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Kapitel 

[815]

Konrad Spörli an
Bullinger,
die Pfarrer des [Wetzikoner] Kapitels und die Synodalen in Zürich
[Zürich] ,
7. Mai 1536

Autograph: Zürich StA, E II 355, 77 (ohne Siegel) Ungedruckt

Weil Ihm nach dem Zweiten Kappelerkrieg von Abt Ludwig in Einsiedeln das Einkommen reduziert worden war, sprachen Ihm die Verordneten Peter Meyer, Ulrich Stoll und Hans Bleuler jrn April eine Aufbesserung von acht Gulden aus dem Kirchen gut Hornbrechtikons zu; die Gemeinde, der dies mißfiel, hat ihm nun auf den 1. Mai gekündigt. Bittet um Beurteilung seiner Sache in der Synode, auch uni Anhörung der [Abgeordneten] von Hornbrechtikon und uni Versetzung in eine andere Pfarrei. [Vorangestellte Bemerkung:] Das Pfrundeinkommen beträgt nur 32 Stuck; über das Kirchengut wissen Vogt Bleuler und andere Bescheid.

Die a pfrund hat in aller sum nit mer dan 32 stucke 3 Der kilchen gut ist minem herren und vogt, meister Hansen Blüwler, ouch anderen minen herren wol bekant und ze wissen b .

8 Ein unbekannter Verrückter (SI VII 1070f).
a-b Diese Bemerkung ist von Spörli, vielleicht auf nachträgliche Aufforderung, an den oberen Briefrand gesetzt worden.
1 Konrad Spörli, von St. Gallen, gest. um 1566, war von 1523 bis 1546 Pfarrer in Hombrechtikon (Kt. Zürich). 1525 geriet er durch sein radikales Predigen in Konflikt mit der Obrigkeit, später stritt er sich mit der Gemeinde in Pfrundangelegenheiten; die (Z. 30-35) erwähnte Absetzung wurde aber von Zürich nicht anerkannt. 1546-1566 wirkte er als Pfarrer in Buchs (Kt. St. Gailen). Aus dem Briefwechsel
mit Bullinger sind keine weiteren Schreiben bekannt. — Lit.: Heinrich Buhler, Geschichte der Kirchgemeinde Hombrechtikon, Stäfa 1938, S. 37-46; Pfarrerbuch 536; Die evangelische Pfarrerschaft des Kantons St. Gallen, seit dem Bestehen jeder reformierten Kirchgemeinde bis 1970 zusammengestellt und mit biographischen Notizen versehen von Hans Martin Stückelberger, St. Gallen 1971, S. 165.
2 Vermutlich war Spörli an diesem Sonntag, zwei Tage vor der Synode, bereits in Zürich. Die fehlende Siegelung bestärkt diese Annahme.
3 Maßeinheit für die Berechnung der Besoldung (vgl. Paul Kläui, Ortsgeschichte, 2., überarb. Aufl., Zürich 1956, S. 123).

Salus per Ihesum Christum etc.

Ersamer, wiser herr und mitbruder, ich thon üch ze wissen, nach dem und wir miteinandren gereth hand, von wegen der pfrund ze Humprächtikon, wie der ze helffen were, zeigen ich üch an, das ein gnediger herr ze den Einsydlen 4 vor dem Cappeler krieg haut mir von dem zechenden geben, so er ze Humprächtikon hat 5 , 14 müt 6 kernen, 4 eimer 7 win und 1 malter 8 haber. Aber nach unserem onfal 9 mir söllichs abgebrochen 10 und geschwecht, und git mir jetzunder 9 stucke vom zenden, die der pfrund dienend, und das zechend stucke, das er ouch gipt, nympt die kilch oder die kilchenmeyer 11 ze Humprächtikon. Das ist non nit versiglet 12 , aber sust verschriben 13 , das dise stucke allein mir söllend werden, so lang ich ze Humprächtikon belibe, und nit eim andren. Darumm, lieber herr Meister Heinrich, wo von Einsidlen üwerer pfrund, so unseren gnedigen, wisen herren ze versprechen stat, an dem ort nit witter mag geholffen werden, weiß ich witer keinen ingang 14 . Item unsere gnedigen, wisen herren, namlichen meister Petter Meier 15 , meister Uli Stoll, meister Hans Blüwler, unser herr und vogt im ampt Grünigen, sind von einem ersamen, wisen rath verornet worden und ze Stefan 16 von der pfrund und miner narung 17 halb gehandlet und den kilchenmeieren geseit und denen, so bi inen gesin send, Dass si mir uß dem kilchengut söllent acht guldin geben zur besserung, wann 18 mir ze Humprächtikon der pfrund 14 müt kernen, 3 kopff 19 kernen und 2 fiertal 20 kernen von den puren ist abgelöst worden 21 . Und als

