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C. M. Wielands Werke.

Sechsundzwanzigster Band.

Zweiter Gesang.

Nunmehr stieg der Mittag in seinem Glanze zur Erde,
Und die Stunde mit ihm, die Sarah so sehnlich verlangte.
Isaak kam von Knechten aus Nahors Hause begleitet.
Auf dem Hügel, von dem er mit frohem verweilendem Auge
In die Thäler von Mamre herabsah, empfingen ihn jauchzend
Seine Gespielen, zwei blumichte Chöre; sie tanzten und sangen.
Isaak stieg vom Kamel, dann fiel er in Asaels Arme,
Seines Geliebtesten, küßte dann Abel und Dedan und Karmi,
Liebenswürdige Knaben in Abrahams Hause geboren.
Aber sein Herz befahl ihm zu eilen; das Wiedersehen
Seiner Gespielen beflügelte nur die fromme Begierde,
Sarah wieder zu küssen, und Abrahams Knie zu umfassen.
Beide erwarten ihn, doch nicht mit gleicher Empfindung,
Unter der hohen Cypresse, die über der Hütte sich wölbte.
O wie hüpft' ihm sein Herz! Wie flog er in Sarens Umarmung!
Auch sie eilet ihm selber mit zärtlich verbreiteten Armen
Liebreich entgegen, und küßt ihn, und drückt ihn mit inniger Liebe
An ihr schlagendes Herz, das ihr von wallenden Freuden
Sanft im Busen zerfloß. So umfängt den edeln Geliebten
Eine zärtliche Braut; er war, das Schicksal befahl es,
Sieben langsame Jahre von ihr entfernet; jetzt führt ihn
Ihrer würdig die Vorsicht zurück; der schönste der Tage,

Seiner Hoffnungen Lohn, eilt mit ihm, die zärtliche Schöne Flieget ihm zu, und windet entzückt die liebenden Arme Ihm um den Hals, und weint, und kann vor Entzückung nicht reden: Also fühlte die heilige Frau in des Sohnes Umarmung, Netzte mit Wonnethränen die glühenden Wangen des Knaben, Aber noch red'te sie nicht, so voll war das schwellende Herz ihr.

Abraham sah die rührende Scene. Sein starkes Gemüthe
Wich der stärkern Natur, er sah gen Himmel, und Thränen
Zitterten über die Wangen herab. — Jetzt wand sich der Jüngling
Sanft aus den Armen der Mutter, sich zu den Füßen des Alten
Kindlich zu werfen; er warf sich vor ihn, und umfaßt' ihm die Kniee.
Segne mich wieder, mein Vater, so stammelt' er, segne mich wieder!
Abrahams Gott sey dreimal gelobt! Ich sehe dein Antlitz
Wieder auf mich herunter in seiner Liebe sich neigen.
Also sagt' er. Den Vater, dem niemals der Vatername
Süßer und furchtbarer schallte, durchlief ein Schauer, aus Freude
Und aus Wehmuth gemischt, ein unbeschreiblicher Schauer.
Dennoch stärkt' ihn sein Geist, die segnenden Worte zu sprechen:
Sey gesegnet, mein Sohn, o Sohn der Verheißungen Gottes,
Sey gesegnet! Der Herr, der dich zu eigen sich wählte,
Segne dich väterlich selbst! Er gebe dir, was vor ihm gut ist!
Sarah erblickte die Thränen des Alten, nicht Thränen der Freude,
Und die Züge der heimlichen Angst im Auge voll Liebe;

Aber sie war zu innig erfreut, was Böses zu fürchten. Dennoch bewahrte sie es in ihrem Herzen. Jetzt eilte Isaak wieder zu ihr, sie umfing ihn von neuem mit Inbrunst, Gleich als käm' er erst jetzt. Nun schloß die gemilderte Freude, Die von der zärtlichen Brust, wohin sie strömend geflossen, Sanfter durch jede Ader mit lieblichen Wallungen abfloß, Auch die Lippen auf, zu Worten frohlockender Liebe. Wie sich das Herz in Empfindung ergießt, wie die holde Natur sich Frei in Unschuld erklärt, so sprach sie. Der Seraph Elhanan, Isaaks himmlischer Freund, schwebt' über der frommen Umarmung Seiner Geliebten, und sah mit bethränten schimmernden Augen Bald auf Abraham, bald auf Sarahs erneuerte Schönheit, Die wie ein purpurner Abend des hellesten Wintertags glänzte.

