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Kapitel 

C. M. Wieland's Werke.

Dritter Band.

Buch 2.

S. 26. Z. 1. Beim Anubis — einer ägyptischen Gottheit (in einer männlichen Figur mit dem Kopf eines Hundes gebildet), die in den meisten Hinsichten dem Hermes der Griechen oder Mercur der Römer entspricht, schwor Sokrates.S. 26. Z. 9. Agesilas — Der Reim muß die kleine Freiheit entschuldigen, daß der Name Agesilaus h!er in französischer Gestalt erscheint. Dieser berühmte spartanische König war ein so gefälliger Vater, daß er einsmals von einem seiner Freunde überrascht wurde, da er mit seinen Kindern auf dem Steppenpferde herumtrabte. Sage ja Niemanden etwas davon, sagte Agesilaus zu ihm, bis du selbst Vater bist. W.S. 26. Z. 16. 17. Die Philosophie, die keine Bohnen ißt — Die Pythagorische. Das Gebot ihres Meisters, sich der Bohnen zu enthalten (über dessen wahren Grund schon viel Vergebliches geschrieben worden ist), wurde von den ersten Pythagoräern so heilig beobachtet und so weit getrieben, daß einige von ihnen, da sie sich vor ihren nachsetzenden Feinden nicht anders als durch ein Bohnenfeld retten konnten, lieber den Feinden in die Hände liefen — si fabula vera est. W.S. 26. Z. 18. Skytihschem Ergetzen — Die Skythen galten den Alten für das roheste Volk. Skythisch ist daher das Rohe, Ungeschliffene.S. 27, Z. 2. Menander — Ein Lustspieldichter der Griechen, Goldoni der Italiener.S. 27. Z. 12. Dialektische Mäander — Irrgänge der Disputirkunst. Von dem Mäander, einem wegen seiner vielen Krümmungen und Windungen berühmten Flusse in Kleinasien, haben die Irrgewinde und Alles, was sich durch viele und ungewöhnliche Windungen auszeichnet, denselben Namen erhalten.

S. 28, Z. 9. 10. Für die Ehre der Apathie — So nannten die Stoiker die vollkommene Gleichgültigkeit ihres Weisen gegen alle sinnliche Eindrücke von Schmerz und Vergnügen, die ihn natürlicher Weise allen Leidenschaften unzugänglich machen mußte. S. 29. Z. 2. Die Tafel, die Ganymedes deckt — ist die Göttertafel.S. 30. Z. 7. Der Regel nach. die Catius erdachte — "Kommt (sagt dieser durch seine von Horaz aufbehaltenen Aphorismen aus der Küchenphilosophie berühmt gewordene Epikuräer)

"Kommt unvermuthet dir des Abends spät
Ein Gast noch auf den Hals, so laß dir rathen,
Das alte zähe Huhn (womit die Noth
Dich ihn bewirthen heißt), damit es ihm
Nicht in den Zähnen stecken bleibe, in
Falerner Moste zu ersticken —" W.
S. 31. Z. 10. Der Weise nur sey groß u. s. w. — Bei dieser Stelle, die mehrere stoische Sentenzen zusammenfaßt, diente zum Vorbild Horaz, Brief I. 1, 127 fg.
Summa, der Weis' ist unter dem einzigen Jupiter, ist reich,
Edel und frei, bildschön und geehrt, ja der Könige König,
Auch vorzüglich gesund, nur nicht, wenn der Schnupfen belästigt.
S. 31. Z. 22. Sohn der Myrrha — Dem Adonis, dem geliebtesten unter ihren sterblichen Günstlingen. W.S. 32. Z. 10. 11. Die mit ihren Flügeln noch im Schlamm des Stoffes stecken —Anspielung auf eine von den Pythagoräern und von Plato aus einer uralten morgenländischen Vorstellungsart angenommene Lehre von der dämonischen Natur der menschlichen Seele, ihrer Präexistenz in der Geisterwelt und ihrem Sturz in die Materie, wovon der göttliche Plato in seinem Phädrus, im zehnten Buche von den Gesetzen, im Timäus u. a. O. uns mancherlei schwer zu begreifende Dinge offenbart. W.S. 32. Z. 18. Korybanten (Trembleurs, Kopfschüttler)— hießen, von ihren heftigen Verdrehungen, die tanzenden Priester der Kybele.S. 32. Z. 20. Fing jetzt Theophron an — Aus dem, was der Dichter diesem Philosophen in den Mund legt (so wie aus einer Anführung des Scipio, ja sogar des salomonischen Siegels, weiter unten), muß man schließen, daß er in eine Zeit gesetzt werde, worin platonische und

