Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1480]

Die Pfarrer des Grüninger Amtes an
Leo Jud,
Bullinger und
Kaspar Megander
Bubikon,
15. März 1541

Autograph von Johannes Stumpf a : Zürich StA, E II 1, 273f (Siegelspur) Ungedruckt

Der Briefüberbringer, Pfarrer Ulrich [Zingg] von Rüti, wird über die Rücksichtslosigkeit und Grobheit des Amtmanns [Hans Habersaat] und der Mönche in Rüti, über die Gewalttätigkeit des Amtmanns gegenüber den Armen und sein liederliches Leben mit seiner Haushälterin sowie über die Einigung zwischen [dem ehemaligen Mönch Wolfgang] Huber und Pfarrer Hans [Breitenweg] in Goßau bezüglich des Predigens berichten. Offenbar hat sich Habe rsaat am 12. März vor dem Großen Rat über Zingg beschwert und um Entlassung gebeten, worauf er aber bestätigt wurde, während Zingg versetzt werden soll. Bitte, dem frommen und ehrenhaften Bruder zur Anhörung zu verhelfen und zu verhindern, dass er wegen eines groben, neidischen Menschen von seiner Pfründe, die er seit seiner Jugend innehat, vertrieben wird.

Gnad und frid von gott, dem vatter, durch Christum, unßern erloßer, zuvor etc. b bis 1521 in Winterthur, bis 1523 im Kloster Weingarten, danach als Kaplan in Stammheim. 1524, nach dem sogenannten Ittingersturm, entging er knapp dem Todesurteil durch ein eidgenössisches Strafgericht, während sein Vater Hans Wirth und sein Bruder Johannes hingerichtet wurden. Daraufhin wohnte er bei seinem Bruder Leonhard, Stadtschreiber in Stein am Rhein, und wurde schließlich 1528 nach Fehraltorf berufen, wo er bis zu seinem Tod zunächst als Pfarrer, dann auch als Dekan tätig war. In letzterer Funktion war er 1549 Mitunterzeichner eines Briefes an Bullinger zuhanden der Synode (Zürich StA, E — II 440, 395). Lit.: Conradin Bonorand, Personenkommentar IV zum Vadianischen Briefwerk, St. Gallen 1988. — Vadian-Studien 15, S. 215-221; Gordon, Discipline 275f; Pfarrerbuch 619.

5 Alter Name für Fehraltorf (Kt. Zürich).
6 Adrian Wirth hatte im Jahr 1521 Tafeln des Ptolemäus für Vadian kopiert; s. Vadian BW III 230, Nr. 82, und Bonorand, aaO, S. 218.
a Mit Dorsualvermerk von Johann Jakob Breitinger. Stumpfs Entwurf (ohne Adresse und Unterschrift) ist ebenfalls erhalten (Zürich ZB, Ms A 70, S. 333, Nr. 30; zit.: E; bloße Wortumstellungen, orthographische Varianten u. a. sind nicht vermerkt).
b Gruß fehlt in E.


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From, wolgelert, getrüwen, lieben herren und vätter, her Ulrich von Rütti 1 , diß brieffs zeuger 2 , wirt uch mundtlich wüsßen zuerzelen c die grosßen, unnachtpurlichen 3 grobheit des pflegers 4 und der münchen d5 zu Rütti, wie onfrüntlich er e daßelbst verhasßet und verbannet 6 wirt, wie bemelter 7 pfleger f das almußen schwechert 8 , die armen lüt wundt und blutrünß 9 schlacht und die g darnach uß dem closter ander lüften zuverbinden uff den halß jagt h10 ; item wie er so ein schnöde huren enthalt i11 die syn hußhalterin ist und gar vil onfridens im closter machet; item wie der Huber mit herr Hanßen 12 von Gosßow umb predigens willen in fridt komen ist; 13 item k was ärgerlichen hury fürgange im huß, darin der gut bruder mit wyb und kinden wonen muß l und vil ander ergerlicher sachen etc.

Uber solichs alles sind m wir heymlich durch gutte gönner verstendiget n , wie Haberßadt 14 sambstags vor Reminiscere 15 vor rhädt und burgeren 16 urbub 17 begert habe° mit fürgehenckter ursach 18 , wie er mit synem predicanten

