[1030]
Andreas Schmid an
Bullinger
[Baden],
18. August 1537
Autograph: Zürich StA, E II 340, 81r.-84r. (Siegelspur)
UngedrucktEntnimmt Bullingers Brief [Nr. 1029], daß ihn Heinrich Wiederkehr in Zürich verleumdet hat;
schildert daher dessen Fall im folgenden wahrheitsgetreu. Er, Landvogt Schmid, hatte [Untervogt]
Wiederkehr vom Auftrag entbunden, den Sohn Rudolf Lochers in Dietikon festzunehmen,
weil er mit diesem verwandt ist. Wiederkehr brach aber die Schweigepflicht, wie er selbst
zugibt, so daß Locher, von Wiederkehrs Frau gewarnt, noch vor dem Eintreffen der Abgesandten
Schmids entkommen konnte; die Behauptung der Frau, sie hätte die Sache von Bernhard
Tratz erfahren, läßt sich nicht halten. In der Gerichtssitzung im Kloster Wettingen bestritten
Wiederkehr und sein Schwiegervater die Rechtmäßigkeit des Gerichts, drohten mehrmals mit
der Anrufung der regierenden Orte, und auf die Ausfällung der Bußen für die Übertretung des
Schweigegebots 50 Pfund für den Untervogt, 20 Pfund für dessen Frau -reagierte Wiederkehr
1536, war mit Andreas Schmids Schwester
Anna verheiratet gewesen (vgl. A.
Corrodi-Suizer, Die Vorfahren des Bürgermeisters
Felix Schmid, in: Zürcher
Taschenbuch 1936, S. 33 mit Stammtafel,
sowie HBLS II 351).
mit frechen Worten. Dennoch will Schmid diesem, auf Bullingers und [Heinrich] Brennwalds
Fürbitte hin, 30 Pfund erlassen, erwartet aber die Bezahlung der Bußgelder und der
Gerichtskosten innerhalb von 8 Tagen; bittet, dies auch Brennwald mitzuteilen.
Min fründtlich, willig diennst a , unnd was ich eren, liebs unnd gutts vermag,
alltzit zu vor.
Ersamer, wolgelertter, innsunders günstiger, lieber herr und fründ, üwer
schriben, mir jetz zugsanndt 1 , berürennd üwern vettern Heinrichen Widerker,
den württ 2 zu Dietticken, hab ich sines innhalts verstannden unnd mag
wol vermercken, das er mich gegen üch unnd anndern minen günstigen
herren unnd fründen nebent der warheit verunglimpfft, unnd so ich nit mit
anndern eehafften 3 gschäfften uff mornn beladen were, wölte ich selber zu
üch gan Zürich ritten unnd des hanndels 4 mundtlich berichten. Diewyl aber
mir söllichs nit moglich, will ich üch doch des hanndels, so vil die federn
begriffen mag 5 , mit der warheit berichten.
Unnd hat anfanngs die gstalt, alls ich von minen gnedigen herren von
Zürich zu einem lanndtvogt gan Baden verordnet, hab ich mich sinen getröst
6 und gefröwt unnd offtermals by im inkert 7 und vermeint, er wurde mir
für annder 8 das best thun. Demnach hat sich begeben, das mir angezeigt, wie
das Rudi Lochers sun 9 zu Dietticken mer dann einmal mit der hannd friden
gebrochen 10 11
, unnd diewyl der lanndtvogt von Bernn da gwesen, ist er
lanndtrümig 12 worden. Aber alls ich uffgritten 13 , ist er wider anheimsch worden
14 , unnd alls ich des bericht, hab ich inn bysin allein mines unndervogts 15
unnd schribers 16 zu Baden gemeltem 17 Heini Widerker gebotten, das er mir
den fridbrüchigen gefenngklichen har gan Baden bringen wölle, damit er
umb sin ||81v. mißhanndlung gestrafft werde. Daruff er mir mit schneller 18
und rasser 19 antwurt begegnet, ich habe im nützit zu gebietten, dann er mir
bis 1537 Landvogt zu Baden (vgl.
