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Kapitel 

DÄMONEN DES SUDAN


ALLERHAND RELIGIÖSE VERDICHTUNGEN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

c) Faro und Ma usw.

Eine Reihe mythischer Geschöpfe belebt die Ströme, unter denen nur Ma sicher zoologisch faßbar ist. Ma ist im Niger der Vogel Manatus und im Senegal eine kleinere Art desselben Tieres. Dagegen gehört Faro zu den Fabelgestalten, von denen bei Bammana und Malinke auch nicht viel mehr zu hören ist, als eine allerdings hochinteressante Ursprungslegende. Bis jetzt ist es mir nur für die Bosso-Songbai gelungen, näheres über die Beziehung der Menschen zu dieser Art von Wasserkobolden zu hören. Man wird aber im Bd. V der Geschichtsüberlieferungen finden, daß der Bammanaglaube eine Episode im Leben des Segukönigs Biton mit Faro und seiner Mutter in Verbindung bringt. —Hier nun die Faro-Ma-Mythe der Bammana:

Zwei Fulbefrauen badeten einmal und plätscherten vergnügt im Wasser umher. Natürlich waren sie nackt, denn sie hatten ihre Kleider bei zwei mit Körben zugedeckten und mit Milch gefüllten



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Kalebassen am Ufer liegen lassen. Sie sahen auf und sahen zu ihrem Schrecken ihre beiden Schwiegerväter am Ufer daher kommen. Die eine rief: "Ach, da kommt mein Schwiegervater. Ach, wie ich mich schäme, daß ich nackt bin."

In ihrer Angst sprang die eine nackt wie sie war in das tiefe Wasser, tauchte unter und wurde sogleich die erste Farofrau. Die andere dagegen sprang ans Ufer, nahm aber als einstweiligen Schutz schnell den Korb von ihren Milchkalabassen, um wenigstens etwas geschützt zu sein und sprang dann geängstet in die Tiefe. Sie war die erste Mafrau.

Mit Entsetzen sahen die beiden Schwiegerväter, was sich da ereignete. Der eine von ihnen trug die Haare noch lang, wie die Fulbe dies früher taten, der andere trug die Haare schon geschoren. Der alte Fulbe, der die Haare geschoren trug, rief: "Ach, was habe ich da verschuldet! Ich bin schuld an diesem Unglück, das meiner Schwiegertochter widerfahren ist." Damit stürzte er sich an derselben Stelle ins Wasesr und war sogleich in das erste Faromännchen verwandelt. Der andere Fulbe mit den langen Haaren rief: "Ach, was habe ich da verschuldet! Ich bin schuld an diesem Unglück, das meiner Schwiegertochter widerfahren ist." Danach stürzte er sich an derselben Stelle in das Wasser und ward sogleich das erste Mamännchen.

Am Ufer standen die beiden Milchkalebassen. Sie verwandelten sich in Termitenhaufen, und zwar wurde der ohne Kopfbedeckung ein brauner runder, der mit den übergestülpten Korbdeckeln ein großer, pilzförmiger Termitenhaufen. Am Ufer war ein Sklave der alten Fulbe geblieben. Er sagte: "Ich mag nicht mehr helfen", stürzte sich ins tiefe Wasser und ward der erste Bammana. Darauf kam das Pferd des einen Fulbe, stürzte sich in das Wasser und ward ein Me, ein Wasserpferd. Die Malinke nennen das Geschöpf Ndjirosu. Denn auch Pferde gibt es im Wasser, und zwar sind sie gefleckt. Ferner stürzte sich auch der Ulu, der Hund der Fulbe in die Tiefe und ward zum Ulu-jege, einem Fische, der durch große Zähne ausgezeichnet ist. Dergestalt wurde die Tiefe des Wassers durch die Verwandten der Fulbe bevölkert.

Eigentümlich ergeht es denen, die in der Tiefe einem Faro in die Hände fallen. Der Faro schleppt den Gepackten bis in seine Behausung, die unter dem Wasser liegt. Hier hat er zunächst die Arbeit der Haussklaven zu verrichten. Er muß nämlich den Hof fegen. Daran, wie der Eingefangene das macht, vermag der Faro schon zu erkennen, welcher Kaste er angehört. Danach führt er ihn vor die Haustür. Neben dem Eingange ist ein großer Stein. Der Erhaschte muß einen Schluck Wasser in den Mund nehmen, den Mund ausspülen und dann auf den Stein ausspeien. Wer nun unreinen Blutes



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oder gemischten Kastenursprunges ist, der hat vorher von den kleinen Bratfischen gegessen, der reine, echte, ungemischte Sprößling aber nicht. Faro untersucht nunmehr den Stein ganz genau. Sind keine kleinen Fischreste aus dem Munde des Gefangenen gekommen, so gilt er als rein, und sein Leben ist wenigstens gerettet. Findet der Faro aber Fischrestchen, so ist der Arme damit zum Unfreien gestempelt; nun beißt der Faro ihm erst die Magenscheidewand durch und dann frißt er ihm die Eingeweide heraus.

Mit der Scham der beiden Fulbefrauen vor ihren Schwiegervätern und deren Schuldbewußtsein erklären es auch die Fulbe, wenn bei ihnen Männer und Weiber nicht nur getrennt essen, sondern auch sorgfältig darauf achten, daß kein Geschlecht das andere beim Essen betrachte.


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