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C. M. Wieland's Werke.

Fünfzehnter Band.

Zehnter Gesang.

1.

In Hoffnung, der weise Merlin, der unsern Helden schützt,
Werd' in der dringenden Noth, worin wir im neunten Gesange
Ihn ließen, das Beste thun, kehren wir itzt
Zu Dindonetten zurück, die noch in der Höhle sitzt,
Nicht wenig erstaunt, warum ihr Ritter so lange
Bei seinem Geschäfte verweilt. Noch immer donnert und blitzt
Der Wolkenthürmer Zeus, und, ach! so unbeschützt
Zur Stunde, worin die Geister auf Abenteuer gehen,
Im ödesten Walde verlassen sich zu sehen,
So etwas war ihr noch nie in ihrem Leben geschehen.

2.

Indessen, da kein Ritter kommen will,
Kein Geist sich sehen läßt, und Alles wieder still
Im Himmel wird, beginnt sie sich zu fassen
Und denkt: Er fiel wie aus dem Mond' herab,
Just da ich mich dem Faun auf Gnad' und Ungnad' ergab;
Wer hätte von Caramelen sich damals träumen lassen?

Der Zufall kann mir ja wohl noch einmal günstig seyn Und einen Andern in diesen Wald verschlagen; Auf Regen folgt gewöhnlich Sonnenschein, Und morgen ist auch ein Tag, pflegt meine Amme zu sagen.

3.

Was auch die philosophische Zunft
Entgegen haben mag, (die, wie bekannt, den Ammen
Nie günstig war) ich nenne dieß Vernunft!
Mit allen seinen Epigrammen
Ad Marciam sagt Seneca nicht mehr.
Sehr weislich rafft demnach mein Fräulein sich zusammen,
Legt ihre schöne Last, von Schlummerdünsten schwer,
Auf einen Canapee von Moos und dürren Blättern,
Den längst ein Sturm für sie gepolstert, hin
Und überläßt mit leichtem Sinn
Sich selbst dem Schlaf', und ihre Sorgen den Göttern.

4.

Und da sie noch im ersten Schlummer lag,
Zur Stunde, wenn Aurora Stirn' und Wangen
Zu schminken pflegt auf einen Feiertag,
Kommt aus dem innersten Schlunde der Höhle was gegangen;
Ob ein Gespenst, Gnom oder Nekromant,
Ist ungewiß. Ihm hing ein langes Gewand
Von hagern Schultern herab; es trug ein Licht in der Hand,
Auch schien's, als ob es größer mit jedem Schritte werde.
Das Fräulein wäre vor Angst in die Eingeweide der Erde
Gekrochen, hätte der Schlaf den Schreck nicht abgewandt.

5.

Doch, um je bälder ie lieber euch aus dem Wunder zu helfen,
So wisset: es war kein nächtliches Dunstphantom,
Kein Dämon aus der Luft, kein unterirdischer Gnom,
Viel weniger einer von Oberons lieblichen Elfen.
Es war ein Wesen unsrer Art,
Von Fleisch und Bein, trug einen langen Bart
Und Haare, die übel gekämmt ihm um die Lenden schlugen,
Gerade so, wie man in alten Büchern liest,
Daß auf dem Kaukasus einst sich seines gleichen trugen:
Mit einem Worte, der Mann war ein Gymnosophist.

6.

Sein Daseyn ganz dem unverwandten Beschauen
Von dem, was ist, nach Plato — oder, nach Fo,
Von dem, was nicht ist, zu weihen und allen Umgang mit Frauen
(Gift für die Weisheit!) auf ewig zu meiden, entfloh
Der Ehrenmann bereits im Morgen seiner Jugend
In diese Gruft, um in der hohen Tugend,
"Im Dunkeln — nichts zu sehn und, weil er gar nichts thut,
Nichts Böses zu thun," sich ungestört zu üben
Und, unerbittlich den thierischen Trieben,
Das hohe Ideal von Wahr und Schön und Gut
Bloß durch Abstraction zu lieben.

