C. M. Wielands Werke.
Sechsundzwanzigster Band.
Erster Gesang.
Tochter des Himmels, die einst, auf Edens Hügeln erzogen, In der Jugend der Welt, in mehr als goldenen Zeiten, Ihren Elihu geliebt, und die im Garten der Unschuld Unter lieblichen Schatten mit Siphas Töchtern gewohnet, Himmlische {Muse,} du Sängerin Gottes, du Mutter der Tugend, Lehre mich Abrahams Prüfung, den Sieg des frommen Gehorsams, Lehre mich singen den Helden, der, als der Herr es befohlen, Vater zu seyn vergaß, und auf Moria den Liebling Seines Herzens, den einzigen Sohn, zum Opfer ihm brachte: Lehre mich göttliche Tugend mit würdigen Tönen besingen! |
Schon entsprang auf den östlichen Bergen der fröhliche Morgen, Welcher den Abrahamiden, den Sohn der Verheißung, aus Haran, Wo dem Jüngling ein Jahr bei seinen Verwandten entflohn war, Bringen sollte; er schwang sich mit ausgebreiteten Flügeln Heller über die Ebnen, auf denen ihm Isaak folgte. Schon war Abraham wach, und hing mit spähenden Blicken |
Da er noch lag, verbreitete sich ein plötzlicher Schimmer Um und über die Hügel, stets ward er heller und zog sich Wie ein ätherisches Strahlengewölk um den azurnen Himmel. Abraham hob die Augen empor, und fühlte die Gottheit Gegenwärtig; ein Engel, vom Winke des Herren befehligt, Stieg unsichtbar herab, und stärkte das Auge des Alten |
Abraham! rief die göttliche Stimme; er sagte, hier bin ich. Nimm, so sprach Jehovah, den Isaak, deinen geliebten, Deinen einzigen Sohn, und geh' in die Gegend Moria, Und auf einem der Berge, den dir ein Zeichen bestimmet, Opfre den Knaben mir. So sprach die Stimme Jehovahs. |
Abraham sank aufs neue dahin. Der göttliche Schimmer Stärkt' ihn, daß er nicht ganz dem Donner des strengen Befehles Sterbend erlag; doch bebt' ihm das Mark in den schwanken Gebeinen. Aber, obgleich der feurige Schmerz das Herz ihm durchwühlte, Dennoch erhob sich nicht einer der unterworfnen Gedanken Gegen das göttliche Wort. Er betete thränend im Staub an, Breitete sich vor Gott, mit den Armen den Boden umfassend, Und sein ganzer entschlossener Geist war tiefer Gehorsam. Gottes allsehendes Auge, vor dem die geheimsten Gedanken Sich umsonst in den innersten Tiefen der Seele verbärgen, Sah in Abrahams Herz, und sah den tiefen Gehorsam, Den mit schweigender Stille die reine Seele gelobte; Sah auch die That, und den Sieg des Gott ergebenen Glaubens, Segnet' ihn bei sich selbst, und kehrte wieder gen Himmel. |
Jetzo raffte der Alte sich auf, von dem heiligen Hügel |
Wenn der Unendliche spricht, gebühret Engeln und Menschen Nur Verhüllen des schweigenden Mundes, und schneller Gehorsam. Er nur weiß allein, was seiner Gottheit zu wollen Und zu befehlen geziemt; kein Cherub weiß es; wer könnte Mit ihm rechten, dafern er die Himmel und ihre Bewohner |
Also rief er, und hielt in jedem erhobenen Auge Eine Thräne zurück. Aus einer silbernen Wolke Sah ihn Elhanan, Isaaks Engel, ein himmlischer Jüngling, Sah die fromme Geduld in seinem ruhigen Antlitz, Und im himmelwärtsschauenden Aug' anbetende Demuth, Keine Miene verstellt, wiewohl den Augen und Lippen Tiefer verborgner Schmerz ihr mildes Lächeln genommen; Und er wandte sich thränend zu seinem Begleiter Elisa: |
Hast du, o himmlischer Freund, seitdem du die Menschen |
Also sagt' er, und fiel auf die Knie, und lobte den Herren. Himmlischer Freund, so hoch kann menschliche Tugend sich schwingen! Welche Freude für uns, sie an den Menschen zu lieben! Aber wie wallt mir mein Herz, wenn ich die Leiden erwäge, Welche die blutende Brust des geprüften Vaters itzt schweigend In sich verschließt, die nur selten ins bleiche Angesicht dringen! |
Also sagte der Seraph, ihm gab sein Gefährte die Antwort: Seraph, auch mir zerflösse das Herz, ist Mutter und Sohn gleich Fremder mir als dir, der beider Leben voll Unschuld Mit beschirmenden Flügeln, von Gott befehligt, umschwebet, Unsichtbar immer sie sieht, und ihrer Tugenden Zeug' ist; Dennoch zerflösse mein Herz in stillem wehmüthigem Mitleid. Aber ein goldner Gedank', ein fröhlicher Schimmer von Hoffnung Zeigt mir, o himmlischer Freund, den Ausgang der traurigen Scene Sich in Freude verlieren. Zwar sind die Schlüsse Jehovahs Dunkel vor uns, nur er weiß, was ihm selber geziemet; Seraphim nicht; kaum daß er seinem vertrautesten Cherub Einzelne Blick' ins Heiligthum gönnt, der Zukunft Geheimniß Auf den Tafeln des Schicksals zu lesen. — Doch seh' ich noch Hoffnung Selbst in der Tiefe der ewigen Schlüsse. O Seraph, die Güte Unsers Königs ist ohne Gränzen. Die Wonne der Geister |