c E: zusagen.
d und der münchen fehlt in E.
e-f E: er in haltet.
g und die fehlt in E.
h E: ußjagt anstelle von uff den halß jagt.
i E: vor enthalt gestrichenes im huß.
k-l In E am Rande nachgetragen.
m E: werdend.
n E: bericht.
o habe fehlt in E.
1 Ulrich Zingg. An der diesbezüglichen Stelle im Synodalprotokoll (Zürich StA, E Il 1, 268) wird er irrtümlich immer noch als Pfarrer von Dürnten bezeichnet.
2 Überbringer.
3 rücksichtslosen.
4 Hans Habersaat (s. unten Z. 15 mit Anm. 14).
5 Sebastian Hegner, Wolfgang Huber und Rudolf Spänli (vgl. HBBW IV, Nr. 346 und 371).
6 eingeschränkt, ausgeschlossen.
7 der erwähnte.
8 die Versorgung der Armen einschränkt. — Gemäß Synodalprotokoll (aaO, S. 272, vgl. auch S. 357) wurde entgegen früherem Brauch nur noch zu bestimmten Zeiten ein Almosen verabreicht.
9 blutig.
10 aufbürdet.
11 eine gemeine Hure bei sich hat (der Name der Frau ist nicht bekannt).
12 Hans Breitenweg (Breytweg), gest. 1551, war seit 1531 Pfarrer in Goßau (Kt. Zürich). 1547 und 1549 wurde er an der Synode wegen seines schlechten Verhältnisses zu Diakon Hans Landolt und wegen allzu scharfer Predigten ermahnt. — Lit.: Pfarrerbuch 213; Gordon, Discipline 228.
13 sich zu einer friedlichen Übereinkunft herbeigelassen hat. Über den offenbar vorausgegangenen Konflikt ist sonst nichts bekannt.
14 Hans Habersaat, gest. 1547, wurde 1532 (nach anderer Angabe 1537) Zwölfer der Zunft zur Meisen. 1535/36 amtete er als Spitalmeister (vgl. HBBW VII, S. 331, Anm. 5), ab 1538 als Amtmann im ehemaligen Kloster Rüti. Neue Klagen über sein Verhalten, die an der Herbstsynode 1543 laut wurden, wies die Obrigkeit im Frühjahr 1544 zwar zurück (vgl. Zürich StA, E Il 1, 298 bzw. 304f), doch wurde Habersaat noch im gleichen Jahr abgelöst (vgl. LL XV 544). —Lit.: Johann Friedrich Meiß, Lexicon geographico-heraldico-stemmatographicum urbis et agri Tigurini, Bd. III (Zürich ZB, Ms E 56), S. 17; HBLS IV 32.
15 12. März.
16 D. h. vor dem Großen Rat.
17 Entlassung.
18 unter dem Vorwand.


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nit könne nachin p kommen 19 . Daruff habend unßer q herren den groben mann r widerumb bestetigt mit erklerung, wies s man in und her Ulrich für rhad vertagen 20 , gegeneynander hören und weg suchen soll, dormit t her Ulrich möge verendert 21 werden. Und wiewol solichs u dem guten bruder nit v widrig were, so beduret doch nit allein uns, sonder vil ander biderb 22 lüt, daß in dißem huß, so durch unßere herren regirt wirt, so gar kein erberkeit 23 platz haben und kein frommer prediger blyben mag 24 .

Und ist derhalb w an uch, unßer lieb herrn und vätter, unßer dienstlich 25 bidt umb gottes willen x , ir wöllind dem armen y , gutten bruder (von dem wir z alle nüt anderß dan frombkeit 26 , eer und guts wüsßend) beradten und beholffen syn 27 , darmit er syne hendel verantworten und aa sich der grosßen, unnatürlichen 28 und unnachtpürlichen grobheit des pflegers erklagen ab möge. Ir sollend ouch uwers vermogens ac29 nit gestatten, das allweg 30 eynem groben ad , nydigen menschen ein from, onverlümbdt ae31 biderman mit wyb und kinden von synem natürlichen eigenthumb, darin af er in syner jugend inkoufft und verpfrüendt ist ag 32 , syns gfallens müsße wychen, sonder wöllind ah bedencken, wohin solich exempel gedienen mög. 33

|| Hiemit sind dem herren 274 gott bevolhen und thündt als die vätter. Das wollend wir umb uch ai sampt und jeden besonder zuverdienen allzyt willig ak syn al etc.

Geben zu Bubicken in gmeynem colloquio 34 , zinstags post Reminiscere, den 15. martii anno etc. 1541.

p E: naher.
q-r E: in unßer herren.
s-t E: in und her Ulrichen heid hmm zuvertagen, geneynander zuverhoren und weg zusuchen, wie.
u E. es.
v E: nit gar.
w E: deßhalb.
x In E folgt begerende.
y armen fehlt in E.
z wir über der Zeile nachgetragen.
aa-ab Fehlt in E.
ac üwers vermögens am Rande nachgetragen, fehlt in E.
ad groben fehlt in E.
ae onverlümbdt fehlt in E.
af-ag Fehlt in E.
ah wöllind fehlt in E.
ai-ak E: uch zuverdienen willig.
al E endet hier.
19 nicht zurechtkommen könne.
20 vor den Rat laden.
21 versetzt.
22 rechtschaffene.
23 Ehrbarkeit.
24 kann.
25 dienstfertige.
26 Rechtschaffenheit.
27 raten und helfen.
28 willkürlichen.
29 soweit es in eurer Macht steht.
30 dass etwa gar.
31 nicht übel beleumdeter.
32 Ulrich Zingg war bis zur Reformation Konventuale des Klosters Rüti gewesen; vgl. HBBW IX, S. 183, Anm. 2.
33 Auf diese Bitte hin wurden Erasmus Schmid und Johannes Stumpf an der Frühjahrssynode vom 3. Mai beauftragt, Zingg bei der Verhandlung vor dem Rat am folgenden Tag beizustehen (s. Zürich StA, E II 1, 268). Einzelheiten über deren Verlauf sind nicht bekannt. 1542 wurde Zingg als Prädikant an das Siechen- und Pfrundhaus St. Jakob in Zürich versetzt.
34 Gemeint ist die Kapitelssynode des Wetzikoner Kapitels.


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U[wer] a[ller] w[illige]

diener der kuchen Christi im ampt

Grüeningen sampt und sonderlich.

[Adresse auf S. 276:] Den frommen, wolgelerten und getrüwen M. Leon Jude, M. Heinrichen Bullingern und her Casparn Großman, predigern des wort gottes zu Zürch am unßern lieben herren und vättern. ,