C. M. Wieland's Werke.
Zehnter Band.
Sechstes Buch.
Sie nahte nun, die furchtbare Stunde, Da Gandalin weit größere Fahr, Als alle Ritter der Tafelrunde Je untergangen, bestehen war. |
Ein säuselnd Abendlüftchen kühlte Die lechzende Au'; und durchs Gebüsch Und um die schlanken Pappeln spielte Die sinkende Sonne zauberisch. Die Schatten wuchsen, wurden immer Nächtlicher um das stille Bad; Nur einzeln funkeln am Gestad Vergüldete Rosen im warmen Schimmer Des Abendstrahls. — In sich hinein Geschmiegt, umlauschend und über und über Jungfräulich erröthend, wiewohl allein, Sitzt schon auf weich bemoostem Stein Die neue Diana Je länger je lieber, Die Füße weißer als Elfenbein, Im Wasser. Und nun — O, flieh, wenn Fliehen Noch möglich ist! Wo schaust du hin, |
Das Schauspiel freilich war so schön! So schön, daß von benachbarten Zweigen Mitten in ihrem Lustgetön Die kleinen Vögelein plötzlich schweigen, Bis auf die dünnsten Aeste steigen Und mit gestrecktem Hälschen sich Es anzuschauen herunter beugen. Die grüne Nacht, so schauerlich, Die Luft, wie Athem der Liebe, die Sonne In Gold zerfließend, — Alles mehrt, Erhebt, vollendet des Anblicks Wonne Und macht ihn eines Gottes werth. |
Dergleichen Scenen auszuhalten, Ist einem Jeden nicht beschert. Ich lass' es gelten von alten, kalten Heil'gen Roberten von Arbrissel! Die durften, den Satan baß zu plagen, Sich wohl in größre Gefahren wagen. Allein ein armer Junggesell, Wie unser Ritter, ist zu beklagen, Der, durch sein eigen Fleisch und Blut Und einer Zofe Schlangenzunge |
"Und konnt' er (denkt ihr) gegenüber So einem Schauspiel noch an Fliehn Gedenken? — Er ist nun einmal über Den Rubicon! Die That war kühn! Allein jetzt ist Je länger je lieber Das Wort!" — So denk' ich selbst — gewiß Fühlt's auch der Ritter; und eben dieß Drang ihn zur Flucht. — Er war verloren, Hätt' ihn nicht Sonnemon noch beim Ohren- Läppchen gezupft. "Flieh, Gandalin!" Hört' er sie flüstern — und eilig fliehn Wollt' er. Allein wie kann er weichen? Das kleinste Rauschen in den Sträuchen Entdeckt ihn. — Gott! Eh stürze ihn Ein Donnerkeil zu ihren Füßen! Eh' hätt' er mit eigner wüthender Hand Sich beide Augen ausgerissen! Gut, daß sich noch ein Mittel fand, Das, wenigstens ohne Blutvergießen, Ihn noch im Sinken oben hält. "Das war?" — Das simpelste von der Welt; Nichts, als die Augen zuzuschließen. |
"Das konnt' er thun? — Er that's. — "Dieß kann |
Die Dame hatte nun ausgebadet Und, ihrer Würde unbeschadet, Dem armen Lauscher viel Augenlust Um einen theuren Preis gewähret. Denn, ach! der Unglücksel'ge kehret Mit einem brennenden Pfeil' in der Brust Zurück nach Hause. Immer und immer Steht sie, im goldnen Abendschimmer, So lieblich erröthend, vor seinem Gesicht! Immer in diesem magischen Licht, |
Und sollt' ich erst die Qualen beschreiben, Die, wie die Furien den Orest, Mit Schlangenpeitschen herum ihn treiben, Wenn ihn das Liebesgötternest |
