an [Theodor] Bibliander und [Konrad] Pellikan. [P.S.:] Schuler bat Bullinger neulich um zwei [Glarner] Schabziger, die er gern erhalten würde. Der Überbringer [...] wird sie bezahlen. Vielleicht kann Bullinger die Angelegenheit Schulers Schwager [Jörg Lübegger] anvertrauen.

Gratiam et pacem a domino per Iesum Christum.

Audio, charissime frater, Lutherum in hoc esse, ut nostram de eucharistia sententiam anathemate feriat 1. Ego paratus sum illi minime subscribere; nimis dura 2 est profecto nullisque modis michi amplectenda, neque ecclesia Memmingensium eam recipiet a . Dominus det, ut meliora et veritati consonantiora in manus sumat. sin illi minus hoc dominus dederit, expecto, quid michi faciendum sit. Neque enim animus meus usque huc persuaderi potuit. Torsi me ipsum sepe, sed nequicquam omnia. Dominus Iesus Christus subveniat adflicte sue ecclesie.

Cesar 3 in hoc est, ut Tridentini decreta consilii b4 manuteneat et tueatur pro virili. 5 Adhoc Gallus 6 sue tyrannidis horrendum specimen prodidit in fratres Waldenses. 7 Pacem nobis dare renuit caesar c neque pollicita praestare vult; virtutem en tibi dignam tanto tyranno et hypochrita! Nostri 8 Wormatiae ad-

a In der Vorlage recipiat.
b In der Vorlage consilia.
c cesar über der Zeile nachgetragen.
1 Luther musste den Plan solch einer Widerlegung bald aufgeben; s. oben Nr. 2158, 46f. 52f und Anm. 51.
2 Gemeint ist Luthers Ansicht über das Abendmahl.
3 Karl V.
4 Zum Konzil von Trient s. oben Nr. 2071, Anm. 24.
5 Zu den Entwicklungen der Konzilsvorbereitungen im April und Mai 1545 s. Jedin, Geschichte I 409-416.
6 König Franz I.
7 Siehe dazu oben Nr. 2153, 90-95; 2158, 55-81.
8 Die Protestanten am Reichstag zu Worms, oder auch Lutz von Freyburg und Georg Maurer, die Gesandten der Stadt Memmingen am Städtetag, der ebenfalls in Worms tagte; s. Schmidt, Städtetag 130.


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huc stant inmoti velut rupes 9 ; utinam in finem usque perseverent 10 ! Nam virtus nulla est, quam non constantia firmat.

Mitto charitati tue hic scriptum 11 cuiusdam monachi 12 ut vides; non quod te, foelicioribus longe negotiis occupatum, huiusmodi nugis turbare velim, sed ut videas, quam in extremis laboret hostium renisus quamque inpudenter nugentur. Dignus est profecto liber, qui episcopo Dilligensi 13 , galero cardinalitio nuper primum insignito, 14 dedicetur. 15 Similes habent labra lactucas, 16 ut dicitur.

Legatus 17 pape Pauli tertii d Vormatiam venit, Germaniam proditurus. Ferdinandus illum reverenter excepit, 18 dignum hac olia cooperculum. Hic

