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C. M. Wieland's Werke.

Fünfzehnter Band.

Dreizehnter Gesang.

1.

Inzwischen hatte Herr Tulpan vom Rausch der gestrigen Nacht
Sich wieder hergestellt und große Anstalt gemacht,
Den Damen und Rittern, mit denen er Spaß zu haben gedenket,
Die Zeit zu vertreiben. Man wurde dieses Mal,
Nach einem unendlichen Schmaus' im großen Spiegelsaal,
Mit einer Opera buffa von seiner Erfindung beschenket;
Denn unser Mann war Alles, was ihr wollt:
Er hatte ein mächtig Talent zu Gastereien und Festen,
Er machte auch Verse —so, so! —sie klangen nicht zum besten,
Doch desto besser klang sein Gold.

2.

Man lobte an seinem Schauspiel — Verzierung und Maschinen,
Ihm kostete Alles dieß nur einen Zauberschlag;
Mit tausend kristallnen Leuchtern macht' er die Nacht zum Tag,
Schuf Zaubergärten aus Wüsten und hieß den Winter grünen:

Doch, daß der letzte der Neger, wenn Sylphen und Gnomen ihm dienen, Den großen Negus selbst hierin verdunkeln mag, Ist keine Kunst. Die Herren und Damen erhoben Auch seine Musik: allein, was diese betrifft, So können wir seinen Geschmack am Bunten und Schweren nicht loben,

Denn uns ist beides Ohrengift.

3.

Es lebe Galuppi und Hasse, und du, erzogen von Musen
Und Grazien, Sohn der Natur, mein Pergolese, du!
Dir hören, wenn du das Schwert im tief zerrissenen Busen
Der göttlichen Mutter beweinst, mitweinende Seraphim zu;
Und, o! wem wallet nicht, von neuen Gefühlen umfangen,
Das Herz vor innigem Verlangen,
Zu sterben den süßen Tod, in den dein himmlisches Lied
Den sanft entschlummernden Geist, von Engelsharfen umgeben,
Hinüber in Elysium zieht,
Des Weisen Uebergang zu einem bessern Leben!

4.

In ihm, ihr Priester der Musenkunst, studirt
Den hohen Geschmack des Wahren, gepaart zum Schönen,
Die Kunst, mit starken Gefühlen den Busen auszudehnen,
Die Kunst, die Steine beseelt und Seelen den Leibern entführt.
Seyd stolz genug, den neuen Marsyassen
Die eitle Kunst zu überlassen,
Die, ähnlich einem Zauberfest,

Bei ihrem schimmernden Prunk das Herz verhungern läßt, Mit Tönen spielt, wie Gaukler aus den Taschen, Und immer blenden will und immer überraschen.

5.

Das Schauspiel, die Tafel und Alles war nun, gottlob! vorüber,
Und auch der Neger — der gern' im Guten sich übernahm
Und schönen Augen, umringt mit Flaschen, gegenüber,
Zerstreut durch jene, sehr leicht von diesen zu viel bekam —
Ward, zwischen Seyn und Nichtseyn (nach seiner Gewohnheit) verloren,
Zum Troste der Damen, zu Bette bugsirt,
Kurz, Alles im Hause schlief und lag noch auf den Ohren:
Als um die Zeit, wenn vor Auroren
Die braune Nacht in Dämmerung sich verliert,
Die keusche Wittwe des Triton, in sieben Schleier drapirt,

6.

Sich, eingedenk ihres Versprechens, nach dem bestimmten Orte
Beim funkelnden Lichte der Spica Virginis
Von ihren Füßen tragen ließ.
Sie fand, wie billig, an der Pforte
Des Saals, Don Caramelen schon,
So frisch und schmuck wie weiland Seladon,
Mit offnen Armen ihrer warten.
Sie spricht: Ich dächte, mein Herr, weil's noch in diesem Saal
Sehr dunkel ist, wir gingen in den Garten?
Dort haben wir doch die Sterne zu Zeugen. —"Ein ander Mal,

7.

Wenn's Ihnen beliebt, Prinzessin: nur dießmal nicht! Ich bitte,
Bemühn Sie sich in meine kleine Hütte,
Sie ist mit einem Sopha meublirt" —
Mit einem Sopha, mein Herr? — "Auf dem sich's herrlich lieget.
Man wird so sanft darauf gewieget!" —
Mein Herr, Sie haben mich zu einem Schritte verführt,
Wobei ich Mühe habe mich für mich selbst zu halten.
Sie sehen, wie weit mein Vertrauen auf Ihre Weisheit geht! —
"Ich kenne, versetzte der Ritter, und ehre die Majestät
Von Ihrer Tugend, Madame; hier ist, sie zu entfalten,

8.