Jetzo beherrschte die Lust die weit verbreiteten Hütten,
Stimmen der Harf', und Lieder von jungen blühenden Lippen
Zitterten tief aus den rauschenden Palmen und tonvollen Lauben,
Und das hohe Gezelt des göttlichen Patriarchen.
Wo das hintre Gezelt an einen Felsen sich lehnet,
Ist in den alabasternen Fels ein Gewölbe gehauen;
Mitten darin ein kühlendes Bad aus lebendem Wasser.
Hieher führten den Jüngling zwei dienende Knaben; sie wuschen
Ihm den Staub von den Füßen, und übergossen die Blüthe
Seiner Glieder mit {Nardus,} und rieben sie wieder mit Leinen.
Als er das Bad verließ, umgab ihn ein Leibrock von Byssus,
Und ein goldener Gürtel umschloß die geschmeidige Hüfte.
Also geschmückt, in der zarten Entfaltung der lieblichen Jugend,
Trat er hinein ins Gezelt. So steigt ein lächelnder Frühling

Durch die blühende Luft in Rosenthäler herunter; Um ihn tanzen die goldenen Stunden, der Ueberfluß schwebet Neben ihm her, und schüttet aus seinem verschwendrischen Füllhorn Fruchtbarkeit, Anmuth und Lust wie Thau auf die scherzenden Fluren. Abraham sah in dem Knaben die Jugend der göttlichen Sarah; So umfloß ihr ein jugendlich Roth die Lilienwange, So entzückt' ihr Auge die Seher, so trug sie die Stirne. Sarah sah die männliche Hoheit, die Abrahams Jugend Vormals geschmückt, aus der zarten Schönheit des Knaben schon leuchten; Eben so sprach ihm ein himmlischer Geist aus den mächtigen Blicken! Dieser entschlossene Muth erhob die denkenden Züge! Also sahn sie einander, und liebten sich zweifach im Sohne. Aber Abraham schlug bei jedem erneuerten Anblick Stärker das duldende Herz; kaum konnt' er den Augen gebieten.

Nunmehr rief sie die Stunde, das Mahl danksagend zu nehmen.
Zierlich gegürtete Mädchen bekrönten die festliche Tafel
Mäßig mit kunstlosen Speisen und perlenfarbichtem Wasser;
Denn die Natur begehret nicht viel, und die edlere Freude
Hat nicht nöthig von sprudelndem Wein erwecket zu werden.
Als sie das Mahl genommen, sprach Sarah mit freundlichen Augen
Also zu Isaak: mein Sohn, jetzt da die erste Begierde,
Wieder dein werthes Antlitz zu sehen, so lieblich gestillt ist,
Wallet ein neues Verlangen in meinem Herzen, zu wissen,
Wie du die theuren Verwandten verlassen. Wie steht es um Milka,

Meiner jungfräulichen Jugend vertrauteste schönste Gespielin? Geht es den Söhnen auch wohl, die sie dem Nahor geboren? Sage, wie blühet Bethuels Tochter, die Enkelin Milka's? Doch vor allem erzähle, mein Kind, wie hast du die Monden, Die dich aus meinen Augen entwandten, in Haran gelebet? Laß uns die liebliche Rede von deinen Lippen erquicken, Daß wir zum mind'sten durch's Ohr die entbehrten Tage genießen. Isaak neigte sein Haupt zu der Bitte der liebenden Mutter.