Also sagt' er, umarmte den Seraph, und strahlte zur Sonne. Aber Elhanan flog auf einer glänzenden Wolke Seinem Liebling entgegen, des Kommenden Tritte zu schirmen. |
Abraham ging noch im Hain voll tiefer Gedanken und einsam, Näher im Geiste bei Gott, als bei sich selbst, und dem Besten Was er auf Erden hatte, mit allen Kräften der Seele In den Gedanken, "dein Will', o Vater, geschehe!" versenket Aber sein Knecht Elieser, ein Sohn der heiligen Tugend, Welchen der Patriarch vor allen liebt' und zur Aufsicht Ueber sein Haus bestellt', empfing inzwischen die Nachricht, Daß den Jüngling nur wenige Stunden von Abra noch trennten. Elieser sprang freudenvoll auf, und eilte, die Botschaft |
Endlich ist er gekommen, der Tag, o glücklichster Vater, Dem wir so lang' entgegen gesehnt; er eilet, begierig Isaak deinem segnenden Kuß und Sarens Umarmung Wieder zu geben. Ein Bote verhieß ihn in wenigen Stunden. Schon belebt die Stimme der Lust die wachen Gezelte Und die Palmen umher; schon krönen Chöre von Knaben, Seine Gespielen, mit Blumen das Haar; die schönsten der Töchter Stimmen die goldene Cither, ihn festlich mit jauchzenden Reihen Einzuholen den heiligen Jüngling, den Sohn der Verheißung. Aber was seh' ich, o Herr, ein stiller Kummer bedecket Deiner Stirn' sonst lächelnde Ruh', du hörest mich seufzend! Freude schimmert auf jeglichem Antlitz in deinen Gezelten, Auf dem deinigen nicht! O zürne nicht, daß ich dich frage: Welch ein Schmerz kann stark genug seyn, die Lust zu besiegen, Die des Jünglings Zurückkunft in deinem Hause verbreitet? |
Zitternd empfing Elieser die Antwort von Abrahams Lippen: Kennst du das menschliche Loos, o Elieser, so wenig, Daß du dich wunderst, Betrübniß auf meiner Stirne zu lesen, Da du die fröhliche Botschaft mir bringst? O wisse, die Freude Wohnet nicht allemal da, wo Tänz' und Harfen sie rufen. Wüßtest du, was es ist, das wider mein Wollen den Kummer Mir ins Antlitz herauf treibt, du reiztest mich selber zum Trauern! |
Herr, ich zittre die Worte von deinem Munde zu schöpfen. |
Mit gelassenem Antlitz und sanften vertraulichen Worten Gab ihm der heilige Alte die Antwort: dein redliches Wesen, Und die Weisheit von Gott, womit dein Wandel gekrönt ist, Gaben dir längst mein Herz; es ist gewohnt in dem deinen Traulich zu ruhen! — — Auch itzt soll ihm mein Inner's sich öffnen. Ach! wie könnt' ich mir selbst die kleine Lindrung versagen, |
Itzo konnt' Elieser sich länger nicht halten; er hatte Jegliches Wort mit Angst und ahnendem Schauder vernommen; Aber, da er den strengen Befehl und des Vaters Gehorsam Hörete, konnt' er nicht länger dem fühlenden Herzen gebieten, Daß die Thränen nicht strömend aus seinen Augen sich stürzten. Isaak war sein Liebling, ihm war er, sobald er entwöhnt ward, Anvertraut worden. Die holde Unschuld des lieblichen Knaben, Früh zu Tugend entfaltet, die immer rege Begierde Von den Lippen des Alten die Sprüche der Weisen zu schöpfen, Die er in lehrende Fabeln und dichtrische Bilder verhüllte, Jede lächelnde Anmuth und jede sprossende Tugend Deren ihm keine entging, gewannen das Herz Eliesers, |
Endlich, als er nach langem Verstummen zu reden vermochte, Rief er wehmuthsvoll aus: welch eine Rede, o Vater, Hör' ich von dir? Dein Gott und deiner Väter und deines Ganzen Geschlechtes Gott, derselbe, der dir verheißen, Alle Völker der Erde durch deinen Samen zu segnen, Er gebietet dir — was, nur auszusprechen, die Worte Wir im Mund erstarren macht — gebietet dem Vater, Seinen einzigen Sohn ihm auf Moria zu opfern? Und du willst sie vollziehn, mit eignen Händen vollziehen Willst du die schreckliche That? — Unglücklicher! Sterben soll — sterben Durch die Hand des liebenden Vaters der beste der Söhne? O das wolle Gott nicht! Das kann Jehovah nicht wollen! Er, der selbst in Engelsgestalt herabstieg, um Sarah Durch ein Wunder zur Mutter des Sohns der Verheißung zu weihen, Fordert ihn jetzt zum Opfer von dir? — Vergib mir den Zweifel, Herr! allein, mir ist's unmöglich, die furchtbare Stimme, Die du zu hören glaubtest, für Gottes Stimme zu halten. Nimmermehr kann ich ihn, den ewig Weisen und Guten, Mit sich selbst im Widerspruch denken! O zürne nicht, Vater! Aber ich fürchte — was sag' ich? ich hoff', ich wünsch' es, so feurig Als ich dein Leben wünsch' und Isaaks Leben, dich habe Irgend ein böser Geist mit falschen Gesichten getäuschet. |