Die schönste Gelegenheit da; sie soll bei Ihrem alten
Blaubärtigen Triton nicht besser versorgt gewesen seyn!
Geruhen Sie alle Scrupel für überflüssig zu halten;
Sie waren wohl eher mit einem Don Boreas allein!" —
Dieß, fällt sie ein, dieß ist es eben,
Was, Ihnen den Schlüssel zu meinem Betragen zu geben,
Dieß leidige Tête-à-Tête mir abgenöthigt hat. —
"Ich bitte Sie, schönste Prinzessin, kein Wort hiervon zu verlieren!
Wo Niemand klagt, find't keine Vertheidigung Statt;
Sie sind in dem Alter, sich selber zu regieren.

9.

Wer hat ein Recht, zu fragen, was machen Sie da?
Und könnt' ich allenfalls durch das, was jüngst geschah,

Beleidigt scheinen, so ist — ich schwör's bei allen Kreisen Des ptolemäischen Himmels! — ein einziges Mittel nur, Mir Ihre Unschuld zu beweisen." — Und welches? fragt die sanfte Creatur Mit lispelndem Ton'. — "Es ist, mich kurz zu fassen, Auf diesen Sopha sich gnädigst niederzulassen —" Was für ein grillenhafter Mann Sie sind! Ich sehe nicht, was dieß beweisen kann.

10.

Doch, Ihnen gefällig zu seyn, da bin ich! — "Reizende Güte!
Wie sehr verbinden Sie mich! In diesem Augenblick
Wird alles Vergangne zum Traum. Der müßt' ein doppelter Skythe,
Ein Caraibe seyn, aus einem knotigen Stück
Von Eichenholz gehackt, der sich, so nahe bei Ihnen,
Auf einem elastischen Sopha, vom Morgenstern beschienen,
Nicht sehnte, den leisesten Wunsch gereizter Rachbegier
Zu Ihren Füßen auszuhauchen." —
Wie, Caramel? (spricht die Dame) Sie reden so mit mir?
Vergessen Sie nicht, mein Herr, ein wenig Respect zu brauchen!

11.

Der Ritter, nicht sehr durch diese Grimasse geschreckt,
Erwiedert: "Sie scherzen, Prinzessin! Wer weiß es besser, wie brünstig,
Wie lange Sie Caramel liebt, und, ach! Sie fodern Respect!
Jetzt, da der Stern der Liebe zum ersten Mal' ihn günstig

Bescheint, Respect! Sie selbst, was dächten Sie von ihm, Wofern' er, wie ein Thor, die schönste der Morgenstunden Entschlüpfen ließe?" — Mein Herr, Sie werden ungestüm! Vermessner! was haben Sie je in meinem Betragen gefunden, Das eine Sprache wie diese — "Prinzessin, fällt er ein, Ich bitte Sie, zwingen Sie mich nicht, indiscret zu seyn!

12.

Nichts vom Vergangnen zu sagen, (ich will Sie Boreassen
Und Ihren Wassermann selbst ganz gern vergessen lassen)
Allein ich weiß, Sie lieben den schönen Amadis:
Sie haben sich ihn zur Dankbarkeit verbunden;
Der Stand, worin Sie ihn in diesem Garten gefunden,
Die Gunst, die Ihre Hand ihn damals fühlen ließ,
Dieß nennt man Proben, die keinen Zweifel erlauben!
Sie sehen, Erläutrungen wären bei mir nicht angewandt.
Was brauchen Sie das? Ist Ihnen mein Herz nicht längst bekannt?
Ich will von Allem nichts zu Ihrem Nachtheil glauben:

13.

Doch, sprechen Sie selbst, verdient so viel Ergebenheit
Von Ihrer Seite nicht auch ein wenig Dankbarkeit?" —
Die Dame seufzte, schwieg und fiel in tiefe Gedanken;
Nur läßt ihr, sich Sei zu entschließen, der Grausame keine Zeit
Und endigt, was weiß ich wofür, sich ziemlich kalt zu bedanken.
Zum Unglück stieß unmittelbar
An eben diesen Saal, worin wir Chatouilleusen
Beschäftigt sehen, die Zweifel des Ritters aufzulösen,

Ein kleines .Boudoir an, das ihnen unbekannt war, Und — rathet, wer darin gewesen?