Nun verstummte die silberne Laute, die Sängerinnen
Unterbrachen die Hymnen, womit sie die Tafel gekrönet.
Timna, Sarens geliebteste Sklavin, ein Spiegel der Anmuth,
Hatte vom Wiedersehen der Freunde, vom Finden der Herzen,
Die unwissend sich liebten, gesungen; sie sang von den Töchtern,
Welche Sipha, das Paradies zu beleben, gezeuget,
Und von Noahs einsamen Söhnen; wie endlich ein Engel
Japhet den Weg eröffnet, und ihn in den Garten geleitet,
Wo er mit süßer Erstaunung die heiligen Schwestern gesehen,
Und die jüngste geliebt, die ihn zu hören zurückblieb;
Wie der göttliche Sipha, von Noahs Söhnen geleitet,
Mit den Kindern des Paradieses zu Noah gekommen;
Wie sie sich zärtlich umarmt und goldene Tage gelebet.
Alles dieß hattest du erst, harmonische Timna, gesungen.
Aber du schwiegest, da Isaak sich zu der Bitte der Mutter
Neigte, schwebtest mit gierigem Aug' auf der Stirne des Jünglings,
Und vergaßest, sobald sein Mund sich aufthat, der Cither.
Alle sammelten sich und schwiegen. Au Abrahams Linken
Saß Elieser, an Sarahs Rechten die fromme Ketura,
Ihre Vertraute, au ihr die Fürstin des singenden Chores,
Timna. Bei Isaak ward sein Asael sitzen gesehen,
Ihm der ähnlichst', ein göttlicher Geist regierte den Knaben.

Wie an einem sanft blühenden Abend des Frühlings Gespielin
Philomela, den dämmernden Hain mit Liedern erreget,
Um und um schweigen die Wipfel, es schweigen die Abendwinde
Und die Sänger des Hains, auf benachbarte Zweige versammelt,
Lauschen hervor, mit verlängertem Hals und prüfendem Ohre;
Also sprach jetzt der göttliche Jüngling, und also umgab ihn
Ein begieriger Kreis, die süßen Reden zu hören,
Die in kunstloser Anmuth ihm von den Lippen entflossen:
Nahors gottseliges Haus, in welches mich Bethuel brachte,
Wurde mir bald ein zweites Mamre. Die Liebe der Milka,
Die, wenn's möglich, mir Sarah zu seyn sich zärtlich bemühte,
Bracht' auf meine Stirn bald wieder die Frohheit zurücke.
Oft im süßen Betrug, wenn sie mich mütterlich küßte,
Schien mir's die Mutter zu seyn, in deren Umarmung ich weinte.
Auch kam in den Träumen der Nacht ein glänzender Engel
Zu mir herab und tröstete mich, und schwur mir, ich sollte
Wieder mein väterlich Haus, von Gott beschirmet, begrüßen.
Also ruhte mein Herz bald wieder in fröhlicher Stille,
Fühlte wieder das Lächeln des Himmels und liebender Freunde
Ohne Vermischung mit Gram. Von sittsamen Freuden begleitet,
Kamen die Stunden zu uns mit schwesterlich ähnlicher Schönheit.
Bald durchirrt' ich mit meinen Gespielen die Hügel um Haxan,
Blumen zu suchen, und, wie die Natur sie geordnet, zu spähen:
Oftmals saß ich zu Nahors Füßen, und hörte die Weisheit
Und die Sitten der Väter, und wie sie dem Herren gelebet,
Umgang mit ihm und den Engeln gepflegt. Von Nahors Munde
Lächelt ernstliche Weisheit. Die Stunden, die man ihn höret,
Fliehn wie Minuten vorbei. Ich sah auch Werke des Witzes