Tief erseufzend erwiedert' ihm Abraham: hättest du, Theurer, Was ich sahe, gesehn, und was ich hörte, gehöret, Nimmermehr wäre dieß Wort aus deinem Munde gekommen, Ach nur allzu gewiß erschien mir die Herrlichkeit Gottes, Hört' ich die Stimme des Herrn! — Und hätte nicht seine Rechte Mich gestärkt, ich wäre vor ihm vergangen; so mächtig Faßte des Ewigen Gegenwart mich — und ach! Elieser, Dieser Seufzer sogar, der wider Willen den Kummer Meines Herzens verräth, daß auch kein Schatten von Zweifel Uebrig mir bleibt, ist schon geheime Empörung; Jehovah Hat gesprochen! Mein Loos ist gehorchen, leiden und schweigen. |
Schreckliches Loos, versetzt' der immer noch unüberzeugte Alte; und schrecklicher noch, wofern hier Täuschung zu ahnen Möglich wäre! Und doch, was ist unmöglicher, was selbst Minder geziemend dem Sohne des Staubes, als Gottes Verheißung Nicht zu glauben? Wie könnt' er sich selbst widersprechen? Wie könnt' er Dir gebieten, den Erben der großen Verheißung zu tödten? Stehen die Worte des Herrn nicht fester als eherne Berge? Er, der in Isaak dir die Völker zu segnen versprochen, Kann er selbst sein Wort zu erfüllen unmöglich sich machen? |
Bist du ein Sohn des Staubes, versetzt' mit strafendem Blicke Abraham ihm, und zitterst du nicht, den Frevelgedanken Auszudenken? — Doch nein! Dein Herz ist redlich, und fromm war Immer dein Wandel vor Gott! Du fehlst aus liebendem Eifer. Aber sey ohne Sorge, wie Gott die Verheißung erfülle. |
Aber, so fiel Elieser ihm ein, wie fordert er wieder Was er dir schenkte? Du selbst, unglücklicher Vater, du selbst sollst Deinen geliebten einzigen Sohn zum Opfer ihm schlachten! Welch ein Befehl! Und gut und gerecht ist der ihn gegeben? |
Feßle, versetzt der Patriarch, die frevelnde Zunge! Ist denn etwa die Hand des Vaters ihm weniger eigen, Als des Fremden! O Elieser, auch bebend, auch starrend, Soll doch diese Rechte dem, der sie erschaffen, gehorchen! Siehe, so redet zu mir die Furcht des Herren, des Gottes Meiner Väter, der mich aus ihrem Lande in dieses Fremde geführt, mich immer beschützt, mich immer geleitet! Fasse denn, redlicher Alter, dein Herz! Versenke den Kummer Deiner Seele in fromme Ergebung und stilles Vertrauen: Aber bewahr' in der schweigenden Brust, was dir zu verhehlen Mir mein Herz versagte, und laß es dein Antlitz nicht reden: |
Also sprach der erhabene Dulder. Mit schweigender Ehrfurcht Ging Elieser zurück. Doch nagt' ihm der Kummer die Seele, Ob er die göttliche Weisheit des Patriarchen gleich fühlte. Denn wer fühlet dich nicht, von Gott entzündete Tugend, Funke des heiligen Lichts, von welchem die Seraphim strahlen, Wenn du in deiner Schönheit erscheinst, wer muß dich nicht lieben? Auch wenn du züchtigest, lieben wir dich! Die sträfliche Trauer Und die Klage, die heimliche Feindin der herrschenden Vorsicht, Schweigen vor dir, und fliehen den Tag, womit du die Seelen Deiner Geliebten umgibst. Von dir gestärket, trug Abram Glaubig das größte der Leiden mit unüberwindlicher Großmuth. So stand Michaels Hoheit, mit göttlicher Stärke gegürtet, Und mit Blute der Engel bespritzt, auf dem himmlischen Schlachtfeld, Unter den Gott verläugnenden Schaaren, und trotzte geruhig, Wie ein marmorner Berg, den donnernden Schlägen der Feinde. |
Abraham ging noch allein, in die Schatten des Haines verhüllet. Tausend Gedanken umgaben sein Herz; doch über sie alle Herrschte gebietend sie, die höher als alle Vernunft ist, Sie, die Furcht des Herrn, die Gott vertrauende Weisheit, Königin über sich selbst und willige Sklavin der Gottheit. |