d In der Vorlage tertiis.
9 Vgl. Vergil, Aeneis, 7, 586.
10 Mt 10, 22par.
11 Johannes Hoffmeister, Verbum dei carnem factum, hoc est, Iesum Christum, servatorem nostrum, ecclesiæ suae unicum propiciatorium ac perpetuum esse sacrificium, assertio, Mainz, Franz Behem, 1545 (VD 16 H 4280). Es handelt sich um eine Verteidigung der katholischen Meßopferlehre, deren Druck von Kardinal Otto Truchsess von Waldburg finanziert wurde; s. Friedrich Zoepfl, Geschichte des Bistums Augsburg und seiner Bischöfe, Bd. 2: Das Bistum Augsburg und seine Bischöfe im Reformationsjahrhundert, München und Augsburg 1969, S. 204.
12 Johannes Hoffmeister OESA, geb. 1509 oder 1510 in Oberndorf am Neckar (Lb. Rottweil, Baden-Württemberg), gest. 21. August 1547 in Günzburg (Bayern). In jungen Jahren Eintritt bei den Augustinern in Colmar. Studium 1526/27 in Mainz, ab 1528 in Freiburg i. Br. Dort lebte er im Augustinerkloster. Das Datum seiner Priesterweihe ist unbekannt. 1533 Prior der Augustinereremiten in Colmar. 1543 Provinzial der Augustiner von Rheinland-Schwaben. 1545 Teilnahme am Wormser Reichstag. 1546 Teilnahme am Regensburger Religionsgespräch. Eine Teilnahme am Konzil von Trient lehnte er ab. Ende 1546 Prediger in München, dann wieder in Colmar. Im Januar und April 1547 Prediger in Ulm (dort erkrankt), dann auch (auf Einladung von Kardinal Otto Truchsess von Waldburg) in Dillingen
an der Donau. —Hoffmeister verfasste zahlreiche Schriften. Neben Werken über das Messopfer schrieb er u.a. gegen die Schmalkaldischen Artikel (1539); "Loci communes" (1547); über das Augsburger Glaubensbekenntnis (1559) und Kommentare zur Hi. Schrift. — Lit.: Remigius Bäumer, Johannes Hoffmeister OESA (1509/10-1547). Sein Kampf um die Erhaltung des Glaubens im 16. Jahrhundert, in: Katholische Theologen der Reformationszeit, Bd. 4, hg. v. Erwin Iserloh, Münster 1987, S. 43-57; BBKL II 970-972 (mit weiterer Lit.).
13 Dillingen gehört zum Bistum Augsburg, dessen Bischof Otto Truchsess von Wald-hur war.
14 Otto Truchsess von Waldburg war am 19. Dezember 1544 zum Kardinal ernannt worden; s. HBBW XIV, Nr. 1837, Anm. 7. "Den roten Hut ließ ihm der Papst in Worms (1545 Februar 6) gelegentlich des Frühjahrsreichstages durch Flaminio Savello (Savelli), seinen Kämmerer, in feierlicher Weise überreichen"; s. Zoepfl, aao, S. 199.
15 Die Widmungsepistel Hoffmeisters an den Kardinal datiert vom 1. März 1545.
16 Vgl. Adagia, 1, 10, 71 (ASD 11/2 468, Nr. 971).
17 Kardinal Alessandro Farnese, päpstlicher Legat, der am 17. Mai 1545 (als "Legatus in latere"Karls V.) in Worms eingetroffen war; s. RTA JR XVI/1 73. 79; Zoepfl, aao, S.202.
18 Siehe hierzu RTA JR XVI/2 1517f, Nr. 283.


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hermaphroditis, cynaedis et huiusmodi sacrilegis datum es[t Chri]sti e causam (si dus placet) agere. O infelicissimam Germaniam, que cogitur hosce sodomitas ferre! Dominus Iesus Christus causam suam simul et nostram agat! Non enim video quicquam humanorum superesse consiliorum.

Vale, incomparabilis amice et charissime frater. Saluta nomine meo uxorem 19 tuam et fratres, presertim d. Theodorum 20 et Pellicanum.

Date Meminge, 27. mali anno 1545.

Salutat te Funckius consul 21 .

Gervasius tuus Schuler.

Ich hab dir zunechst geschryben umb zwen gut schabziger. 22 Wolt von hertzen gern, das ich deren mocht gewert 23 werden. Was sy kostenn, soll dir zeyger dißes brieffs 24 zu großem danck bezaalenn. Ich weyß wol, das ich dich solt derhalb unbekumbert laßen; mich macht aber frische 25 und frech 26 dein alte liebe gegen mir, und das ich niemand hab zu Zürch, der mir solches außrichte. Magst wol meynem schwager, herr Jerg Lybecker 27 , die sach befelhenn.

[Adresse auf der Rückseite:] Ornatissimo viro Haynricho Bullingero, Tigurine ecclesiæ antistiti, domino fratri ac praeceptori in Christo charissimo, etc.

e Papierverlust durch Entfernung des Siegels. Fehlender Text ergänzt aus der Abschrift von Traugott Schieß.
f In der Vorlage incoparabilis.
19 Anna, geb. Adlischwyler.
20 Theodor Bibliander.
21 Balthasar Funk.
22 Siehe dazu oben Nr. 2121, 84-87.
23 habhaft.
24 Unbekannt.
25 keck.
26 furchtlos.
27 Der etwa 50jährige Großmünsterkaplan
Georg (Jörg) Lübegger, Bruder von Schulers Frau [...], geb. Lübegger. Er wohnte an der Trittligasse 24 (,,Zur alten Burg") in Zürich. Bei Einführung der Reformation war das Haus vom Almosenamt verkauft worden. Als letztem Kaplan wurde ihm aber das Recht eingeräumt, das Haus nach dem Tod des neuen Besitzers zu übernehmen, was er 1541 auch tat; s. Regine Abegg u.a., Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Neue Ausgabe, Bd. 3/2: Die Stadt Zürich 11112, Bern 2007 —Die Kunstdenkmäler der Schweiz, S. 248.