Und der nachahmenden Kunst in Harans Mauern entstehen. Denn ein Geist der erfindsamen Weisheit, vom Schöpfer gesendet, Ist auf etliche Männer gekommen. Sie bilden aus Marmor Helden und Patriarchen. Ich sah aus gestaltlosen Felsen Ein verwundersam Volk in wenigen Monden erwachsen, In der regesten Stellung, mit Augen, die Seelen versprachen, Aber doch steinern und todt; sie schienen auf Leben zu warten. Also sah ich die Reihen von heiligen Vätern; sie weckten Ehrfurcht in jedem Seher. Man gießt auch aus fließendem Golde Ihre Gestalten, und stellet sie aufs Gesimse der Säle. Auch der holde Gesang, die schönste der menschlichen Künste, Blühet in Haran. Die Schäferinnen beleben die Haine Mit süß schallenden Hymnen, von jungen Hirten gedichtet. Aber die Enkelin Milka's besieget jede Gespielin. Wie sie sang, so hab' ich in meiner zärtlichen Kindheit Oefters im luftigen Schlaf die Engel singen gehöret. Wenn sie mit ihren Schafen die milden Fluren besuchte, Kam ein Frühling von Anmuth mit ihr, der heiterste Himmel Lächelt' in ihren Augen mich an, dann schmolz mir mein Busen. Ach warum hat mich die Vorsicht mit keiner Schwester beglücket? O wie wollt' ich sie lieben! Und wär' es Ribka, wie zärtlich Wollt' ich sie lieben! Zwar sind wir Geschwister aus Thara's Geschlechte, Und wir liebten uns so, und Milka liebt' uns wie Kinder. Oftmals saßen wir drei in einer umschattenden Laube, Dann nahm Ribka die Cither, und sang in die goldenen Töne Von der Schönheit der Unschuld; die Unschuld konnt' auch nicht schöner In der Sängerin Antlitz, in ihren Hymnen nicht reizen.

Unverwandt hört' ich ihr zu, dann weint' ich zärtliche Thränen, Und umarmte die Schwester, und Milka segnet' uns beide. Dann empfand ich mein Herz von neuen Gedanken erhaben; Schöne Gedanken, wie Ribka so schön, wie Ribka voll Unschuld, Führten auf ihren Flügeln mich bis zum Thore des Himmels. O wie däuchte mich da die selige Tugend so lieblich, Leicht zu üben! Ich liebte sie stets, doch schien mir, ich liebte Jetzo sie mehr, da mir Ribka von ihr ein sichtbares Bild war. Sage mir, theure Mutter, du liebtest Brüder und Schwestern, War's nicht der Zug der Natur, der Schwester und Bruder verbindet, Was uns im Herzen wallte, wenn wir uns sahen? Zuweilen, Wenn ich in einem Hain, ein Hörer der Nachtigall, irrte, Fühlt' ich ein leises Lispeln im Herzen, ein wunderbar Dringen Da oder dorthin zu gehn. Dann fand ich Ribka dort weiden. O wie flossen bei ihr die süßen Stunden vorüber, Süß wie die silbernen Tön' aus ihrem Nelkenmund flossen! Niemals ermüdete sie, von mir die Geschichten zu hören, Die mein göttlicher Vater und Elieser mich lehrten; Niemals ward ich es müde, die frommen Gesänge zu hören, Welche sie Abiasaph, der dichtrische Jüngling, gelehret. Iska, die Schwester der Milka, mit Kenas von Haran vermählet, Hat ihm Abiasaph, den einzigen Knaben, geboren. Als er geboren ward, kam die Muse, die Freundin Elihu's, Legte den Knaben an ihre Brust, und weiht' ihn zum Sänger. Achtzehn Frühlinge blühten ihm erst, doch singt er schon Lieder, Welche den Weisen gefallen; er ist der König der Jugend. Jede Schäferin eifert, des Dichters Lob zu verdienen, Und er lobt nur die Tugend, er nennt die Unschuld nur Anmuth,

Dieser war mein zärtlichster Freund; zwar etliche Sommer
Aelter als ich, zwar weiser als ich, doch vereint' uns Ein Wille,
Gleiche Neigung zur Tugend, ein gleicher Geschmack an der Schönheit.
Diesem waren vor andern, die Haran zu Freunden mir anbot,
Meine Morgen geweiht. Du sollst, o beste der Mütter,
Künftig seine Gesäng' an heitern Abenden hören;
Denn er lehrte sie mich; von mir soll Timna sie lernen.
O wie süß war unsre Liebe! Wie könnt' ich sie missen,
Wenn mir nicht Vater oder Mutter den Freund und Ribka ersetzten!
Siehe, so lebt ich mein Leben in Harans fruchtbaren Fluren.
Also erzählete Isaak, er fügte noch vieles zu diesem,
Bis er den zärtlichen Abschied von Nahor und Abiasaph,
Und von Milka und Ribka in seiner Erzählung erneute.
Von der Erinnrung erwacheten schnell die Empfindungen wieder,
Die er beim Abschied gefühlt: sie unterdrückten die Rede
Auf den Lippen, sein Angesicht ward mit Thränen bedecket.
Sarah küßte sie weg. Ihr Auge glänzte mit Liebe
Auf die Augen des Knaben. Dann pries sie den Herren des Himmels,
Der, den Verheißungen treu, womit er Abraham ehrte,
Isaak schützte, und Scenen von künftigen Seligkeiten
Schon vor ihm aufthat. Noch hingen die Blicke der edeln Versammlung
Auf den Lippen des Jünglings, noch hörten sie; Abraham staunte
Noch in tiefer Betrachtung. Da kam ein eilender Bote,
Ihm die Nachricht zu geben, daß vier Kamele mit Fremden