7.

Sein Blut war gleichsam nur ein Blut,
Wie das, so Epikur den Göttern zugeschrieben,

Und daß von Eva's Schlangenbrut Je eine vermögend wäre, ihm sein Gehirn zu verschieben Und irgend ein schlummerndes Fünkchen zur Flamme aufzuwehn, Eh' hätte sich der Mann des Himmels Sturz versehn. "Was wurde (so pflegt' er oft zu einem Narren zu sagen, Der unzertrennlich von ihm in seiner Einsamkeit war, Und den er genöthigt war sogar, Gern oder ungern, beständig mit sich herum zu tragen)

8.

"Was wurde aus allen den Schönen, woran die Dichterschaar
Sich heischer singt, der schönen Magellone,
Der Schönen mit dem goldnen Haar,
Der Königin Genievra, der Leda, der Hesione?
Sieh, Lüstling, sieh den grinsenden Schädel hier,
Statt wallender Locken von Maden umkrochen!
An diesem Schädel hing voll glühender Begier
Ganz Griechenland einst; in diesen faulen Knochen
Zu liegen, war der Wunsch, der Stolz der halben Welt,
Und Amor selbst erhielt ihn nur um bares Geld.

9.

Wie, ekler Sybarit, du schauderst mit Grauen zurücke?
Du würdigst Phrynen jetzt nicht eines deiner Blicke?
Sie, die, zu schön für jedes mindre Lob,
Praxiteles einst zum Venusbild' erhob?"
Ihr glaubet nicht, wie hoch der Mensch die Nase
Empor warf, wenn er sich in diesem Menippischen Ton

Bewies, die Schönheit sey nur eine Seifenblase: Dann lief euch der philosophische Hase In seinen Gedanken mit Ossa und Pelion Und mit der ganzen Welt, wie ein Kind mit der Klapper, davon.

10.

Dann hätt' er sich stark genug gefühlet,
Das nackte Gewimmel der Töchter des alten Ocean
Gleichgültig anzusehen und selbst Cytheren zu nahn,
Wenn Zephyr den schlummernden Amor an ihrem Busen kühlet.
Ein guter Dämon, besorgt für seinen Ruhm,
Führt ihm und seinem Heidenthum,
Da er's am wenigsten sich eingebildet hätte,
Die lang' entbehrte Gelegenheit zu:
Er sieht in ihrer einsamen Ruh,
Bestürzt, doch süß bestürzt, die runde Dindonette.

11.

Er zittert einen Schritt zurück
Und hätte die Lampe beinah vor Schrecken fallen lassen.
Doch einem Manne, wie er, geziemt's, sich schnell zu fassen;
Nichts anzustaunen, ist der Weisheit Meisterstück.
Er wähnt, ihn täusche sein halb benebelter Blick,
Und denkt: "Wie bald ist ein Gespenst gesehen,
Zumal bei falschem Lampenlicht;
Was bildet die Phantasie aus nächtlichen Dünsten sich nicht?
Doch habt ihr Muth genug, dem Geist zu Leibe zu gehen,
So bleibt von zehn nicht einer stehen."

12.

Er hält die Lamp' empor und sieht mit schärferm Blick
Noch einmal — Götter! welch ein Stück
Organisirten Stoffs, zu einem Mädchen gebildet,
Auf dürres Laub gestreckt! Der Lampe Schein vergüldet
Die vollste Brust und ein gerundet Knie,
Wovon der Gott des Schlafs die leichte Draperie
Aus Lüsternheit ein wenig weggeschoben.
Allmählich schleicht der Eremit
Sich immer kühner hinzu und fühlt mit jedem Schritt
Sich mehr erweckt, den Meister so eines Werks zu loben.

13.

