Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2062]

Bullinger an
Ambrosius Blarer
[Zürich],
4. Januar 1545

Autograph: St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 35 (VBS VI), 1 (Siegelabdruck) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 339f, Nr. 1157

Bullinger legt einen Brief von [Johannes Haab und Hans Rudolf Lavater über ein mögliches Bündnis zwischen Zürich und Konstanz] bei. [Haab und Lavater] bitten Blarer, Konrad Zwick erneut zur Geheimhaltung seiner [Kriegs]kunst zu ermahnen; momentan können sie sich nicht damit beschäftigen, da sie mit Schaffhausen betreffend [die Jurisdiktion über] die [Rhein]brücke und mit den Anwälten [Ferdinands I., Hans Jakob von Landau und Hans Melchior Heggentzer zu Wasserstelzen] und Stein [am Rhein] [über die Veräußerung der Hegaugemeinden Bibern und Ramsen] verhandeln. Bullinger hofft, dass die Eidgenossen an den Städte[tag] schreiben. Wenn der zum Kaiser [Karl V.]gesandte eidgenössische Bote [...] zurückgekehrt ist, wird ein Tag [zu Baden]festgesetzt, an dem die Abfassung eines solchen Briefes besprochen wird; [aufgrund der Verlegung des Städtetags nach Worms] ist ein provisorisches Schreiben Zürichs nach Ulm überflüssig. Bullinger dankt für die Sendung des Boten und übermittelt die 24 Batzen. Bullinger wird [Wolfgang]Musculus schreiben, sobald er Zeit hat. Falls Blarer an Musculus schreibt, soll er Neujahrsgrüße ausrichten. Grüße an Thomas Blarer und Konrad Zwick.

Gnad und frid von gott.

Disen hieby gelegten brieff, der mir überantwurtet von minen herren burgermeistern 1 , wölt trüwlich überantwurten. 2 Was es sye, mag ich nitt wüssen, gedenck aber, es sye ettwas die handlung beträffend, von dero ich vormals zu üch geschriben hab. 3

Gemelte beid herren habend mich ouch gar früntlich und hochlich vermanet, üch zum ernstlichisten ze bitten und zu vermanen, das ir trüwlich reden und handlen wöllind mitt uwerm geliepten vettern C[onraten] Z[wick], das er nochmals thun wölle wie bißhar vertruwcklich 4 und die kunst, die er von gott ungezwyfflet zu trost der sinen und nitt wider die sinen hatt, denen blütigen fürsten nüt offnen wölle, und sy imm zu guten der glöubigen behalten und darnäben a handlen, wie er dann selbs baaß 5 siner

a behalten und darnäben am Rande nachgetragen.
1 Johannes Haab und Hans Rudolf Lavater.
2 Das Schreiben Haabs und Lavaters, mit dem Zürich und Konstanz sich verpflichteten, sich gegenseitig nicht anzugreifen (wohl als Vorstufe eines Bündnisses), findet sich im StadtA Konstanz, Ref. A. 25,
Beilage, f. 2r.; s. Dobras, Ratsregiment 61.
3 Gemeint ist wohl ein mögliches Bündnis zwischen Konstanz und der Eidgenossenschaft; s. zuletzt Blarers Brief an Bullinger vom 28. Dezember 1544, HBBW XIV, Nr. 2054, 109-138.
4 vertraulich.
5 besser.