Unter den Vorhof gekommen. Ein Mann von erhabenem Ansehn, In der Blüthe der männlichen Jugend, ein würdiger Alter Neben ihm, dem ein reizender Knab' im Schooß lag, und Sklaven Nähmen die Last vom dritten Kamel, Arabische Schätze, Storax und Gummi und Salben aus Gilhads balsamischen Hügeln.

Abraham eilte heraus mit Eliesern, die Fremden
Freundlich zu grüßen, und zu sich in seine Hütte zu laden.
Aber wie war er betroffen, da er in den Mienen des Fremden
{Ismael} wieder erkannte, den Sohn der Aegyptischen Hagar!
Ismael fiel zur Erd', umfing die Kniee des Vaters
Und erbat sich den Segen. Der Vater umarmt ihn' und sagte:
Sey gesegnet, mein Sohn, auf dessen Gesicht ich mich kenne,
Sey dem Herren gesegnet! Ich sehe mit zärtlicher Freude
Züge der Tugend in deinem Antlitz, ich rieche mit Wollust
Deines Gewandes Geruch, wie des Feldes der Segnungen Gottes.
Komm, mein Werther, herein, und lass' uns die Thaten vernehmen,
Welche der Herr an Ismael that, an Abrahams Samen.
Aber sage vorher, wer ist der liebliche Knabe,
Den der Alte hier trägt? Er ist wie nach dir gebildet.
Ismael nahm den Knaben, und lehrt' ihn mit kindlicher Ehrfurcht
Vor dem göttlichen Ahnherrn die zarten Kniee zu beugen.
Ismael sprach: o segne auch diesen, mein Vater, Nebajoth,
Meinen Erstling, den mir dein Gott in {Paran} geschenket.

Da mich Geschäfte nach Gilhad beriefen, so nahm ich den Knaben, Daß du ihn segnend küßtest, mit mir. Erlaube, mein Vater, Daß er hier bei dir bleibe, bis Gilhad mich wieder zurück schickt. Abraham nahm den Knaben auf seine Arme, und küßt' ihn Segnend, und hob die Augen mit frommen Wünschen gen Himmel. Jetzo befahl er dem Sohn, ihm in die Hütte zu folgen. Elieser entwich, für ihre Bewirthung zu sorgen, Und die Geschenke von Ismaels Segen in Kammern zu bringen.

Abraham stellte der Frau und ihrem geliebtesten Sohne
Ismael vor und den lieblichen Knaben. Als Isaak den Bruder
Sah, da wallt' ihm sein Herz von inniger Fröhlichkeit über,
Wartete nicht, bis er Sarah gegrüßt, und eilte mit Inbrunst
Ihn zu umarmen. Wie Brüder, die Eine Mutter geboren,
Zwillinge, welche zugleich an ihren Brüsten gehangen,
Sich nach langer beseufzter Entfernung mit Thränen umarmen,
So umarmten sie sich. Der Anblick der redlichen Liebe
Rührte Sarah das Herz; auch sie küßt' Isaaks Bruder
Mütterlich, und verweilte mit Lust auf dem Antlitz des Sohnes;
Aber noch zärtlicher eilt sie, den jungen Nebajoth zu küßen,
Der, als ob er in ihr die liebende Mutter erblickte,
Lächelnd mit freiem holdseligem Antlitz die kleinen Arme
Um den Nacken ihr schlang. Sie deckt' ihn mit zärtlichen Küssen.
Jetzo setzten sie sich auf purpurne Teppiche nieder.
Ismael gab dem Vater auf sein Verlangen die Nachricht,