Wie Psyche, die Lamp' in der bebenden Hand,
Halb athemlos vor Schrecken und Entzücken,
Als sie den schönsten der Götter in diesem Drachen fand,
Den ihr die Schwestern gedroht, wie Psyche vor Amorn stand
Und ihn verschlang mit unersättlichen Blicken;
So froh bestürzt, nur freilich nicht so schön,
Blieb unser Troglodyt vor Dindonetten stehn;
Und wer ihn dessen straft, dem würd' es ohne Zweifel
An seinem Platze nicht besser ergehn.
Groß ist der Schönheit Macht! Wir sehn's an Miltons Teufel.

14.

Ein einziger Blick auf Eva schläfert die Pein,
Die Furien selbst, in Satans Busen ein;
Er fühlt erstaunt die längst verlernten Triebe

Des ersten Engelstands, vergißt, warum er kam, Ein Tropfen Wonne fließt in seinen ewigen Gram, Und seine Wuth zerschmilzt in Liebe. Indessen müssen wir doch zur Ehre des Weisen gestehn, Für einen Mann, der gänzlich unerfahren In solchen Dingen war und wohl in zwanzig Jahren Nichts halb so Verführerisches gesehn,

15.

Zog seine Gymnosophie sich ziemlich aus der Schlinge.
"Wie? (spricht er zu sich) ich hätte das innere Wesen der Dinge
So lange studirt und darum mich aus der Welt verbannt
Und fühlte vor diesem Skelett von Sehnen, Knorpeln und Knochen,
Mit Muskeln ausgestopft, mit weißem Leder bespannt,
Mein feiges Herz im Busen pochen?
Ei! schickt sich das für einen beinah' entkörperten Geist?
Für einen Geist, der sich mit bloßen Ideen
Schon zwanzig volle Jahre speist!
Nein! nimmermehr soll dieß geschehen!

16.

Ich will Gewalt mir thun, braucht's auch ein wenig Zeit,
Bis meine Vernunft den Zauber der Sinne zerstreut,
Und meine Augen selbst die große Probe bestehen,
Sie, wie sie wirklich ist, nicht, wie sie scheint, zu sehen.
Was halfen dir, mein guter Freund,
Die Weisen, die dich nun schon zwanzig Jahre lehren,
Der Schein sey niemals, was er scheint,

Und Kinder lassen sich nur von dem, was gleißt, bethören? Es sey beschlossen! Ich will so lange vor ihr stehn, Bis mir's gelingt, nur Adern und Knorpel in ihr zu sehn!"

17.

Ein kühner Vorsatz war's, und ihm zufolge lehnt
Der weise Thor dem Mädchen gegenüber
Sich an die Wand und heftet, als wollt' er jede Fiber
Zerlegen, auf ihren Busen, wo Amor schlummernd sich dehnt,
Den anatomischen Blick. Allein, was er gewähnt,
Erfolget nicht. Denn, ach! je länger je lieber
Wird ihm der süße Betrug; bis sich der arme Mann
Die Wirkung seines Versuchs nicht mehr verbergen kann
Und, da die bessere Seele ihn eilends fliehen heißet,
Mit aller Gewalt sich kaum dem täuschenden Zauber entreißet.

18.

Er flieht — "Und konnt' er fliehn?" — Welch eine Frage das ist!
Mein Herr, man ist umsonst wohl kein Gymnosophist:
Er hätte, dächt' ich, die Kunst der Selbstbeherrschung zu lernen,
Doch Zeit genug gehabt. Noch einen einzigen Blick,
Noch einen, den letzten noch und einen noch zurück
Am Ausgang der Höhle, und — nun sich auf ewig zu entfernen,
Der Vorsatz verdiente doch wohl noch einen Seitenblick?
Wahr ist's, so hatte der Mann nach seinen Vettern, den Sternen,
In seinem Leben nie geguckt. Doch alles dieß
Ward wieder gut gemacht, indem er sie verließ.

19.

