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Kapitel 

C. M. Wieland's Werke.

Zwölfter Band.

II. Wettstreit der Malerei und Musik.

Im Jahre 1781.

Zwei Musen, deren Zwist zu steuern
Drei weise Männer unsrer Zeit
Viel Aufwand von Beredsamkeit
Und Witz gemacht, begannen ihren Streit

Am vierundzwanzigsten des Weinmonds zu erneuern. Den andern Musen ward die Weile lang dabei; Es schien, als ob der Zwist zu mehr nicht nütze sey, Als beider Galle zu versäuern.

Ihr Kinder, sprach zuletzt der schöne Gott des Lichts,
Laßt eure Zungen einmal feiern!
In diesem Streit, ich kann's beim Styx betheuern,
Hilft Lock' und Wolf und Plato selber nichts,
Als eure Eifersucht vergeblich anzufeuern;
Denn so viel zeigt sich angesichts,
Du kannst nicht malen, sie nicht leiern.
Was jede kann, ist gut in seiner Art,
Ihr wirket einzeln viel und drei Mal mehr gepaart;
Doch, welche mehr? soll jetzt die That entscheiden.
Laßt sehn und hören, was ihr könnt,
Um einer Fürstin, die euch beiden
Gleich hold ist — (Jhren Namen nennt
Euch euer Herz)— und die von ihrem schönen Leben
Euch immer wechselsweis den schönsten Theil gegönnt,
Was sie um euch verdient, Unsterblichkeit, zu geben.
Ich bin bereit, rief Polyhymnia.
Und Alles schwieg und lag in stiller Feier;
Und jedes Herz schlug höher, jedes Auge sah
Entzückt empor, da ihrer goldnen Leier
Die Harmonie bald zaubrisch süß entfloß,
Bald majestätisch sich wie Meereswogen wälzte,
Bald Feuerströmen gleich aus Donnerwolken schoß;
Die Seelen bald in Liebeswehmuth schmelzte,

Bald kühn und stolz, mit immer höherm Flug, Dem Adler gleich, zum Sitz der Götter trug.

Die Aganippe vor Vergnügen
Hielt ihren Strom zurück, es schien der Lorberhain
Zum himmlischen Getön die Wipfel hinzubiegen,
Und in den Lüften hielt im Fliegen
Der Vögel Schaar auf einmal lauschend ein.
Die Musen sahn einander an und schwiegen,
Apollo lächelte, und Polyhymnia,
Die, was man ihr verschwieg, in jeder Miene sah,
Verbirgt in Kalliopens Busen
Ihr glühendes Gesicht. Ein ander Mal, mein Kind,
Vergiß nicht, spricht der Gott der Musen,
Daß selbst der Götter Ohren — blind,
Und alle deine Zaubereien
Nur lieblicher Tumult und dunkle Räthsel sind,
Wenn andre Musen dir nicht ihre Sprache leihen.
Jetzt warf er einen Blick dahin,
Wo, mit Palett' und Pinsel in den Händen,
Apellens schöne Lehrerin
Beschäftigt stand ein Bildniß zu vollenden,
Das mit dem letzten Pinselstrich
Ins Leben sprang und ganz in allen Zügen
Der Fürstin, die er liebte, glich.
Zu ihren Füßen sah man liegen,
Was größern Glanz ihr schuldig war, als gab,
Den Fürstenhut, den goldnen Hirtenstab;
Ihr huldigten, mit einer Blumenkette

Umschlungen von den Grazien. Die Musenkünste in die Wette Und alle milde Tugenden; Und über ihr, aus eines Volkes Mitten, Von ihr als Mutter einst beglückt, Sah man die Töchter Zeus, die demuthsvollen Bitten, Vom frommen Dank' emporgeschickt, Mit heißen Wünschen für ihr Leben Hinauf zum Thron des Göttervaters schweben.

Die Musen hatten kaum das Bild erblickt,
So flogen sie, die Schwester zu umarmen.
Es ist Olympia! rief jeder Mund entzückt:
Und Klio trug das Bild in ihren Armen
Die Stirn des Musenbergs hinauf
Und hing es am Altar des ew'gen Ruhmes auf.