Wie der Heer ihn geführt; ihn in der Wüste Bersaba, Da er zu sterben vermeinte, durch einen Engel erhalten: Wie er dann in der Einöd', in Parans palmigen Thälern, Anfangs ein Jäger, gewohnt; dann mit der Aegypterin Basmath Sich vermählet, Hagars Verwandten, mit der ihm ein Reichthum Von Kamelen und Rindern und Schafen nach Paran gefolget; Wie er sich drauf mit Bewohnern der Berge Parans verbunden, Die ihn zum Haupt erwählt, sie gegen die Räuber der Wüsten Sin und Safer zu schützen, und wie er dem Gott {Schaddai} Einen Altar in den blühenden Ebnen von Rimma erbauet, Und in des Feigenbaums Schatten sich bleibende Zelte gespannet.

Also erzählt' er die Wege des Herrn, dem Abraham diente,
Und die Erfüllung des Segens, den seiner Mutter ein Engel
In der Wüste gegeben. Denn, war er nicht Abrahams Samen,
Den sich der Herr erwählt, an ihm sich der Welt zu verklären?
In den vertraulichen Reden beschlich sie der Abend. Doch hatte
Immer ein mehr als gewöhnlicher Ernst die Stirne des Alten
Sanft umwölkt. Jetzt war er genöthigt, die herrschende Freude
Also zu hemmen: o Sarah, und ihr, gesegnete Söhne,
Heute hat mir der Herr zwei Söhne wieder geschenket.
Isaak, seinen Verheißnen, der ihm besonders geweiht ist,
Meinen Geliebten, ihn hab' ich mit wachsender Tugend und Schönheit
Wieder aus Haran empfangen. Dich, Ismael, Liebling der Vorsicht,
Gibt mir derselbe Tag, und meiner Zärtlichkeit werther,
Als du damals es warest, da mir ein Traumgesicht sagte,
Daß dir ein andrer Wohnort vom Gott Schaddai bestimmt sey.

Aber so willig mein Herz dem süßen Vergnügen sich aufthut, Diese Tage mit euch in zärtlichem Umgang zu leben, Folget es doch dem höhern Wink. Am heutigen Morgen Ist mir der Herr erschienen, und hat mir befohlen, mit Isaak Nach Moria zu gehn, daselbst auf einem der Berge, Den er selber bezeichnet, ein gottgefälliges Opfer Darzubringen. Am morgenden Tag soll mich Isaak begleiten. Labe demnach dein mütterlich Auge, so lang' es noch seyn kann, Auf dem Antlitz des Knaben, o Sarah, und lass' dann Nebajoth Dir die Zeit der Entfernung mit ähnlichen Freuden verkürzen.

Also sagt' er. Mit sanftem Antlitz erwiederte Sarah:
Thue wie dir Jehovah befahl! Vor seinem Befehle
Schweiget der zärtlichste Wunsch in meinem Herzen. Mein Auge
Soll nicht weinen; dieß Auge, das Isaak wieder gesehen,
Das so glänzende Spuren der göttlichen Güte gesehen,
Soll nicht klagen, soll künftig nur Thränen der Fröhlichkeit weinen.
Gehe, mein Sohn, du bist im Auge des Ewigen theuer,
Um dich wachet der Flügel der Vorsicht, wohin du auch gehest.
Dürft' ich dir folgen! Doch jede Bewegung des heiligen Herzens,
Jede Entzückung der zitternden Andacht, mit der du zum Thron auf,
Hin zum Heil des Menschengeschlechts den betenden Arm hebst,
Ist auch mein! Jehovah wird auch in der Ferne mich hören!
Geh' denn, und komm mit neuem Segen gesegnet zurücke.
Also sprach sie, und küßte den Knaben, er küßte sie wieder
Auf, die lächelnde Stirne; lang' schwieg er in ihrer Umarmung.
Endlich sagt' er: wie ehret mich Gott mit diesem Befehle,
Da er mich wählt, das Opfer mit meinem Vater zu bringen,