Nur den Entschluß, sich ganz zu entfernen, verwies
Die Menschlichkeit ihm. Sie so allein zu lassen,
In diesem Gegentheil vom ird'schen Paradies
Das arme Kind vielleicht verschmachten zu lassen,
War grausam. Muß er denn, um nicht zu lieben, sie hassen?
Gibt's keinen Mittelweg? — Ein guter Gedanke! — Gewiß
Gibt's einen Mittelweg! —Zum Häßlichen und zum Schönen
Läßt mit der Zeit das Auge sich gewöhnen.
Gewohnheit — und Sättigung — macht in Kalypso's Arm den Ulyß
Nach seiner Alten und seinen Felsen sich sehnen.

20.

Ihm ekelt vor dem Aufenthalt,
Der einen Gott im Fluge halten würde;
Ein Leben aus Freuden gewebt, wird ihm zur drückenden Bürde,
Und unausstehlich die schönste Nymphengestalt,
Das Schauspiel der schönen Natur, das den so mächtig entzückte,
Der es (wie jener im Plato) zum ersten Mal' erblickte,
Ergetzt den kaum, der täglich es genießt.
Natürlich muß es ihm so mit diesem Mädchen gehen:
Sie, die ihm jetzt gefährlich ist,
Wird er zum zehenten Mal schon viel gelass'ner sehen.

21.

Natürlich folgt hieraus der Schluß,
Daß, eh' er Zeit hat, zu erkranken,
Sich nach und nach ihr Gift verlieren muß. —.
Er irrte noch in diesen weisen Gedanken,

Als zwischen den verwebten Ranken, Die um den Mund der Höhle sich ziehn, Das Mädchen mit irrendem Tritt' und Augen, als suchte sie ihn, Hervor sich wagt. Er sieht ihr durchs Gesträuche Entgegen, und, wenn sie im Schlaf' ein reizend Weib ihm schien, So däucht ihm, daß ihr jetzt der Nymphen Königin weiche.

22.

Wiewohl, die Wahrheit zu sagen, die Grazien eben nicht viel
Für Dindonetten gethan, so gab ihr doch das Spiel
Des Windes mit ihren Haaren und ihre nymphenhafte
Bekleidung, ihr watschelnder Gang und kurz der ganze Ton
Und unbedeutende Ausdruck von ihrer runden Person,
Ich weiß nicht was, worin sich einer leicht vergaffte.
Seit ihrem Abenteuer mit dem Faune hatte für sie
Ein übel gekämmter Mann, mit Katzenfellen behangen,
Nichts sehr Erschreckendes mehr; denn ihre Phantasie
That nichts dabei. Der Mann kam auf sie zugegangen.

23.

"Gut! denkt sie, wenigstens ist's ein Wesen meiner Art;
Was kümmert mich sein Katzenfell, sein Bart?
Gewißlich wird er mich zu essen nicht verlangen."
Wär' es ein hübscher Herr mit feinen glatten Wangen
Gewesen, so hätte sie auch sich nicht darüber betrübt;
Indessen nimmt sie ihn, so gut der Wald ihn gibt.
Und nun erhob sich zwischen ihnen
Ein sonderbares Gespräch, womit wir dem Leser zu dienen
Geneigt sind, wenn wir vorher die Musen, nach Gebühr,
Zu Hülfe gerufen haben. — So höret mich denn, o ihr,

24.

Ihr Musen, denen im Himmel, auf Erden
Und in der fabelhaften Nacht
Der Schatten von Allem, was war und ist und einst soll werden,
Nichts unbekannt ist; die ihr so manche Schlacht,
Von Göttern und Menschen gefochten am Skamander,
Und Alles, was Menschen und Götter unter einander
Gesprochen, und was sie bei Tag und bei Nacht
Gedacht, geträumt, vollbracht und nicht vollbracht,
Dem alten Sänger am Mäander,
Der arm und blind sich sang und Popen reich gemacht,

25.

Zu offenbaren geruhtet — denn, wäret ihr nicht gewesen,
Wo würden wir wohl die schönen Gespräche lesen,
Die Ritter Achilles mit seinen Pferden hielt,
Und alle die feinen Dinge, womit der Wolkentreiber,
Erhitzt vom Gezänke der himmlischen Weiber,
Die göttliche Galle zuweilen sich kühlt? —
Sagt an, ihr Musen, was sprach die Tochter Bambo's, die Runde,
Und welche Antwort ertheilte der Troglodyte darauf?
"Sie schöpfen Luft, mein Herr, in dieser Morgenstunde?"
Und Sie, Madame, stehn mit Auroren auf?