pythagoräische Philosophie längst in einander geschmolzen und eben dadurch verunstaltet waren. Die Ideen als Urbilder der wirklichen Dinge gehören dem Platon, die geheimnißvollen Zahlen und die Musik der Sphären dem Pythagoras zu, der bei jenen eine Theorie der Zeit und des Raumes, bei dieser eine allgemeine Harmonie des Weltalls als tiefer Denker ahnete. Das Vielverwirrte, welches Spätere hinein gebracht haben, zu lösen, ist hier der Ort nicht. Wieland wollte hier nur den Mißbrauch dieser Lehre darstellen, dem wahren Werthe derselben läßt er hier und anderwärts volle Gerechtigkeit widerfahren. Was weiter unten vom Tod der Sinnlichkeit und magischen geheimen Reinigungen gesagt wird, gehört ebenfalls den späteren schwärmendes Pythagoräern und den mit ihnen verschmolzenen Geheimnißkrämern aus der orphischen Schule (Orpheotelesten) zu.S. 33. Z. 6. Virgils Silen — S. Virgils Ekloge 6.S. 34. Z. 8. Sinus und Tangenten — Ob Wieland bei diesen mathematischen Ausdrücken nicht an den Wortsinn zugleich schalkhaft gedacht habe, überlasse ich Jedem selbst zu entscheiden.S. 34. Z. 10. Contour — Das Wort Contour (Contour, Conturno) scheint uns unter diejenigen ausländischen Kunstwörter zu gehören, welche man sonst, aus Ermangelung eines gleichbedeutenden deutschen Wortes immer nur durch Umschreibung zu geben genöthigt wäre: denn Contour und Umriß sind keineswegs gleichbedeutend. Umriß heißt bloß das, was von der Form eines Körpers durch den Sinn des Gesicts erkannt wird; Contour hingegen bezeichnet eigentlich die Vorstellung, die wir von einer körperlichen Form vermittelst des Gefühls und Betastens erhalten. Es ist eine bloße Täuschung — nicht unsrer Sinne, sondern unsers voreiligen Urtheils, wenn wir den Contour eines Körpers (z. B. der Sphären, wovon hier die Rede ist) zu sehen glauben. Bevor wir ihn durch das Gefühl ausgetastet, haben wir von seiner Form nur eine sehr mangelhafte Vorstellung, weil uns das Auge nicht mit der Dichtkeit, Rundung, Eckigkeit, Glätte, Rauheit u. s. w., sondern bloß mit der heller oder dunkler gefärbten Oberfläche der Körper bekannt macht. W.S. 34. Z. 11. Lambert — (geb. 1728 zu Mühlhausen im Sundgau, gest. zu Berlin 1777), gehört zu den vorzüglichsten Mathematikern und Philosophen des vorigen Jahrhunderts.S. 35. Z. 5. Der Weg, den Prodikus — —malt — Der Weg der Tugend, in der Erzählung von Hercules auf dem Scheidewege, auf welche im ersten Buche schon angespielt wird. W.