Das er selber geordnet! Wenn nicht die Vermuthung zu kühn ist, Würd' ich glauben, es steh' ein sonderbares Begegniß Dort uns bevor. Vielleicht daß sich der Himmel herab neigt, Daß ich gewürdigt werde, den Saum des Herren zu sehen, Und zu leben; vielleicht aus seinem göttlichen Munde, Oder von seiner Seraphim einem die Zukunft zu hören, Oder selbst in die goldenen Zeiten, die Hoffnung der Väter, Selige Blicke zu thun. Doch was der Befehl auch verberge, Siehe, mein Vater, hier bin ich; sobald der Morgenstern winket, Bin ich bereit! O käme sie schon, die geheiligte Stunde!

Abraham hört' ihn so reden, und seufzte gen Himmel. Die Leiden,
Die er vorher im Herzen gefühlt, eh' Isaak gekommen,
Waren nur Schatten von diesen, die jetzt am Leben ihm nagten,
Da der göttliche Jüngling in seiner Unschuld so red'te.
Dennoch nahte sein Wille geduldig unter den Leiden.
Schweigend dacht' er zu Gott: der Knab' ist dein: o Jehovah!
Dieser gottselige Geist, dieß Herz voll Unschuld, sind Gaben
Deiner Gnade. Dir steht es auch zu, ihn, deinen Erwählten,
Auf der Erde zu lassen, ein Beispiel gottseligen Enkeln,
Oder zu dir in die Chöre der himmlischen Geister zu nehmen,
Wie du Enoch vordem von der Erde hinweg genommen,
Daß kein entheiligtes Aug' ihn mehr sehe. — So nimm denn auch Isaak!
Aber, o stärke mich, Vater, damit mein Geist nicht erliege,
Und vergib, wenn der Schmerz, der diesen Busen zerreißet,
Dich beleidigt! Auch dieser, o Herr, soll vor dir verstummen!

Schon umhüllte die Nacht, wie ein sechsmal geflügelter Cherub,
Mit gestirntem Gefieder den stillen schlummernden Himmel.
Abraham hatte das Mahl mit seinen Geliebten genommen,
Unter Gesprächen, wie denen gebührten, mit denen schon öfters
Engel geredet, den Auserwählten aus allen Geschlechtern.
Endlich beschloß ein festliches Lied die würdigen Reden;
Isaak sang, von Timna's harmonischer Laute begleitet,
Von der Tugend sang Isaak, die auf den Herren ihr Auge
Unverwandt richtet, nur ihm und seiner Bestimmung zu leben;
Die mit gleichem Gemüth aus seinen Händen jetzt Freuden,
Jetzo Schmerzen empfängt; mit dankbarem ruhigem Herzen
Heut in Scenen voll Hoffnung und Seligkeiten hinaussieht,
Und die Aussicht auch liebt und sie zu sehen gewohnt ist,
Morgen sie wieder verschwunden, und jede Hoffnung verwelkt sieht.
Denn sie weiß, daß der Vater der Wesen das Beste für alle
Immer erkies't, und, von ihm gesendet, das Böse uns gut ist.
Dieses sang Isaak. Die Stärke der Wahrheit, die Hoheit des Schwunges,
Und die Gewalt der geistigen Saiten entzückten die Hörer.
Abraham fiel in ein angenehmes Staunen, die denkende Seele
Stieg von Wahrheit zu Wahrheit, von einer Betrachtung zur andern,
Bis es hell in ihr ward, daß in dem Glanze der Weisheit
Alle Schmerzen, die stillen Verkläger der Vorsicht, zerflossen.
Endlich schwieg der Gesang. Doch tönten die Harmonien
Immer noch fort in Abrahams Herz. Er lag in Gedanken,
Wie im Schlummer. So sinket ein Engel, der Gottes Befehle
Fremden Himmeln gebracht, ermüdet, unter dem Wohlklang

Himmlischer Harfen, von Freunden gerührt, in lieblichen Schlummer.