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wyßheit und vernunfft nach weist schuldig sin vor gott. 6 Jetzund sye inen nitt müglich, ützid 7 sonders mitt imm zu handlen; dann sy sunst gar mitt geschäfften beladen; werdent ouch beid der tagen hinwäg ryten, und so sy schon wider beym kummend, ettliche tag besuchen müssen, erstlich mitt denen von Schaffhusen, ir brugg und miner herren rächt, 8 demnach mitt des römischen königs 9 anwällt 10, das kloster Stein 11 und die zähenden imm Hegöw 12 belangend, etc.
6 Es geht um Konrad Zwicks Kriegskunst, deren Preisgabe an Fürsten oder die Eidgenossen auch im Vorjahr schon von Blarer und Bullinger diskutiert wurde; s. HBBW XIV 15 und Anm. 4 und zuletzt aao, Nr. 2056, 13-40; s. dazu auch Hans Rudolf Lavater, Lignea aetas. Der Bieler Dekan Jakob Funcklin und die Anfänge der "Holzsparkunst" (1555-1576), in: Schweizer Kirchengeschichte neu reflektiert. FS für Rudolf Dellsperger zum 65. Geburtstag, hg. v. Ulrich Gäbler, Martin Sallmann und Hans Schneider, Bern u.a. 2011, S. 63-145, hier S. 80-82.
7 etwas.
8 Zum 1544 entbrannten Streit zwischen Schaffhausen und Zürich betreffend die Jurisdiktion über die Rheinbrücke s. EA IV/1d 421 m. 435 d. 451f (Nr. 209). 458f I. 489 I. 545f o. 605 w. 634 o. Am Tag zu Baden vom 14. Dezember 1544 wurde für den 25. Januar eine Anhörung der gegnerischen Parteien in Schaffhausen vor den Vier Orten Bern, Luzern, Uri und Glarus beschlossen (EA IV/1d 435 d), die allerdings erfolglos blieb (EA IV/1d, Nr. 209; Zürich StA A 252/1, zu 26. Januar 1545). Erst im Jahr 1555 wurde der Streit in einem Vertrag zwischen den beiden Städten beigelegt; s. E[rnst] Rüedi, Die Rheinbrücke zu Schaffhausen, in: Schaffhauser Beiträge zur Geschichte 15, 1938, 7-39, hier S. 26f; Schaffhausen StadtA, G 02.04/A-0186 (Entwurf zu einem Vertrag zwischen Zürich und Schaffhausen betreffend die Rheinbrücke bei Schaffhausen, 7. August 1555).
9 Ferdinand I.
10 Hans Jakob von Landau, Landvogt zu Nellenburg, und Hans Melchior Heggentzer zu Wasserstelzen, königlicher Rat.
11 Das Kloster St. Georgen zu Stein am Rhein (Kt. Schaffhausen) wurde im Verlauf der Reformation aufgelöst und ging 1525 mit all seinen Rechten in den Besitz der Stadt Zürich über; s. Fritz Rippmann, Die Landeshoheit der Stadt Zürich über Stadt und Kloster Stein am Rhein zur Reformationszeit, in: Zeitschrift für Schweizerisches Recht, NF 37, 1917, 65-133, hier bes. S. 70f. 123.
12 Der Hegau im Grenzgebiet des Kt. Schaffhausen. — Es geht hier um den Streit zwischen Österreich und Stein am Rhein bzw. Zürich um die Ansprüche auf zwei von Hans Heinrich und seinem Sohn Hans Kaspar von Klingenberg 1539 an Stein veräußerte Hegaugemeinden, genauer um die Erwerbung von Bibern und die Niedergerichtsbarkeit über Ramsen (heute Kt. Schaffhausen). Dies erregte den Zorn Österreichs, das an die Erbeinung appellierte, da es eine Ausweitung der reformierten Gebiete befürchtete; Zürich wurde in die Streitigkeiten involviert, da Stein unter seiner Obrigkeit stand. Mit der Reformation Ramsens 1543 durch Stein und Zürich entflammte der hinausgezögerte Streit neu. Für den 25. Januar 1545 wurde in Diessenhofen (Kt. Thurgau) eine Verhandlung anberaumt, an der neben den königlichen Gesandten auch Vertreter Zürichs, Steins und Radolfzells teilnahmen. Die Verhandlungen zogen sich bis ins Jahr 1549 hin, blieben aber ohne rechtliche Entscheidung; s. Gregor Schweri, Die Herrschaft Ramsen im 16. und 17. Jahrhundert (1539-1659), Schaffhausen 1974, S. 25-37, hier bes. S. 34f; Zürich StA A 138/1, 3.2, Stück 133 (Hegetzer an Zürich, 26. Dezember 1544). A 138/1, Stück 133a (Zürich an Stein, 5. Januar 1545).


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Des schrybens halben gemeiner eydgnossen an die fry und rychstett, hoff ich, werde fürgenommen werden und ein fürgang haben. 13 Vilicht hätte jetzund Zürych in yl gen Ulmm geschriben mitt meldung, das sy guter hoffnung, wenn es uff den nächsten eydgnosischen tag angezogen 14 , werdent sy all ein groß gfallen daran haben, etc. Diewyl es aber beitt haben mag 15 , alls wir jetzund uß üwern schrybend 16 verstond, wirt, so vil ich von minen herren burgermeistern verstanden, ze handen genommen werden 17 . Es ist wol dhein 18 gewüsser tag angesetzt. So aber der bott 19 , der zu dem keysser 20 geschickt, 21 widerumb kumpt mitt einer antwurt, acht man, denn werde der tag angestellt 22 , etc.

Des botten 23 halb sind ze friden; ir habend minen herren ein geffallen und nitt unrächt thon. Hie ligend die 24 batzens 24 mitt früntlicher dancksagung und erbietung, üch willig ouch ze dienen. Thund, wie wir üch truwend 25 .

Musculo, meo fratri longe charissimo, scribam, ubi plus ocii nactus fuero; 26 si aliquando illi scripseris, precaberis illi ex me annum felicissimum 27 .

Gott mitt üch allen. Grüssend mir mine geliepte h[erren] T[homam] Blaur[erum] f[ratrem] und C[onraten] Z[wick], etc.

4. ianuarii 1545.

H. Bullinger.

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo viro d. Ambrosio Blaurero, fratri semper colendo et charissimo suo b .

b Darunter von Blarers Hand das Empfangsdatum: 5. ianuarii 1545.
13 Siehe HBBW XIV 600, 139-601, 167.
14 angeführt, behandelt [wird].
15 beitt haben mag: nicht eilt.
16 Oben Nr. 2059 und 2060.
17 ze handen genommen werden: [die Sache] in die Hand genommen werden.
18 kein.
19 Unbekannt.
20 Karl V.
21 Am Tag zu Baden vom 14. Dezember 1544 wurde beschlossen, ein Schreiben an den Kaiser betreffend die Belangung einiger Eidgenossen mit der Kammergerichts- und Türkensteuer zu schicken; s. EA IV/1d 435 f. 443 zu f.
22 angeordnet, einberufen. —Der nächste Tag zu Baden fand am 25. Februar 1545 statt; überein Schreiben an den Städtetag wurde allerdings nicht verhandelt.
23 Der Bote, der die Briefe oben Nr. 2059 und 2060 überbrachte, ist unbekannt.
24 Vgl. oben Nr. 2059, 18.
25 vertrauen.
26 Nicht erhalten. Der nächste erhaltene Brief Bullingers an Wolfgang Musculus datiert vom 18. Februar 1546 (Zürich StA, E II 345, 355). Doch wissen wir von zwei weiteren Briefen Bullingers an Musculus von Januar bzw. von Mitte März 1545; s. unten Nr. 2079 und Anm. 5; 2111 und Anm. 7; 2134 und Anm. 1;2287 und Anm. 4.
27 Ein solcher Brief Blarers ist nicht erhalten.