26.

An einer Dame ist dieß was Seltnes! — "Morgenstunde
Hat, sagt das Sprichwort, Gold im Munde;
Wiewohl, die Wahrheit frei zu gestehn,
Nie meine Sache war, sehr zeitig aufzustehn."

Uns andre, mein Fräulein, die nach den Sternen sehn, Heißt sonst gewöhnlich der Tag zu Bette gehn. "Sie sehen also nach den Sternen? Und, wenn man fragen darf, was sehen Sie denn da?" Sehr viel, Madame, sehr viel ist da zu lernen: Wir sehen dort, was geschieht, geschehn wird und geschah.

27.

Durch der Gestirne allmögende Influenzen
Erstreckt sich die Macht der Söhne der heil'gen Theurgie,
Der weisen Meister, bis an die äußersten Gränzen
Von beiden Welten. In Luft und Ocean
Und in der Erde sind uns die Geister unterthan;
Wir herrschen unbeschränkt in jedem Elemente.
Gedankenflügel sind nicht so geschwind,
Als ich dieß Alles, wovon umgeben wir sind,
Wenn ein gewisser Stern mir seinen Einfluß gönnte,
In klares Gold verwandeln könnte.

28.

Ein diamantner Palast, mit Marmor incrustirt,
Erhöbe sich aus diesem öden Sande,
In einem Augenblick bis in die Wolken geführt,
Und ringsum sollten in Florens reichstem Gewande
Die Gärten der Hesperiden, wie Paradiese, blühn.
Der Weise, dem die Natur zu ihrem Magazin
Den Schlüssel gab, thut dieß und größre Sachen
In einem Augenwink. — "Das wär' erstaunlich, spricht
Das Fräulein und sieht dem Mann' erwartend ins Gesicht;
Darf man Sie bitten, die Probe gleich auf der Stelle zu machen?"

29.

Madame! versetzt der neue Trismegist,
Wiewohl es Kleinigkeit für meines gleichen ist,
So muß ich doch um etwas Aufschub bitten.
Zwar nähert sich bereits mit immer stärkeren Schritten
Das große Werk dem Punkt der Zeitigung,
Das Werk, worüber ich schon zwanzig Jahre wache.
Schon badet in Morgenroth sich der grüne kadmeische Drache,
Nachdem es ihn zahm zu machen Dianens Tauben gelung;
In wenig Tagen, vielleicht in wenig Stunden
Wird ihres astralischen Sohns das mystische Weib entbunden!

30.

Hat dieser große Moment sich einmal eingestellt,
O! dann, Madame, ist unser die Welt!
"So machen Sie ja, mein Herr, daß Alles je bälder je lieber
Zu Stande kommt! Ich brenne vor Ungeduld."
Ich selbst nicht minder; auch wär' es längst vorüber,
Der Aufschub ist nicht meine Schuld;
Ein Umstand hält mich auf, ein Umstand, den ich immer
Vergebens gesucht. Vielleicht hat diese Nacht
Mich unverhofft ans Ziel gebracht:
Mir glänzt in Ihren Augen ein starker Hoffnungsschimmer.

31.

"In meinen Augen? wie so?" — Geduld! und hören Sie an!
Wie Hermes in seinem Buch vom Steine sagt, so kann
Das große Werk allein durch einen reinen Mann,
Der nie von Amors Fackel brannte,

Und eine Jungfrau, die noch kein Mann erkannte, Zu Stande kommen. Sie sehn die Schwierigkeit, Dieß Paar zu finden; man reisete weit und breit Und suchte vergebens. Doch, fänd' es sich endlich, so müssen Sie beide bei mitternächtlicher Zeit In eine Grotte sich verschließen

32.