4 Ludwig Blarer von Wartensee, als Ludwig II. Abt des Klosters Einsiedeln.
5 Zu Beitrag und Beitragspflicht des Klosters Einsiedeln an die Pfarrei Hombrechtikon s. Odilo Ringholz, Die ehemaligen protestantischen Pfarreien des Stiftes Einsiedeln, in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 12, 1918, S. 17; vgl. auch Bühler, aaO, S. 36f.
6 Hohlmaß; 1 Mütt entsprach 82,8 1 (vgl. Kläui, aaO, S. 122f).
7 1 Eimer entsprach 110 1 (vgl. ebd., S. 123).
8 1 malter entsprach 333,6 1 (vgl. ebd., S. 122f).
9 gemeint ist die Niederlage im Zweiten Kappelerkrieg.
10 reduziert (SI V 324f).
11 Unbekannt.
12 besiegelt, verbrieft (vgl. SI VII 503f und VI 404).
13 schriftlich festgehalten, aufgezeichnet (SI IX 1508-1510). — Ein entsprechendes Schriftstück ließ sich nicht auffinden.
14 Einkünfte (SI II 21).
15 Peter Meyer, aus dem thurgauischen Tägerwilen stammend, 1508 in Zürich eingebürgert,
starb 1554. Meyer war von 1518 an Mitglied des Großen, von 1520 bis 1554 Mitglied des Kleinen Rates. Er war häufig in Kommissionen tätig und oft als Gesandter, insbesondere in die Ostschweiz, eingesetzt. Im Verlaufe seiner politischen Laufbahn übte er zahlreiche Ämter und Funktionen aus; er war u. a. 1525-1527 und 1537-1538 Amtmann des Klosters Rüti, 1537 und 1543 Rechenherr und in den Jahren 1541-1542 und 1550-1551 Eherichter. Mit Bullinger scheint Peter Meyer, der mit Hans Vogler befreundet war, keine Briefe gewechselt zu haben. —Lit.: Jacob 219-221; Fabian, Geheime Räte 523; Schnyder, Ratslisten 594.
16 am 17. April 1536.
17 Lebensunterhalt (Grimm VII 312).
18 weil (Grimm XIII 1864).
19 Dieses Flüssigkeits- bzw. Hohlmaß entsprach in Zürich einem Dreißigstel des Eimers (vgl. Anm. 7) und einem Achtel eines Mütts (vgl. Anm. 6 sowie SI III 411).
20 das Viertel eines Mütts (vgl. Anm. 6).
21 losgekauft worden (SI III 1441).

unsere lieben herren, ein erwirdiger, wiser herr burgermeister und ein gesessner rath, der gmeind ze Humprächtikon einen brieff 22 hand zugeschickt, das si mir dise 8 g[uldin] söltend geben, und namlichen lutet der brieff, all fronfasten 23 2 g[uldin], hand si darüber gemeindet 24 und gereth, si habentz nit und vermog es die kilch nit, und wann sis miesend gen, so miestend sis uß irem eignen gilt gen. Darum so were das deß Hans Krawers 25 rath, der non fast der elst in der gemeind und ein eegomer 26 ist, das mir ein gemeind sölle urlob geben 27 etc. Dem hat man gefolget und hand mir die puren hinderem vogt 28 , onwüssend minen gnedigen, getrüwen, lieben herren, jetz in die Phylippi et Jacobi 29 urlob geben umb der ursach willen der acht guldin und darbi vermeint, si siend herr über die pfrund etc.

Uff söllichs begeren ich, das man mich ußstelle und censsiere 30 und och von den puren venemend, warumb si doch söllichs gehandlet habent. Bitten Lich ouch, lieber Meister Heinrich, deß gelichen Meistern Löwen 31 , ouch andere getruwen mitbrüder und foran mine gnedigen, wisen herren umb der eren gotes willen, das ir mich etwan 32 weilend verwechslen 33 oder vertuschen oder mich etwan an eim andren ort weilend versechen, bitten ich alle mitbrüder durch gotzwillen. Ouch was mich mine herren heisend, deß gelichen ein erbar synodus, das wil ich gütigklichen annemen und minen gnedigen herren von Zürich inallweg wie bishar ondertenig und gehorsam sin.

Datum 7. tag mey anno 1536.

Von mir, Conradus Spörli von Sant Gallen, ein armer diener des wort gotes ze Humprächtikon. Gott sye mit uns allen. Amen etc.

[Adresse auf der Rückseite:] Disser brieff gehört Meister Heinrichen Bullinger, ouch allen andren fromen und gelerten mitbrüderen deß gantzen capitels 34 , uff nechsten zinstag, nündten tag mey, ze verhören 35 etc.

22 Nicht erhalten.
23 d. h. vierteljährlich in den Fastenzeiten.
24 Gemeindeversammiung abgehalten (SI IV 307).
25 Ein Hans Krauer erscheint im Ufenauer Bruderschaftsverzeichnis des spaten 15. Jahrhunderts sowie im Glückshafenrodel von 1504. Sonst ist über diesen Vertreter des im Weiler Uetzikon angesiedelten Geschlechts weiter nichts bekannt. Vgl. Buhler, aaO, S. 24-26, und Glückshafenrodel I 246, 8; 259, 86.
26 Vgl. oben Nr. 742, Anm. 9.
27 den Abschied geben, kündigen (SI III 959).
28 hinter dem Rucken des Vogtes (Grimm IV/II 1490). —Landvogt im Amt Grüningen war Hans Bleuler.
29 1. Mai. — Die Gemeindeversammiung hatte die Entlassung Spörlis auf den 11. November 1536 beschlossen. Zur Abwahl und zu deren Rechtfertigung in Zürich s. Bühler, aaO, S. 44f.
30 mich in den Ausstand treten lasse und beurteile. — Zur Regelung der "Censura" in der Synode vgl. AZürcherRef 1899, S. 835.
31 Leo Jud.
32 bei Gelegenheit (SI I 594).
33 auswechseln (vgl. Grimm XII/I 2146).
34 Gemeint ist das Wetzikoner Kapitel, zu dem die Pfarrei Hombrechtikon gehorte.
35 Im Protokoll der Synode vom 9. Mai 1536 fand die Angelegenheit keinen Niederschlag (vgl. Zürich StA, E II 1, 201-211). 277