C. M. Wieland's Werke.
Zwölfter Band.
I. Zweierlei Götterglück.
Am 24. October 1777.
1. |
Der Götterstand —sprach einst von seinem Wolkenthron Der Sultan im Olymp zu Majens schönem Sohn — Der Götterstand, Herr Sohn, um ihm sein Recht zu geben, Ist (unter uns) beim Styx! ein schales Leben. Ja, wer nur nicht dazu geboren wär', Und allenfalls auf acht bis vierzehn Tage, Da ließ' ich's gelten! Aber mehr Wird Unsrer Deität am Ende sehr zur Plage. Man kriegt zuletzt des Weihrauchs so genug! Und für und für zum Dudeldum der Sphären Die Grazien tanzen sehn, die Musen singen hören, Und immer Ganymed mit seinem Nektarkrug, Ich sage dir, man kriegt's genug! Dann noch dazu den ew'gen Litaneien Des Erdenvolkes die Ohren herzuleihen! |
Mercur gehorcht, und, ohne anzufragen, Ob Juno nach dem Erdenplan Was zu bestellen hat, und ohne Donnerwagen Schleicht Jupiter sich weg und wird bei Leda — Schwan. |
2. |
Von feinerem Gefühl getrieben Vertauschte mit dem Hirtenstand Apollo den Olymp. Er stieg herab und fand Die Menschen, die man ihm bald gar zu gut beschrieben, Bald gar zu schlimm, wie's immer pflegt zu gehn, Erträglich erst und endlich gar zum Lieben. |
Was von Thessaliens Volk Apoll Nicht Alles lernte! Tausend Sachen, Wovon euch Göttern nie ein Wörtchen träumen soll: Den losen Scherz, das wohlgemuthe Lachen, Gedrückt von keinem Zwanggesetz, Und ohne Absicht, ohne Schraube, Das trauliche, gutlaunige Geschwätz Beim Abendstern in einer Sommerlaube, Und o! den großen Talisman, Mehr freie Herzen zu gewinnen, |
Stracks geht er hin und macht aus seinem Bogen Ein Werkzeug des Gefühls; der Dolmetsch süßer Pein, Die neue Leier, liegt, mit Saiten straff bezogen, In seinem Arm' und schwirret durch den Hain. |
Apoll behielt in seinem Hirtenstande |
3. |
Der Ruhm, dieß Wunder zu erneun, Olympia, der seltne Ruhm, sey Dein! Der schönste aller Deiner Preise! Wohl Dir, die in dem Weihrauchkreise Der Erdengötter nicht den hohen Sinn verlor Für Freiheit und Natur, nach alter deutscher Sitte |
Was ist's, das uns Olympiens hehren Wald Zum Zaubergarten macht, zum Tempel schöner Freuden, Zu dem man eilt, um zögernd draus zu scheiden? Sie selbst! — O! würde sie zu ihrem Aufenthalt Der rauhsten Alpe Gipfel wählen, Der rauhsten Alpe würde bald |
O Fürstin, fahre fort, aus Deinem schönen Hain Dir ein Elysium zu schaffen! Was hold den Musen ist, soll da willkommen seyn! Doch Allen, die in deine Wildniß gaffen Und nichts darin als — Bäume sehn, Dem ganzen Midasstamm der frost'gen langen Weile |
Und so, Natur, und ihr, geliebte Pieriden, Pflegt eurer großen Priesterin! Ihr sey das schönste Los des Erdenglücks beschieden, Zur Lust an euch ein immer offner Sinn, Ein immer fühlend Herz und eine Quelle drin, Die nie versiegt, von süßem innern Frieden! Was sonst die Sterblichen zu wünschen sich ermüden, Ist gleich der Flut im Faß der Danaiden: Und schöpften sie äonenlang hinein, Es würde niemals voller seyn. |