14.

Wer Andres, als Amadis selbst? —Das war ein häßlicher Streich!
So geht's, wenn man vergißt, daß Wände Ohren haben!
Der naseweise Gnom von einem Edelknaben
War einzig Schuld daran! Nun denket selbst, wie euch
Bei einer solchen Verhandlung die dritte Person gefiele!
Sie wußten zwar von nichts, und glücklich war's für sie!
Doch Amadis, dessen Rolle bei diesem Freudenspiele
Die angenehmste nicht war, fand desto größre Müh,
Sich selbst in Fassung zu halten. Schon folgte dem raschen Triebe
Der zornigen Seele sein Arm, dem Trieb beleidigter Liebe;

15.

Schon wollt' er den Degen ziehn und hätte durch einen Stoß
Zwei schuldige Seelen dem Orcus zugesendet,
Allein, erschrecket nicht! die Gefahr ist nicht so groß;
Denn, da er ziehen will, so war ihm das Eisen entwendet.
Das hatte der schelmische Gnom aus schlauer Vorsicht gethan,
Den Spaß dadurch vollständig zu machen.
Wie lustig wird es seyn, (er muß zum voraus lachen)
Wenn Amadis, schnaubend und roth, wie ein gereizter Hahn,
Den Degen aus der Scheide ziehet
Und nur ein hölzernes Eisen in seinen Händen siehet!

16.

In Fällen dieser Art kommt einem Biedermann
Sein Seneca vortrefflich zu Statten:
Er sagt uns gegen den Zorn, was man nur sagen kann,
Wenn Witz und kaltes Blut sich mit Rhetorik gatten.
"Ein Weiser sollte den Thoren, den Wurm, die Mücke, die ihn
Gestochen, mit seinem Zorne beehren?
Ihn sollten Dinge, die nicht zu seinem Wesen gehören,
Ein schlüpfriges Weib, ein kleiner Paladin
Von einem Gnom, in seiner Ruhe stören
Und aus sich selbst heraus in ihren Wirbel ziehn?"

17.

Mit solchen Phrasen kühlte der Ritter
Sich selber vollends ab, sowie sich das Ungewitter
In seinem Blute zertheilte; und, merkten wir's nicht an,
So dächte wohl keine Seele daran,
Daß sieben Achtel davon dem kleinen Gnom gehören,
Der so besonnen war, sein Eisen in Holz zu verkehren.
Er hat nichts Dringenders nun, als aus dem verhaßten Schloß
Sich auf der Stelle zu verbannen;
Er schleicht sich unbemerkt fort, besteigt sein edles Roß
Und reitet im großen Trott von dannen.

18.

Schon ritt er einen halben Tag,
Unmuthig, — wie ein Fuchs, der einen Hühnerschlag
Zu wohl verschlossen fand, mit eingesogenem Bauche,
Gesenktem Schweif' und melancholischem Blick',

Unwillig sich entfernt und nach dem Hofe zurück Oft traurig schielt und seinem aufwirbelnden Rauche. Das Gleichniß, in der That, ist von den edelsten nicht, Doch immer so gut, als, wenn in seinem erhabnen Gedicht Den Ajax, der dem Schwall der Feinde langsam weichet, Altvater Homer mit einem Esel vergleichet;

19.

Wiewohl Herr Dacier uns mit gutem Fuge belehrt,
Daß dazumal das Thier mit langen Ohren
In höherm Ansehn stand, als seit es seinen Werth
Durch die Vergleichungen verloren,
Womit man, auf seine Kosten, zweibeinige Thiere beehrt.
Der Ritter also hing die Ohren
Und sprach kein Wort: als endlich Ferafis,
Sein Secretair, nach öfterm Husten, es wagte
Und seinen Herrn um den Grund von dieser Traurigkeit fragte:
Darf man sich unterstehn, Herr Ritter Amadis,

20.

Zu fragen, warum Sie so hastig aus einem Schloß sich entfernten,
Worin wir so wohl uns befanden und Damen kennen lernten,
Dergleichen man in diesem wilden Revier
Zu finden schwerlich hoffen konnte,
Und just, da ein näher Verhältniß sich auszuspinnen begonnte,
So rasch sich entfernten? Sie sind, vergeben Sie mir,

Ein wenig zu spröd' und haben die Thränen auf Ihrem Gewissen, Die ein so unverhoffter Entschluß Der schönen Chatouilleuse unfehlbar kosten muß. Ich irrte mich, wie ich sehe, gar sehr in meinen Schlüssen.

