C. M. Wieland's Werke.
Zwölfter Band.
IV. Am 24. October 1784.
Der Wonnetag, der Dich geboren, Erhabne Fürstin, kam heran, |
Du weißt, daß unter andern Gaben Wir Dichter auch das Vorrecht haben, Daß alle Geister, braun und weiß, Aus Luft und Wellen, Thal und Hainen, Uns auf den ersten Wink erscheinen. Es braucht da keinen Zauberkreis, Noch Zauberrauch, noch Zauberworte, Noch Fallbrett, noch geheime Pforte; Es braucht, um aus der andern Welt Sie stracks herunter zu citiren, Vor keinem Ball, von Dunst geschwellt, Erst Stroh und Wolle anzuschüren; Noch läßt man, sie zu attrahiren, Sich um sein bares, blankes Geld Von Mesmern erst magnetisiren: Kurz, ohne Schwarzkunst und Magie, Theosophie und Panurgie Und andre Kunstmaschinerie Muß über, unter und auf der Erden Gott, Göttin, Halbgott und Genie Uns, wenn wir rufen, sichtbar werden. |
Kaum also, daß der Ruf geschah, So stand, auf ihrem luft'gen Wagen Von Schmetterlingen hergetragen, |
Zwar prangt ihr reiches Unterkleid Mit tausend niedlichen Bouqueten, Die mit Geschmack und Leichtigkeit Sich zierlich in einander ketten; Auch breitet sich ein großer Strauß Von Anemonen, Veilchen, Nelken Und Rosen, welche nie verwelken, Gar stolz an ihrem Busen aus; Man schwüre drauf, er sey natürlich Und blüh' und dufte: aber, ach Die Blumen blühen nur figürlich! Sie wurden unter B**s Dach |
Ich sehe, sprach die Göttin, Freund, Daß dir zu einem solchen Feste, Wie alle Götter heut vereint, Mein Aufzug etwas seltsam scheint. Du siehst das Werk der frühen Fröste: So hausen die Octoberweste! Fürwahr, es ist bejammernswerth, Wie sie in meinem Eigenthume Geschaltet, Alles umgekehrt, Entfärbt, zerknickt, versengt, zerstört; So daß ich gegen mein Costume Sogar mich selber, mit Verdruß, In Contrebande kleiden muß. Denn, leider! auch nicht eine Blume Blieb mir anstatt der Händevoll, Womit ich dich bedienen soll. Ein einzig Röschen, spät geboren, Wärmt' ich an meinem Busen auf; Wie viele Sorge wandt' ich drauf! Das letzte Lieblingskind von Floren War für Olympiens Fest erkoren; Du hättest ihr's in voller Pracht |
Soviel ich mich erinnern kann, Sah Flora hier mich lächelnd an, Indem ich mit gesenkten Ohren Kopfschüttelnd ihr vorüber stand Und Antwort suchte und nicht fand. |
In einem Nu erfüllt mein Zimmer Mit süßem Duft' ein bunter Schimmer, Dem ähnlich, der im Sonnenlicht Aus einem Tulpenfelde bricht. Behangen sind mit Blumenketten Die Wänd' umher, ein Baldachin Von Hyacinthen und Tazetten Umwölbt die Blumenkönigin, Und tausend junge Zephyretten, An Flügeln Amors Psyche gleich, An Farben gleich den Schmetterlingen, Umfächeln sie mit seidnen Schwingen Und bilden mir ihr Zauberreich. |
Du Sohn des alten Schwans am Bober, (So hör' ich, wie die Göttin spricht) Der vierundzwanzigste October Bedarf entlehnten Schmuckes nicht. Ihm wird so leicht von andern Tagen Sich keiner gleich zu stellen wagen; Ihm, der des Engels stolzen Flug Bestrahlte, der ins Erdeleben |
Indeß, wiewohl, an diesem Fest' Ihr Zeichen meiner Gunst zu geben, Die Zeit mir freie Hand nicht läßt, Nichts soll in fünfzig künft'gen Lenzen Die nie ermüdende Begier, Olympien zu gefallen, ihr Getreu zu seyn, in mir begränzen. Ihr Hain sey künftig mein Revier; Ihn soll ein ew'ger Frühling kränzen, Und wo sie hinblickt, wo sie harrt, Soll Florens stille Gegenwart Ihr überall entgegen glänzen! Mein bestes Nachtigallen-Chor Soll ihr Erwachen laut begrüßen, Und Blumen immer neu hervor Aus jedem ihrer Tritte sprießen. Will sie sich selbst Gesellschaft seyn, Soll plötzlich sie im stillen Hain Der schönste Rosenbusch umweben; In seiner Blätter leisem Beben Schein' ihr ein Genius zu schweben Und lade sie zum Denken ein. Wird ihre Hand den Reißstift halten, So soll auf immer neuer Spur In tausend wechselnden Gestalten |
Mit diesem Wort verschwand der Baldachin Von Hyacinthen und Tazetten, Die schöne Blumenkönigin Und alle ihre Zephyretten. Frau Göttin, rief ich ihr, (ihr, die so viel versprach, So wenig that) indem sie aufflog, nach: Versprechen zeugt von gutem Willen; Es kostet nichts und klingt doch fein; Vergiß nicht, wenigstens die Hälfte zu erfüllen. Wir wollen dir noch immer dankbar seyn. |