Oft, wenn das brennende Gewissen, Die Qual, sich selbst verachten zu müssen, Er länger nicht ertragen kann, Fällt wüthend der Gedank' ihn an, Sein treulos Herz sich aus dem Leibe Zu reißen und dem geliebten Weibe, Dem's angehört, an seiner Statt Es zuzuschicken — um ihr zu zeigen, Wie sie die Liebe gerochen hat. "O Sonnemon, dir nichts zu schweigen Gelobt' ich — Sieh, dieß Herz, das dich Nur lieben sollte! — In wenig Wochen Warst du gewonnen — O Götter! und ich, Ich Schwacher — hatte zu viel gesprochen! Dieß Herz verrieth, verführte mich; Allein, so hab' ich dich gerochen!" |
Sein weißer Dämon, zu gutem Glück Wachsam, hielt ihm die Hand zurück. |
Unstreitig war kein andrer Rath; Zumal bei Hof und in der Stadt Und, wenig fehlte, auf allen Gassen |
Noch einen Grund, sich nicht zu säumen, Darf ich nicht schweigen, wie gern' ich's thät', Um nicht der beleidigten Majestät Des schönen Geschlechts verdächtig zu werden. |
Es bleib' euch also unverhohlen, Daß auch in unsers Fräuleins Herz Die Liebe sich endlich eingestohlen, Die Liebe, mit der sie immer nur Scherz Getrieben. Nun that sie freilich Alles, Was ehrbarn Mädchen solchen Falles Geziemt, damit der Ritter ja Nichts von der Sache merken sollte; Und was dann immer geschieht, geschah Auch hier: ein Blinder nämlich sah, Sie trug was, das sie verbergen wollte; Und daß es bare Liebe sey, Errieth sich ohne Zauberei. Sagt, einer habe Feuer im Busen Heimlich getragen; ich stell's dahin, Wiewohl ich's zu glauben nicht schuldig bin: Allein, daß einer Liebe im Busen |
Es ist nicht ohne, daß kleine Meister Der Liebeskunst sich oft und gern' Hierin betrügen. Den jungen Herrn Steigen sogleich die Lebensgeister, Wenn etwan in ihrer Gegenwart Ein Seufzer (oft nichts bei einer Schönen, Als eine höfliche Art zu gähnen) Ein Halstuch hebt. Doch dieser Art War unser Ritter nicht. Beweise Von großer Stärke gehörten dazu, Damit der Gedank' in ihm nur leise Entstehen konnt', er sey der Ruh Von einer schönen Dame gefährlich. Alle Beweise, die ihr davon Entwischten und jedem Andern es klärlich Bewiesen hätten, — der kränkelnde Ton, Der Wellen werdende Busen, das Feuer In ihren Augen, durch sieben Schleier Unaufgehalten, und daß sie sich Mitten in einem zärtlichen Blicke Schnell von ihm wandt' und oft und dicke Ihr ganz zur Unzeit ein Seufzer entschlich, |
Nunmehr verlor er keine Zeit, Das Fräulein von der Nothwendigkeit, Ihr Leibkameel flugs zu besteigen, Durch viele Gründe zu überzeugen Oder, was einerlei Wirkung that, Sie wenigstens zum Gehorchen und Schweigen Zu bringen. Auf seinen guten Rath Reiste sie nur mit wenig Staat, Den Laurern möglichst vorzubeugen. Vorsicht, wiewohl sie zuweilen sich Verrechnet, ist immer löbelich. |
So zogen nun, in tiefer Stille, Den Kopf vorhängend, sie und er Im Morgenrothe gemach daher, Gedrückt von ihrer Gedankenfülle. Sie waren kaum zwei Stunden gereist, Als ihnen aus einem nahen Holze, Den Speer gefällt, mit großem Stolze, Ein blauer Ritter entgegen sich spreißt. Er hatte hinter seinem Rücken Ein altes Weiblein aufgepackt, Eins von den seltsamsten Hausrathsstücken, Womit sich je ein Ritter geplackt: Ein Weibchen von solchem Schrot' und Korne, Daß die berühmte Maritorne, Mit ihrem feuerfarbnen Haar Und allen übrigen Zugehören, Den Magen ganz sanft euch umzukehren, An ihrer Seite — Venus war. |