HBBW VI, S. 211, Anm. 1).
noch nütt geschworen, darzu, wo ich inn sölte lassen vachen
20 , bedörffte wol
ein bosse sach daruß werden unnd möchte ergan wie zu Schlieren
21 unnd
sölte ich eins thun unnd die sach sunst güttlich richten lassen; dann der
Locher eben ein grosse fründtschafft
22 habe. Unnd alls ich söllichs verstannden
unnd darab ein beduren empfangen
23 , das er mir sölliche antwurten
geben hat, unnd daruff mit im gredt: Sölte es allso zugan, wann ein alter
lanndtvogt abritte, das dann die selben eyd nütt mer gelten, so müßten min
herren, die Eydtgnossen, ein nüws machen
24 und den unndervögten
25 den
eyd anfenngklich wider geben
26 , eb
27 ein lanndtvogt die eyd innerne. Darzu
hordte ich wol, wann ich einen umb sin mißhanndlung straffen wölte, das
ich eines ufflouffs besorgen
28 müste; wölte ich des alls mer jetz alls harnach
erwartten sin
29 . Unnd im abermalen by dem eyd, so er dem alten lanndtvogt
gethan, gebotten, das er inn gefenngklich anneme und harin gan Baden
bringe. Und alls er die inzüg b , wie obstat, geäffret 30 und zulest min will und
meinung verstanden, und das er mir sagen sölle, ob ers thun wölle oder nit,
hat er mir zulest geantwurt, er wölle es nit thun, dann gemelter Locher sye
im gefründt
31 . Unnd alls nun ich söllichs von im verstannden und wol vermeint,
er hette mir die fründtschafft zum ersten anzeigt, damit ||82r. ich im
nützit hette bevolchen etc., unnd im by sinem eyde gebotten, das er das still
und verschwigen halten unnd ganntz niemand nützit davon sagen, so wölle
ich annders in der sach hanndlen. Dasselbig er mir zugsagt, unnd allso
güttlich von mir abgscheiden.
Unnd alls ich mornndes 32 frü minen löiffer zu den gschwornen 33 gan
Dietticken gschickt unnd inen gebietten lassen, den genanten Locher gefenngklich
anzenemen und gan Baden zu überantwurten, unnd alls er hinuff
komen, ist er am abent oder inn der nacht gewarnet worden. Unnd alls
desselben Lochers vatter c daruff zu mir kommen und anzeigt, wie sin sun
gewarnet und davon sye, unnd mich betten, das best ze thun, hab ich daruff
minen unndervogt 34 und schriber
35 berüfft und si erkundet, ob sölliche warnung
von inen komme, und alls dieselben mir by ir trüw gsagt, das söllichs
von inen nit ußkommen, dann si des niemand gedacht habend
36 . Daruff hab
ich nach gedachtem Heini Widerker gfenngklichen gschickt 37 unnd gfraget,
ob sölliche warnung von im ußkommen. Hat er gsagt nein, unnd es wurde
sich durch kein biderman nit erfinden, unnd wer das von im rede, der lüge
inn an alls ein verrätter und bößwycht. Unnd alls ich im nit hab wöllen
nachlassen und vermeint, es sye durch niemand ußkommen dann inn, hat er
mir zulest angezeigt, es sye nit ane
38 , alls er am abent umb zechne heimkommen,
sye er by sinem knecht ||82v. und taglönner sampt desselben frowen
39 gsessen, alls si gessen habent, unnd unnder anndern wortten gredt:
"Der lanndtvogt ist gar übel über Rudi Lochers sun erzürnt, unnd wo er sich
nit mit im vertrage
40 , so werde er ein bössen hanndel haben."Sye nun er uß
der red gewarnet, sye im nit ze wüssen. Und alls daruff ich nach dem
taglönner, ouch annderer kuntschafft gschickt, hat sin taglönner gredt, er
habe sölliche wortt von dem württ ghördt, er habe aber den Locher nit
gewarnet. Alls er aber har zu mir habe wölle gan, habe die württin
41 zu im
gredt, sy habe inn gwarnet unnd wölle es me thun, so offt und sich das
begebe. Darnach hat des württs bruder
42 unnder sinen ougen gsagt, das der
Locher am morgen frü vor tag usß sines vatters hus zu im in sin hus kommen,
und habe ein meittlin im sine kleider nachgetragen, unnd sye gewarnet
gsin. Darumb sölliche warnung, vor unnd ce min löiffer gan Diettikon kommen,
bschechen und von niemand kommen mag, dann allein uß sin, des
württs, reden. Wiewol die württin darthut, Bernnhardt Tratz d habe das vom
kilchweg gehördt und iren gsagt, das aber nit ist, dann er vorhin gwarnet ist.
Ir mogen aber Bernnhardt Tratzen e darumb beschicken
43 und selbs verhören.