21.

Ein tiefer Seufzer war Alles, was unser Held hierauf
Versetzte. Dieß nahm sein Begleiter für stille Verwilligung auf,
Zu plaudern, solang' er wollte; und also sprach er weiter:
Ich gebe mich zwar für keinen Zeichendeuter,
Allein, nach meinem System', hat man die Augen zum — Sehn,
Und wer berufen ist, bei zween
Von Amorn angeschoss'nen Leuten
In einer bequemen Entfernung, wie unser einer, zu stehn,
Bemerkt oft tausend Kleinigkeiten,
Die dem, der selbst im Spiel verwickelt ist, entgehn.

22.

Die Dame, das wollt' ich beschwören, wiewohl sie so züchtig thut,
Als ob sie den heiligen Korb der Göttin Ceres trüge,
Hat nicht bloß gleichsam Fleisch und Blut.
Ihr schlüpfriges Auge, das Wallen in ihrem Busen, die Glut
Von ihren Wangen beweist, ihr sprödes Ansehn lüge.
Mein Herr, Sie wurden geliebt! — Nicht, daß ich eben damit
Behaupten wollte, die Liebe der schönen Chatouilleusen

Sey von der empfindsamen Art gewesen, Wie jene zwischen dem schönen Pertharit Und seiner Prinzessin, wovon wir im Belier lesen;

23.

Noch wie die Liebe der Sympathie,
Die Tristram uns so sentimentalisch beschrieben:
"Amandus Er, Amanda Sie,
Die durch ein hartes Geschick, Er Ost, Sie West getrieben,
Sich zwanzig Jahre lang nie sehn und einzig lieben;
Er von Corsaren gefangen und nach Marokko gebracht,
Wo sich die Tochter des Kaisers in seine Figur vernarret,
Viel Jahre in einem Thurm' ihn füttert, Tag und Nacht
Mit Locken und Weinen und Flehn die Haut zu eng' ihm macht
Und, ihrer Reise gewiß, stets seiner Besserung harret;

24.

Und endlich, da er wie Pech an seiner Amanda hält,
Den prächtigsten Hals, der den von Auroren und Floren
Und Phrynen verdunkelt hätte, entblößt, zu Füßen ihm fällt
Und fleht, zum wenigsten nur die einzige Lieb' in der Welt
Ihr anzuthun und ein Messer ihr in die Brust zu bohren;
Doch Alles umsonst! Indessen Amanda mit nacktem Fuß
Die Welt durchläuft, vom schroffen Kaukasus
Nach Cadiz, von da zurück zur Stadt des Alabandus,
Und Berg und Thal und die Ufer von jedem berühmten Fluß
Mit seinem Namen erfüllt, Amandus, ach, Amandus!

25.

Nichts denkt, nichts sucht als ihn, vor lauter Liebe nicht Zeit
Zum Essen und Trinken hat und, wenn sie aus Mattigkeit
Auch endlich einschläft, nur von ihrem Amandus träumet;
Vor keiner Stadt sich länger säumet,
Als unter dem Thore zu fragen: O, sagt mir, aber geschwind,
Ist mein Amandus nicht hier? — Bis endlich, wider Verhoffen,
Nachdem sie beide, sich suchend, die Erde rund umloffen,
Sie, vor dem Thor zu Lyon, wo sie zu Hause sind,
Einander in die Arme rennen
Und, da sie kaum vor Freude noch rufen können:

26.

Lebt mein Amandus noch? — im nämlichen
Lebt meine Amanda Augenblick, todt
Zur Erde sinkend, die liebenden Seelen verhauchen."
So weit läßt wohl die Prinzessin die Sachen ohne Noth
Nicht kommen! Mir däucht, sie weiß das Leben besser zu brauchen,
Und fühlt wohl schwerlich von Mutter Natur sich bestimmt,
Von Sentimens und von Ideen zu leben.
Mein gnädiger Herr, Sie müssen mir vergeben!
Sie suchen ein Ideal! Allein der Weise nimmt
Die Dinge, wie sie sind, und was der Topf bescheeret,
Würzt Hunger zu Götterkost, — wie unser Horaz uns lehret.

27.