S. 35. Z. 8. Amathunt (Amathus, daher Venus Amathusia)— Stadt an der Südküste Cyperns, ein der Venus geweihter Ort.S. 35. Z. 9. Sybarit — Die Bürger von Sybaris, einer Stadt in Großgriechenland, waren wegen ihrer ausnehmenden Weichlichkeit und Schwelgerei in der alten Geschichte berüchtigt.S. 36. Z. 4. Das uns zu mehr als Göttern machen kann — Denn, da die Götter keine Bedürfnisse und also auch keine Leidenschaften haben, so würde ein Sterblicher . der es in der Apathie so weit als ein Gott bringen könnte, eben darum, weil sie nicht eine nothwendige Eigenschaft seiner Natur, sondern ein Werk seines freien Willens und eines nicht immer leichten Sieges über seine Sinnlichkeit wäre, mehr als ein Gott seyn. Daher sagt Seneca: "Est aliquid quo Sapiens antecedat Deum; ille naturae beneficio non timet, suo Sapiens." (Epist. 53.) Und an einem andern Orte: "Sapiens tam aequo animo omnia apud alios videt contemnitque quam Jupiter; et hoc ae magis suspicit, quod Jupiter illia uti non potest, Sapiens non vult." (Epist. 73) W.S. 37. Z. 14. Muß man, wie Scipio —— hören — Anspielung auf eine Stelle in dem bekannten Traumgesichte des Scipio, dem schönsten Fragmente, das sich von dem verloren gegangenen Werke des Cicero, de Republica, erhalten hat, worin die Harmonie, die aus den verschiedenen Intervallen der Bewegung der Planetenkreise und des Sternhimmels entstehen soll, nach pythagorischen Begriffen, wiewohl nicht sehr verständlich, beschrieben wird. Cicero läßt den jungen Scipio diese himmlische Harmonie in feinem Traumgesichte hören; Pythagoras hatte, nach der Versicherung seinem Legendenschreibers Iamblichus, daß Vorrecht, sie sogar wachend zu vernehmen; und die Ursache, warum sie nicht von Jedermann gehört wird, ist bloß, weil vieles Getön so stark ist, daß es unser Ohr gänzlich übertäubt. Hoc sonitu oppltetae aures hominum obsurduerunt, nec est ullus hebetior aensus in vobis. Somn. Scip. c. 5. W.S. 37. Z. 11. 16. Auch die Musik bezähmt die wilde Leidenschaft — Die glaubwürdigsten Schriftsteller behaupten, daß Pythagoras nicht bloß die Musik liebte, sie für sich und seine Jünger gebrauchte, um sich entweder von den Anstrengungen des Nachdenkens zu erholen oder zum neuen Nachdenken sich zu ermuntern, sondern es wird uns sogar erzählt, er habe durch besondere Melodien jede Art von Leidenschaft theils erregen, theils unterdrücken können; durch Musik habe er sich und seine Jünger zu sanften und tugendhaften Empfindungen gestimmt, die Ausbrüche wilder Leidenschaften zurückgehalten und zu guten Entschließungen