Und, während der Vogel der Sonne in ihren Flammen reift,
Sich ansehn, stumm und kalt, ohn' alle sinnliche Regung,
Wie Geister, welche bereits den Körper abgestreift.
Denn nur die allerkleinste Bewegung,
Der kleinste Versuch, den Raum, der sie, drei Schritte weit,
Entfernt, zu verkürzen, die kleinste Lüsternheit,
Wär's auch nur, mit den Fingerspitzen
Sich anzurühren, erschreckt, verjagt, zerstreut
Die reinen solarischen Geister, die um den Tiegel sitzen
Und seine hermetische Glut mit ihren Flügeln erhitzen.

33.

Kurz, zeigte sich nur ein Glimmer von Begier,
(So lang' im Kreise wir stehn und unverwandt einander
Betrachten) worüber ein ekler Salamander
Die Nase rümpfen könnte, weg ist mein Elixir!
Ja, selbst die Hoffnung ist hin, den Fehler gut zu machen.
"Mein Herr, Sie sagen mir da sehr wunderbare Sachen,
(Versetzt die Schöne) indessen, wofern Sie nichts dazu
Als eine Jungfer bedürfen, die ohne böse Lüste
Zehn Jahre, wofern Sie wollen, so kalt wie eine Büste
Sie anzuschaun sich getraut, so leben Sie immer in Ruh!

34.

Die Jungfer, mein Herr, bin ich!" — So bin ich glücklich, erwiedert
Der weise Mann; denn ich, der seit dem zwangstigsten Jahr
Den Theil bekämpfe, der mich den Thieren des Feldes verbrüdert,
Und ihn zu dämpfen schon längst so glücklich war;
Der jenseits der Sterne weit mehr als diesseits der Sonnenbahn lebe,
Ich bin wohl nicht zu stolz, wenn ich für das mich gebe,
Was in noch größerer Seelengefahr
Xenokrates einst an Phrynens Seite war.
Auf diese Nacht demnach! — "Ich wollte, rief Dindonette,
Die Sonne ginge sogleich in dieser Minute zu Bette."

35.

Inzwischen that der Mann sein Möglichstes, bis dahin
Das Fräulein zu unterhalten, und baute die prächtigsten Schlösser
Mit Hülfe des Steins, wovon er in seinem Sinn
Schon Meister war. Doch, ob ihr desto besser
Die Wurzeln und Haselnüsse geschmeckt,
Womit er gastfrei ihr die Mittagstafel deckt,
Ist zweifelhaft; wiewohl er, die Mahlzeit nachzubessern,
In seinen dereinst zu erbauenden Schlössern
Auf Kosten der guten Fee Mab
Ein wahres Göttermahl ihr gab.

36.

Auch spart er den Athem nicht, der rundesten aller Seelen
Die edle hermetische Zunft und die Philosophie

Der Weisen am Nil' und Orus zu empfehlen. Es war dem Fräulein, sie höre den blauen Bart erzählen; Auch schlief sie endlich so sanft, als da die Amme sie Noch wiegte, darüber ein. Durch dieses Mittel verstrichen Zwei Drittel vom Tage, sie wußte selbst nicht wie, Und endlich kommt die Nacht heran geschlichen, Worin das Werk, dem sie erwartungsvoll Entgegen sieht, vollendet werden soll.

37.

Schon steht mit fliegendem Haar' um ihren weißen Nacken
Die Tochter Bambo's im Kreise; schon blasen aus vollen Backen
Die Sonnengeister in die Glut —
Allein, weil unsern Helden und seine Dame der Wuth
Des wilden Boreas noch ausgesetzt zu sehen
Uns Unruh macht, so mag das Fräulein wohlgemuth
Im Schutz der solarischen Geister noch eine Weile stehen:
Wir werden zu rechter Zeit schon wieder nach ihr sehen.
Jetzt eilen wir, Chatouilleusen und unsern Paladin
Aus einem der kindlichsten Händel, wo möglich, heraus zu ziehn.