Name: Johann V. ,
Er verweigerte jedoch die Beschwörung der 6 Artikel, durch welche seit dem Jahre 1541 die Gemeinden des Gotthauses Chur ihre Rechte gegenüber den Weltlichkeiten des Bisthums festgestellt hatten. Erst nach längeren Unterhandlungen, und nur aus besondere vom päpstlichen Nuntius ihm eröffnete Erlaubniß unterzog er sich einer Verpflichtung, zum Schein wenigstens, die im geradesten Gegensatze stand zu den seinen Geist erfüllenden Bestrebungen. Er fühlte sich getragen von den Ideen der Neubildung der römischen Kirche und der Rückbildung der im 16. Jahrhundert aufgetretenen Reformen, wie sie seit dem Tridentinischen Concil und der Wirksamkeit Carl Borromeo's allenthalben austraten. So war das Zerwürfniß mit der herrschenden Partei in seiner Diöcese unvermeidlich, da er sofort alle nichtkatholischen Stiftsbeamten aus seinem Dienste entließ. Er selbst schloß sich dafür sehr enge an die spanische Partei an. Die ganze Zeit seiner Stiftsregierung war deshalb von stürmischen Auftritten, die zum Theil seine Person sehr nahe berührten, durchseht. — Unter wesentlicher Förderung durch die französische Krone hatten im J. 1603 die drei rhätischen Bünde einen Bündnißvertrag auf zehn Jahre mit der Republik Venedig abgeschlossen, der dem Durchpaß von Truppen für den Bedarf der Republik Venedig Gewähr leistete. Sofort eröffnete Mailand hiegegen seine feindseligen Maßregeln durch Sperrung der Handelsstraße und Erbauung eines Trutzforts hart an der Grenze. Bei den hierüber geführten Unterhandlungen betheiligte sich auch der Bischof in seinem eigenen Interesse wegen des Solls zu Chiavenna; allein die hierdurch herbeigeführte Uebereinkunft wurde bündnerischerseits in einem Plebiscit mit großer Mehrheit verworfen. Die Vergeltung hiefür folgte in der spanischerseits durchgeführten Schürung eines Aufstandes, als Venedig sein Bündniß im J. 1607 benutzte, um einige Regimenter Lothringer in seinen Dienst zu ziehen. Hierfür wurde die Rechtmäßigkeit des Bündnisses in Frage gestellt und sollten dessen Urheber dem Scharfrichter überwiesen werden. Der Bischof und seine Vertrauensmänner , Hauptmann Caspar Baselgia und Georg Beeli von Belfort waren selbst thätig bei diesen Umtrieben. Obschon nun bei dem ausgestellten Strafgericht deren Gegner mit den härtesten Strafen bedroht und belegt wurden, erfolgte bei einem neuen Auflaufe der Gegenpartei eine neue Besetzung des Gerichts, in Folge dessen die Organe des Bischofs nun an Stelle ihrer Gegner dem Blutrichter verfielen. Deren Proceß wars einen tiefen Schatten auf den Bischof und seine Absichten. Da er sich mit den katholischen Orten in geheime Unterhandlungen eingelassen hatte, die nichts Geringeres bezweckten, als eine gänzliche Umwälzung der politischen und kirchlichen Verhältnisse, so wurde auch ihm vom Strafgerichte der Proceß gemacht, und er mit Landesverweisung und Absetzung bedroht, für den Fall, daß er den ihm vorgelegten Revers nicht anerkennen würde. Der Bischof weigerte sich der ihm gemachten Zumuthungen und begab sich nach Fürstenburg in Tirol, wo er sich sicherer fühlte als in seiner Residenz. Als bei der Werbung von Bern und Zürich um Wiedererneuerung des venetianischen Bündnisses 1617 der Parteikampf in den Bünden neuerdings seine Höhe erreichte, und es der spanischen Partei gelungen war, die Werbung abzulehnen, und die Beförderer derselben mit schweren Strafen heimzusuchen, erhob sich neuerdings auch die venetianische Partei unter Führung mehrerer reformirter Prediger und setzte 1618 in Thusis jenes vielberufene Strafgericht ein, welches über die Umtriebe seiner politischen Gegner seine leidenschaftlichen Urtheile fällte. Auch Bischof J. wurde vorgeladen. Es wurde ihm unter Anderm Schuld gegeben, daß er der gegen ihn verhängten Verbannung unerachtet mehrmals in seine Residenz nach Chur zurückgekehrt sei, den gregorianischen Kalender angenommen habe u. s. f. Seine Strafe bestand in Verstärkung der schon 1607 ihm gedrohten Absetzung und Verbannung nebst Einziehung seiner Güter. Bei Rückkehr in's Land sei sein Kopf dem Scharfrichter verfallen. Die Klagen des Bischofs über diese unerhörte Behandlung fanden bei Kaiser Mathias geneigtes Gehör, und es zeigte sich, nachdem
die Niedermetzelung der Reformirten im Veltlin die Loosung ertheilt hatte, daß
Oesterreich Spanien entschlossen war, mit Hilfe seiner Parteigänger die politische
und kirchliche Gegenpartei mit Waffengewalt aus dem Wege zu räumen. Die
Einzelheiten dieser Ereignisse können an dieser Stelle nicht aufgezählt werden.
Das Land wurde durch Erzherzog Leopold in Verbindung mit dem Herzog von
Feria niedergeworfen und militärisch besetzt, und Bischof J. begann nunmehr
seine Rückforderungen um Kirchen, Kirchengüter, Zehnten und Gefälle geltend zu
machen und eine Gegenreformation vorzubereiten. Er richtete unter Beirath des
Nuntius Scapi Capuziner-Missionen ein, nachdem durch das Mailändische Capitulat
von 1622, an welchem der Bischof als selbständige Partei sich betheiligte,
in ganz Rhätien die freie Ausübung des katholischen Cultus wieder hergestellt
war. Gleichwol gelangte er mit diesen Bestrebungen nicht an's Ziel, da die
französische Politik Veltlin nicht aus den Augen verlieren konnte, und sonach durch
den von Cardinal Richelieu angeordneten Feldzug des Marschalls d'Etrées, das
Land von der österreichischen Invasion wieder befreit wurde, und der Vertrag
von Barcelona die nachtheiligsten Punkte des mailändischen Capitulates wirkungslos
machte. Durch diesen letzteren Mißerfolg entmuthigt, verzichtete J. im J.
1627 auf sein bischöfliches Amt und starb schon einige Wochen nachher im
78. Lebensjahre und 26sten seines Hirtenamtes.Eichhorn, Ambr., Episcopatus Curiensis, St. Blasien 1797. Fr. Fetz, Geschichte
der kirchenpolitischen Wirren. Chur 1875. Pet. Dom. R. Porta, Historia
reformationis ecclesiarum rhaeticarum, Chur u. Lindau 1775. Kind, Chr., Die
Reformation in den Bisthümern Chur u. Como. Chur 1858.
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