aufgemuntert. Aber nicht bloß als Kunst trieb Pythagoras die Musik, sondern ward auch hier Erfinder, wie sich daraus schließen läßt, daß eine Reihe von 8 Tönen die pythagoräische Lyra (octochorda Pythagorae) genannt wird; ja er erhob die Musik zum Range einer mathematischen Wissenschaft, indem er die Ursache der consonirenden Intervalle entdeckte. — Darf man sich wundern, daß das System solch eines mathematisch-musikalischen Geistes sich mit der Weltharmonie und der Musik der Sphären endigte? Der Gedanke gehört gewiß zu den erhabensten, die in einem menschlichen Geiste aufgestiegen sind.S. 38. Z. 11. 12. Nicht schöner malt —Alban —Franz Albano, geb. zu Bologna 1578 und gest. daselbst 1660, ein Schüler des Caracchi, behandelte am liebsten und glücklichsten anmuthige Sujets, wobei er Weiber und Kinder anbringen konnte, die er mit einem eigenen Reize darzustellen wußte. Ueber seine Nymphen und Amoretten ist eine freundliche Grazie ausgebreitet.S. 38. Z. 19. Ein Pythagor'sches Schweigen — Pythagoras hatte sein Institut nach der Weise der ägyptischen Priesterinstitute organisirt, und bediente sich der Classem, in welche seine Jünger eingetheilt wurden, zu einem politischen Zwecke. Für jede gab es eigne Gesetze, und zu diesen gehört auch ein dreijähriges Stillschweigen, welches den Mitgliedern der ersten Classe auferlegt wurde, und welches von den Bedächtigsten dahin erklärt wird, daß jedes Mitglied einige Jahre nach seiner Aufnahme bloß zuhören und nicht selbst lehren solle.S. 39. Z. 25. 26. Die Seele, die unterm Zwerchfell thront —Plato gibt in seinem Timäus dem Menschen drei Seelen, wovon die erste göttlicher und unsterblicher Natur ist und ihren Sitz im Haupte hat, von den beiden andern sterblichen aber die eine die Brusthöhle und die andere (deren Begierden bloß auf Befriedigung der körperlichen Bedürfnisse gehen) die Gegend zwischen dem Zwerchfell und Nabel zu ihrer Wohnung angewiesen bekommen hat, "wo sie (sagt der hochweise Timäus), gleich einem Thiere, das nichts zu thun hat, als zu fressen, an die Krippe angebunden, so weit als möglich von dem denkenden und regierenden Princip entfernt worden ist, um dasselbe desto weniger durch ihr Geräusch und Geschrei nach Futter in der Ruhe zu stören, deren es, zu der ihm obliegenden Besorgung dessen, was Allen zuträglich ist, vonnöthen hat." W.S. 41. Z. 2. Ein schläfrig Ohr entgegen — Anspielung auf die Stelle in der neunten Satire des ersten Buchs der Horazischen Satiren:

Demitto auriculas ut iniquae mentis asellus
Dum gravius dorso subiit onus. W.

S. 41. Z. 8. In Circens Stall — Worin die Menschen bekanntlich in Schweine verwandelt waren.S. 41. Z. 9. Den Lieblingstanz der Halle — Der stoischen Philosophie, die von der vornehmsten der Hallen oder bedeckten Säulengänge) in Athen, welche gewöhnlich, wegen der Gemälde, womit sie geziert war, die Poikile (die bunte) genannt wurde, ihren Beinamen erhielt und, so wie diese Halle selbst, auch die Stoa schlechtweg hieß, weil Zeno und seine Nachfolger in derselben öffentlich zu lehren pflegten. W.S. 41. Z. 12. Als der Planetentanz — Vermuthlich ein Pythagorischer Tanz, der die Bewegungen der Planeten nachahmt. Es scheint hier auf eine Stelle in Lurian Dialog über die Tanzkunßt gedeutet zu werden, wo Lycinus sagt: "Die Tanzkunst habe mit dem ganzen Weltall einerlei Ursprung und sey mit jenem uralten Amor des Orpheus und Hesiodus zugleich zum Vorschein gekommen. Denn (setzt er hinzu) was ist jener Reigen der Gestirne und jene regelmäßige Verflechtung der Planeten mit den Fixsternen und die gemeinschaftliche Mensur und schöne Harmonie ihrer Bewegungen anders, als Proben jenes uranfänglichen Tanz's?" W.S. 41. Z. 15. Aegypter und Chaldäer erfahren seine Wuth — Will vermuthlich so viel sagen, Kleanth habe seinen Eifer gegen die Pythagorisch seyn sollen den Thorheiten des Theophron bis zu einem Ausfall gegen die alten chaldäischen und ägyptischen Weisen getrieben, von welchen Pythagoras, nach der gemeinen Sage, die vornehmsten Lehren und den Geist seiner Philosophie geborgt haben sollte. W.