Als nun alle den Schlaf in ihren Kammern genossen,
Und sich Abram und Sarah im Innern des Zeltes befanden,
Forschte die zärtliche Mutter die Ursach' des heimlichen Kummers,
Den sie in seinem Gesicht zu etlichenmalen bemerkte.
Abraham gab ihr zur Antwort: ich kann dein Verwundern nicht tadeln;
Wo man Freude nur sucht, da Mienen des Schmerzens zu sehen,
Ist ein seltsamer Anblick. Doch kann es zuweilen begegnen,
Daß sich die reinste Lust in flüchtige Wolken verbirget;
Denn wie nah' ist der Schmerz der Lust! Die Freude hat Seufzer,
Und die Traurigkeit Reize. Vernimm indeß den Gedanken,
Der mir die Thränen der Lust mit Thränen der Traurigkeit , mischte.
Als du den Knaben umfingst, so kam mir der schwarze Gedanke,
Mitten in einer süßen Empfindung befiel mich sein Schrecken;
Wie, wenn dir den Jüngling ein plötzlicher Unfall entrisse?
Oft hat der Herr die Liebsten durch diese Dornen geführet!
Siehe, dieß dacht' ich, und bebte, doch blieb die Empfindung nicht lange.
Also sagt' er, und redete wahr. Doch konnte die Mutter
Sein Geheimniß daraus nicht entdecken. Voll Rührung versetzt sie:
Wie bewegest du mich, mein Theurer, wie hat der Gedanke
Deine Seele gefunden? der schwärzeste aller Gedanken!
Ich erzittre von fern ihn zu denken. — Wie könnt' ich dich missen,

Isaak, mein Sohn, mein einziger Sohn, wie könnt' ich dich missen, Doch warum sollten wir uns mit solchen Gedanken die Ruhe Selbst vergiften? uns selbst mit bangen Ahnungen quälen? Laß uns vielmehr das Herz den schönsten Hoffnungen öffnen, Hoffnungen, die dem Wunder, das ihn uns schenkte, gemäß sind! Immer näher seh' ich im Geiste die selige Zukunft, Deren Spuren sich mir in Isaaks Erzählung entdeckten. Theurer Jüngling, ich sehe dich schon in den liebenden Armen Einer Geliebten beglückt, die deiner Umarmungen werth ist; Gott selbst hat sie für dich mit dem Glanz des Morgens geschmücket, Ganz nach deinem Herzen gebildet, nach jeglicher Neigung, Die du selbst noch nicht kennst. Sie liebt dich, du liebest sie wieder. Schon umgibt mich die blühende Schaar von lieblichen Enkeln, Die dich Vater begrüßen, in deren Zügen du lebtest, Vielfach erneuert; sie scherzen um mich in Blumen des Frühlings, Hier ein hüpfendes Paar, dort zwei, die sich zärtlich umhalsen, Hier das jüngste, der Mutter im Schooß, ihr jugendlich lächeln. Süßer Anblick! O seliger Sohn! und selige Mutter, Die dich gebar, und selig die Brust, an der du gesogen! Unter der ruhigen Hoffnung wird die Reihe von Jahren, Die die Erfüllung entfernt, gleich schnellen Monden vorbeifliehn. Und wenn mein Auge zuvor sich schließt, und nimmer die siehet, Die er einst liebt, noch Enkel, die lächelnd Mutter mir stammeln, Theurer Gemahl, so will ich alsdann, von Enkeln begleitet, Unsichtbar über euch schweben, und eure Seligkeit theilen.

Also sagte die beste der Mütter; der Vater versetzte:
Billig erwarten wir Gutes vom Ursprung des Guten. Er wird auch
Mehr als wir wünschen thun! Die Hoffnung, in die sich, o Sarah,
Dein so mütterlich Herz mit allen Gedanken ergießet,
Ist die schönste, die Gott den sterblichen Menschen erlaubet.
Dennoch bewache mein Herz, damit es, in seine Geschöpfe
Nicht zu verliebt, die Gedanken der Gottheit den seinigen heimlich
Unterwerfe; denn oft sind unsre Gedanken nicht seine.
Immer genieße voraus die Seligkeiten der Zukunft;
Aber doch so, als könntest du sie zur Stunde verlassen.
Also besprachen sich Sarah und Abraham unter einander,
Bis sie der milde Schlaf mit seinen Flügeln bedeckte.
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