Unnd diewyl nun vilgemelter 44 Locher von niemand anderm ||83r. dann uß
des württs reden, ouch vor und ce min bott hinuff kommen, gewarnet ist
worden etc., diewyl 45 dann all unndervögt in iren eyden schwerent, was ir
jedem von einem landtvogt in bevelch geben werde, das still und verschwigen
zu halten, damit unrecht gerechtverttiget unnd gestrafft werde,
unnd diewyl ich im by sinem eyd gebotten, das still unnd verschwigen zu
halten, unnd er mir dasselbig zu thunde zugsagt. Wie nun er söllichen eyd
und zusagen gehalten, mogen ir alls der hochverstenndig selbs ermessen, ob
ich inn eydts unnd mines ampts halb ungestrafft sölte lassen.
Unnd allso inn und sin eefrow güttlichen in das gottshus Wettingen (da
ich von wegen des predicanten unnd meßpfaffen von Dietticken zu hanndlen
ghept)46 für mich beschickt unnd inen von obgemelter 47 hanndlung ein zimliche
48 straff ufflegen wöllen. Unnd alls ich güttlich mit inen angfanngen
reden (dann minethalb kein anfechtung 49 oder unwillen gegen im nit gwesen
ist, bezügen ich mich an gott), hat er und sin schwecher 50 , den wol die sach
nütt anganngen were, eb f ich niema 51 ußgeredt, hoch empfanngen 52 unnd
gschruwen, ich sölle die sach vor biderben lütten 53 darthun und nit in wincklen
machen. Da ich vermeinen, was vor mir und minen amptlütten gemachet,
das sye nit in wincklen, sunder glich wie vor anndern oberkeiten gehanndlet,
ouch mir zum dickermal recht für mine herren die acht ordt gebotten
54 . Da ich mich miner ||83v. hanndlung darzethun wol möcht erliden,
wann es vornacher brüchig 55 gsin were etc. Alls er ouch mit scharpfen
wortten redt, das kind hette ein eltern vatter 56 unnd müsse ein anndern essich
daruß werden 57 , mag ich nit wüssen, wie er das vermeint. Ich aber hab
gehanndlet, wie das minem ampt zustat, und ermesse er g , wie er sin eyd und
das urfechdt 58 ghalten habe. Aber nach aller hanndlung hab ich im fünffzig
pfund und der frowen zwenntzig pfund zu straff uffgelegt. Die söllent si mir
in acht tagen geben h , es sige dann sach 59 , das er, der württ, mir unnder ougen
einen dar stelle 60 , der den Locher am abent oder in der nacht gewarnet habe;
so wölle ich dann sinethalb der gepür nach witter hanndlen. Er hat mir so
gar ungeschickte 61 wortt geben, alls villen biderben lütten wol ze wüssen,
das ich gnugsame ursach i ghept, witter gegen im ze hanndlen unnd zum
wenigisten, wo er nit in der fryheit 62 gwesen, inn widerumb in gfenngknuß
legen lassen unnd erfaren, von wemm die warnnung kommen oder was für
ein essich daruß sölte werden. Das aber wir in friden gnomen oder kommen
syent
63 , das ist nit beschechen k .
Aber wie dem allem, angesächen üwer und ouch herren probsts Brennwalds
schriben 64 , denen ich in allen sachen, so mir mit eeren zu verantwurten
moglich werent, ze willfaren ganntz gneigt, er sol ouch üwer l fürbitt
harinn gniessen 65 , unnd will allso von üwert wegen im an siner buß drissig
pfund nachlassen, und die übrigen zwenntzig pfund sol er mir sampt siner
frowen straff in acht tagen ußrichten, vernugen 66 und bezallen sampt dem
uffgelouffnen costen, der sunders nit groß ist m , oder ob n im söllichs nit
anmuttig 67 , so will ich den hanndel vor minen gnedigen herren der acht
68
ordten ||84r. rattsbotten darthun. Ob dann dieselben ein gvallen daran haben,
oder was si daruß machen, will ich güttlichen beschechen lassen. Hieby
fründtlich pittende, ir wöllent söllich min lannge antwurt im besten vernemen
unnd die herren probst Brennwald ouch anzeigen, damit er dero bericht
werde. Dann wo ich üch gediennen, söllent ir mich alltzit guttwillig erfinden.
Hiemit beware üch gott.
Datum den 18. augusti anno etc. 37.
Üwer williger
Anndres Schmid, landt-vogt
zu Baden in Ergöw.
[Adresse auf der Rückseite:] Dem ersamen, wolgelertten Meister Heinrichen
Bullinger, predicanten der statt Zürich, minem günstigen, lieben herren unnd
fründt.