Warum mit einer solchen Megäre Der blaue Ritter seine Mähre Beladen mögen, wundert euch? Es war ein angelegter Streich, Dem Gandalin eine Gegenehre Im Namen der Schönen von Paris Für seine Galanterie zu erweisen, Daß er sie sämmtlich sitzen ließ, Mit einer Maske davon zu reisen. |
Der Ritter, ein langer Damenknecht, |
In solchem Vorsatz stellt' er sich, So wohlgemuth als ging's zum Tanze, Dem kommenden Ritter trotziglich Entgegen mit eingelegter Lanze Und schrie von ferne schon; Halt' ein! Hier ist der Weg gesperrt, Herr Reiter! Und, so Ihr etwa Lust habt, weiter Zu reisen mit Eurem Jüngferlein, So nehmt den Helm ab und bekennet, Daß diese Prinzessin, für die ihr brennet, Und die mit Euch die Welt durchstreicht, Der meinen, hinten auf meinem Schimmel, An Schönheit nicht das Wasser reicht; Bekennt es laut vor Erd' und Himmel, Und zieht dann meinetwegen, wohin Ihr wollt mit Eurer Königin! |
Mein Ritter sieht mit kaltem Blicke |
Das ist mir leid, |
(Erwiedert jener) desto schlimmer! Denn ohne Fechten kommt Ihr nimmer Von hier; es sey denn, Ihr bekennt, Wie obsteht. — "Das möchte vor meinem End Wohl schwerlich geschehn, mein Herr!" |
So sprechen |
Wir mit einander. — "Nun, (versetzt Mein Ritter) wenn etliche Rippen zu brechen Euch denn so übermäßig ergetzt, So kommt! Euch aus dem Sattel zu stechen, Braucht's eben keine große Zeit. Nur her!" — Und so begann der Streit. Die Alte sprang in großer Eile Vom Pferd' und kroch auf ihrem Bauch Vor Angst in einen Brombeerstrauch; Und beide Ritter ohne Weile Spornten die Rosse, holten aus, Stießen zusammen in hartem Strauß', Und, krack! da liegt auf allen Vieren Mein Prahler, ohne sich zu rühren. |
Herr Gandalin, an dessen Schild |
Sein schwacher Stoß leicht abgeglitten, |
"Von Herzen gern — (spricht unser Held) Ich seh' Euch zwar ein wenig hinken, Ein wenig viel! Wenn's Euch gefällt, So warten wir noch." — Nicht eine Minute. — Ich fühle mich an Arm und Muthe Für einen Amadis stark genug. |
"Das freut mich herzlich zu vernehmen. Doch werdet Ihr, vor dem Degenzug, Zu einer Bedingung Euch bequemen." — Die ist? — "Wenn ich (spricht Gandalin) Euch zu entwaffnen so glücklich bin, Die Dame in Euren Schutz zu nehmen, Die bei mir ist." |
Die Dame? (spricht |
Rings um sich schauend der blaue Ritter) Ich sehe keine Dame nicht. Wo ist sie! — Ha! die wird ein Dritter, Indessen das kleine Lustgestech Uns aufhielt, weggeblasen haben! |
"Wie? Sie ist fort? (ruft unser Mann Bestürzt) Verschwunden, oder es kann Nicht möglich seyn! — Welch Abenteuer! Ich muß ihr nach! Ein ander Mal, Herr Ritter! jetzt ist keine Wahl! Die alte Freundschaft geht vor neuer!" |
Indem springt er mit einem Sprung In seinen Sattel, und, wie er den Schwung Nehmen will, glänzt im Graf' ein Schleier Ihm in die Augen. Sein Herz erkennt Den Schleier, eh' ihm sein Aug' ihn nennt: Er ist des Fräuleins! — Und ohne vom Pferde Zu steigen, rafft er im Flug' ihn auf, Küßt ihn und drückt ihn, gibt dem Pferde Die Sporen, und unter seinem Lauf Verschwindet rings um ihn die Erde. |