Herr Ferafis hätte (da, in Gedanken verirrt,
Sein Herr auf sein Reden nicht achtet) noch lange so fortgedahlet,
Als durch ich weiß nicht was, das aus den Büschen strahlet,
Im Staunen dieser, und jener im Plaudern gehemmet wird.
Sie nähern sich und sehn durchs grüne Gitter
Der Hecken einen feinen Ritter,
Der ein Mal über das andre zum Zeitvertreibe gähnt,
In blauen Waffen mit Gold an einen Baum gelehnt.
Er hatte den Ort, wie es schien, zum Mittagsmahl' erkoren;
Zum wenigsten macht' ein Zwerg mit langen Faunenohren

28.

Sich viel zu thun, den Boden mit einem Tafeltuch
Zu decken und eine Pastete mit andern Niedlichkeiten
Vor seinem Herren auszubreiten.
Der weise Ferafis fand den angenehmen Geruch,
Der ihm entgegen weht, von guter Vorbedeutung;
Sehr froh, daß sich sein Prinz nicht abgeneigt bezeigt,
Den Fremden kennen zu lernen. Sie folgen also der Leitung
Der spürenden Nase. Man langet an, man steigt
Vom Pferd', und gleich im ersten Entgegengehen
Ist beiden, sie hätten einander schon irgendwo gesehen.

29.

Kaum haben die Herren sich genauer
Ins Auge geblickt, so erkennt mit angenehmem Schauer
Der schöne Amadis stracks im blauen Ritter den Mann,
Der von der Fee, durch die er dem Zauberthurm' entkommen,

(Wovon vielleicht, was unlängst Ferafis Erzählte, noch Spuren in eurem Gedächtniß ließ) An seiner Stelle Besitz genommen, Als seine Phantasie sich abzukühlen begann. Willkommen, ruft er und drückt ihm beide Hände, willkommen, Herr Antiseladon! Wie treffen wir hier uns an?

30.

Gestehen Sie mir's, Herr Bruder, Sie suchen Abenteuer
In diesem Gebirge? — "Nicht daß ich wüßte, versetzt
Der Blaue; man wird der Ungeheuer,
Verwünschten Prinzessinnen, Feen und Riesen und Zwerge zuletzt
So satt, daß einer vor ihnen nach Grönland flüchten möchte,
Und wär' es auch auf einem Fischerkahn'." —
Herr Bruder, das nenn' ich Spleen, erwiedert jener; man dächte,
Was Ihnen die armen Prinzessen und Feen zu Leide gethan. —
"Nur gar zu viel Gutes, Herr Bruder, die reine Wahrheit zu sagen,
Und mehr, als Fleisch und Blut geschickt sind zu ertragen.

31.

Mein Unglück, mit einem Wort', ist —daß ich zu glücklich bin.
Sie halten dieß vermuthlich für baren Eigensinn?

Ich prahle nicht gern, doch so ist wahrlich nicht länger zu leben! Die Damen sollten sich wirklich ein wenig theurer geben. O! goldne alte Zeit, wo bist du hingeflohn, Die einst die zärtlichen Ufer des sanften Lignon beglückte? Als ihren frommen, verliebten, getreuen Seladon Asträa um einen Kuß auf ewig ins Elend schickte; Um einen armen Kuß zu Lindrung seiner Qual, Den er, als Nymphe verkleidet, auf ihren Lippen stahl!

32.

Da Jahre kamen und gingen, eh sich ein Hirt erfrechte
Und, bleicher als ein Gespenst, den Hut in der bebenden Hand,
Mit stammelnder Zunge der strengen Hirtin gestand,
Daß er — doch ihrem Geschmack' am ewigen Jungfernstand'
Unpräjudicirlich — sein Herz ihr gern zum Opfer brächte!
Da man zehn Prüfungsjahre nicht mehr als billig fand,
Und, eh das liebende Paar um den ersten Kuß sich verglich,
Oft mehr als die Hälfte von beider Leben verstrich!" —
Und Sie, ruft Amadis, wollten hiezu die Stimme geben?
Sie wünschten sich wirklich, im Ernst', in Seladons Zeiten zu leben?

33.

Was haben, Grausamer, Ihnen die unsern denn gethan? —
"Herr Ritter, hören Sie nur erst meine Geschichte an,
Sie werden, das bin ich gewiß, mir Ihren Beifall geben;
In einem Stündchen ist Alles abgethan!

Doch lassen Sie uns vorher mit Saft von cyprischen Reben Und einem leichten Mahl, so gut der Mantelsack Von meinem Zwerg' es gibt, die Lebensgeister erfrischen. Für unsers gleichen taugt kein leckerhafter Geschmack; Der Zufall pflegt in Bergen und öden Gebüschen Uns irrenden Rittern gar oft noch schlechter aufzutischen."

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