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Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal


Mit zwei Beilagen Übertragen von Rudolf meißner

verlegt bei Lugen Diederichs in Jena 1913


73. Thorleik und Bolli reisen nach Norwegen

Nun begaben sich die beiden Brüder zum Schiff. Bolli nahm grases Gut mit auf die Reise. Sie machten nun das Schiff segelfertig, und als sie ganz klar waren, gingen sie in See. Sie hatten nicht gleich Fahrwind und waren lange unterwegs. Im Herbst erreichten sie Norwegen und kamen im Norden an, bei Thrandheim. 1 König Olaf war im Ostlande und saß in der Wik und hatte dort vorbereitungen für den Winteraufenthalt getroffen.

Und als die Brüder das erfuhren, daß der König nicht mehr in den Norden nach Thrandheim kommen würde in diesem Herbst; da sagte Thorleik; daß er an der Küste entlang nach dem Ostlande segeln und den König aufsuchen wolle. Bolli erwiderte: Wenig behagt es mir, von Handelsplatz zu Handelsplatz mich durchzuschlagen zur Herbstzeit; das scheint mir eine große Plage und Unlust. Ich will hier den Winter über in der Stadt sitzen. Mir ist gesagt, der König werde im Frühjahr nach dem Norden kommen; und wenn er nicht kommt, will ich mich nicht widersetzen, daß wir beide uns aufmachen, ihn aufzusuchen. Bolli behielt seinen Willen; sie löschten nun ihre Ladung und nahmen sich eine Wohnung in der Stadt.

Sehr bald zeigte sich, daß Bolli ehrgeizig war und sich hervortun wollte vor andern Männern; das gelang ihm auch, denn er war freigebig; er kam bald zu hohem Anseben in Norwegen. Bolli hielt sich ein Gefolge während seines Winteraufenthaltes in Thrandheim, und auf den ersten Blick sah man, wenn er su Trinkgelagen ging, daß seine Leute besser ausgestattet waren an Kleidern und Waffen als anderes Volk in der Stadt. Er bezahlte auch allein für alle seine Gefolgsleute, wenn sie an Trinkgelagen teilnahmen. Ebenso zeigte sich auch sonst seine Freigebigkeit und sein Herrenwesen.

Die Brüder waren nun in der Stadt während des Winters. In diesem Winter saß König Olaf im Ostlande in Sarpsborg, 1 vgl S. i26, Anm. I. 2 vgl. S. 42, Anm. 3. 3 Sarpsborg, mit dem berühmten Wasserfall Sarpsfoß, liegt nicht west landeinwärts von Frederiksstad am Glommen.



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und vom Ostlande kam die Kunde, daß man im Norden nicht auf die Ankunft des Königs rechnen sollte. Gleich zu Anfang des Frühlings machten die Brüder ihr Schiff seeklar und segelten nach dem Ostlande längs der Küste. Ihre Fahrt verlief günstig, und sie kamen ins Ostland nach Sarpsborg und begaben sich sofort zu König Olaf; der König begrüßte freundlich Thorleik, seinen Gefolgsmann, und die Gefährten mit ihm, Dann fragte der König Thorleik, wer der kühne Gesell sei, der ibn begleite; er antwortete, das ist mein Bruder und er heißt Bolli." "Wahrhaftig. das ist ein prächtiger Mann," sagte der König.

Darauf lud der König die Brüder ein, bei ihm zu bleiben; sie nahmen das mit Dank an und waren beim Könige im Frühling. Der König behandelte Thorleik freundlich wie früher, doch schätzte er Bolli weit höher, denn er erschien dem Könige als ein durchaus überragender Mann.

Und als der Frühling verging, redeten die Brüder über ihre Reisepläne; Thorleik Sagte, ob Bolli im Sommer nach Island fahren wolle; — "oder willst du länger in Norwegen bleiben Bolli antwortete: "Ich denke keins von beiden zu tun; und die Wahrheit zu sagen, es war nicht meine Absicht, als ich von Island ausreiste, nur vom Haus ins Nachbarhaus zu ziehen; ich will nun, Bruder, daß du unser Schiff übernimmst. Thorleik empfand das schmerzlich, daß sie trennen sollten, — "aber du sollst hierin, wie in allem andern, zu entscheiden haben, Bolli." Was sie so besprochen hatten, trugen sie dem Könige vor, aber antwortete folgenderweise:"Willst du nicht, Bolli, länger dich bei uns aufhalten:" sagte der König, " das würde mir das beste scheinen, wenn du eine Zeitlang bei uns bliebest; ich wurde dir dieselbe Stellung verleihen, die ich deinem Bruder Thorleik gegeben habe." Da antwortete Bolli: "Sehr gern wäre ich dazu bereit, Herr, in Eure Hand zu schwören, doch will ich zuerst dorthin, wohin ich schon früher mir vorgenommen hatte zu reisen, und wohin seit langem mein Wunsch mich zieht; aber Euer Anerbieten will ich gerne annehmen, wenn mir die Rückkehr vergönnt ist." "Du sollst bestimmen, wohin du fahren willst, Bolli," sagte der König, denn ihr seid in allen



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Dingen eigenwillig, ihr Isländer; aber das will ich zum Schluß noch sagen, daß meiner Überzeugung nach, Bolli, du der ansehnlichste Mann bist, der in meinen Tagen aus Island gekommen ist.

Und als Bolli Urlaub vom Könige bekommen saite, rüstete er sich zur Reise und ging an Bord eines Kauffahrers. der nach Dänemark bestimmt war; er nahm großes Gut mit sich; ihn begleiteten auch einige seiner Gefährten. König Olaf und er schieden in großer Freundschaft; der König gab Bolli wertvolle Geschenke zum Abschied. Thorleik blieb da bei König Olaf zurück, aber Bolli fuhr südwärts seines Weges, bis er nach Dänemark kam; er blieb den Winter über dort in Dänemark und empfing da große Ehren von mächtigen Männern; er hielt sich dort auch in keiner Weise weniger stattlich, als er in Norwegen getan hatte.

Und als Bolli einen Winter in Dänemark gewesen war, da brach er auf zur Weiterreite von Land zu Land und unterbrach seine Reise nicht, bis er hinunter nach Miklagard 1 kam. Nicht lange, nachdem er dort Aufenthalt genommen hatte, trat er in die kaiserliche Leibgarde. 2 Wir haben keine Kunde darüber gehört, daß ein Nordmann vor Bolli. Bollis Sohn, in den Dienst des Königs von Miklagard getreten sei. Er war in Miklagard sehr viele Jahre und zeigte sich als der kühnste Mann bei allen Männerproben und stand immer unter den ersten. Die Männer der Leibgarde hielten viel von Bolli, solange er in Miklagard war.


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