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Kapitel 

Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal


Mit zwei Beilagen Übertragen von Rudolf meißner

verlegt bei Lugen Diederichs in Jena 1913


14. Thorolf erschlägt Hall, den Bruder des Ingjald und findet Schutz bei Vigdis auf Goddastadir

Ingjald hieß ein Mann; er wohnte auf den Saudeyjar (Schafinseln); sie liegen im Breidifjord; man nannte ibn den Goden von Saudey; er war ein wohlhabender Mann in ansehnlicher Stellung.

Hall hieß sein Bruder, ein großer und rüstiger Mann. Er war arm; die meisten Menschen sagten, er sei zu wenig nütze. Zwischen den Brüdern war im allgemeinen wenig Einverständnis . Ingjald meinte, Hall gebe sich nicht Mühe genug, nach der Art höher stehender Männer sich zu betätigen, und Hall meinte, Ingjald täte zu wenig, um seines Bruders Haushalt zu besserm Gedeihen bringen.

Ein Fischplatz liegt im Breidifjord, Bjarneyjar genannt. 1 Da liegen mehrere Inseln bei einander, sie gaben reichen Fangertrag. In jener Zeit fuhren die Leute oft dorthin zur Fischerei da war Sommer und Winter viel Volk beieinander. Sehr wichtig schien es dabei den verständigen Männern, daß sich die Leute draußen auf den Fischgründen gui vertrugen; es war der



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Glaube, die Fischerei sei weniger ergiebig, wenn Streitigkeiten vorkamen; darauf achteten auch die meisten mit Sorgfalt. Eines Sommers, wird erzählt, kam Hall, der Bruder Ingjalds, des Goden von Sau dey, auf die Bjarneyjar, um dort zu fischen, Er hatte ein Boot gemeinsam mit einem Mann, der Thorolf hieß. Der war vom Breidifjord, nicht viel mehr als ein armer Herumstreicher, aber doch ein rascher Bursch. Hall blieb dort eine Zeitlang und wollte da vor den andern als ein vornehmer mann angesehen sein.

Es war eines Abends, als sie an Land kamen, Hall und Thorolf, und sollten nun den Fang teilen. Hall wollte sowohl die Teile machen als auch wählen, weil er sich für den höherstehenden ansah. Thorolf wollte aber von seinem Recht nicht ablassen und brauchte drohende Worte. Sie stritten sich einige Zeit lang, aber jeder blieb bei seiner Meinung. Da greift Hall nach dem Bootshaken, der neben ihm lag, und will ihn Thorolf über den Kopf schlagen. Nun laufen die Männer zwischen beide und halten ihn fest. Hall war rasend, konnte aber diesmal nichts ausrichten, und ihr Fang blieb ungeteilt. Thorolf ging fort an dem Abend, und Hall nahm allein den ganzen Fang, der beiden gehörte; da sah man, wer von den beiden mehr zu sagen hatte. Hall nahm sich nun einen andern Mann an Thorolfs Stelle in sein Boot und fuhr zum Fang wie sonst. Thorolf war übel zufrieden mit dem Ausgang; er meinte, bei diesem Streit Schmach erlitten zu haben er blieb aber doch auf den Inseln und sann nur darauf diesen Haken, der gegen seinen Willen krumm gebogen war, wieder zu strecken. Hall zeigte keine Furcht und war überzeugt, daß keiner dort, im Gebiete seines Geschlechtes, es wagen würde, sich mit ihm zu messen.

Es war ein schöner Sommertag, als Hall ausruderte, sie waren zu dreien auf dem Boot; der Fisch biß gut an dem Tage; sie ruderten abends nach Hause und waren sehr lustig. Thorolf hatte saus Tun den ganzen Tag über beobachtet und abends auf dem Landungsplatz Posten gefaßt, als Haus Boot herankam. Hall ruderte vorn am Steven. Er sprang über Bord und wollte das Boot an Land ziehen. Und als er hinaussprang, war Thorolf



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da und versetzte ihm gleich einen Schwertschlag. Der Hieb traf den Hals an den Schultern, so daß der Kopf absprang. Thorolf suchte das Weite, und Haus Gefährten machten sich aufgeregt mit der Leiche su schaffen. Die Neuigkeit verbreitete sich über die Inseln, der an Hall verübte Totschlag; das erschien als eine Kunde van Wichtigkeit, denn der Mann stammte aus vornehmer verwandtschaft, wenn ihm auch das Schicksal nicht besonders günstig gewesen war. Thorolf suchte nun von den Inseln fort zu kommen, denn er konnte dort auf niemanden rechnen, der seine Hand über ihn halten sollte nach dieser schweren Tat. Er hatte da auch ketne verwandten, von denen er Hilfe erhoffen konnte, dagegen sagen Männer in der Nähe, die, das war mit Gewißheit zu erwarten, ihm nach dem Leben trachten würden und große Macht hatten, so z. B. Ingjald, der Gode von Sander, Haus Bruder. Thorolf verschaffte sich Überfahre nach dem Hauptlande. Er reiste in aller Heimlichkeit. von seiner Fahrt ist nichts bekannt, bis er eines Tages gegen Abend nach Goddastadir kam .Vigdis, die Frau des Thord Gaddi, war irgendwie mit Thorolf verwandt; deshalb hatte er seinen Weg nach diesem Hof genommen; auch wußte Thorolf schon von früher her, wie es da stand, daß Vigdis willensstarker war als Thord, ihr Mann. Und gleich am Abend, als Thorolf dort angekommen war, suchte er Vigdis auf und erzählte ihr von seiner Not und bat sie um Hilfe. Vigdis antwortete folgendermaßen auf seine Rede: Nicht will ich unsre verwandtschaft verleugnen; auch habe ich über diese Tat, die du verübt hast, nur die Meinung, daß ich dich deshalb nicht für einen schlechteren Mann ansehe; doch weiß ich im voraus, daß die sich selbst und ihr Hab und Gut aufs Spiel setzen, die dir Hilfe gewähren: so mächtig sind die Männer, die diese Sache verfolgen werden. Thord, mein Mann", sagte sie, "ist kein großer Held; Entschlüsse, die wir Frauen fassen, mangeln oft der voraussicht , wenn es auf den Ausgang ankommt. Aber doch denke ich durchaus nicht daran, dich im Stich zu lasen, da du nun einmal hier Hilfe zu finden hoffst." Dann führte ihn Vigdis in einen Schuppen und bat ihn, auf sie zu warten; sie legte ein Schloß vor die Tür. Dann ging sie zu Thord und sprach:



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Hier ist ein Mann gekommen, der Herberge erbittet. Er heißt Thorolf und ist ein entfernter verwandter von mir; es wäre gui ibn, wenn er länger hier bleiben könnte, vorausgesetzt, daß du ihm den Aufenthalt gestattest."Thord sagte:" Er sei nicht dafür, daß Fremde sich auf dem Hof einquartierten. Er möge sich da den nächsten Tag ausruhen, wenn er nicht etwas auf dem Kerbholz hätte, sonst solle er sich so schnell als möglich auf den Weg machen. Vigdis erwiderte: "Zugesagt habe ich schon die Beherbergung, und mein Wort nehme ich nicht wieder zurück, wenn es auch Leute gibt, die nicht seine Freunde sind. Darauf erzählte sie Thord von dem Tode Halls, und zugleich, daß Thorolf ihn erschlagen habe, der da auf den Hof gekommen war. Thord ward darüber böse, er sagte, das wisse er sicher, Ingjald würde ihn viel Geld bezahlen lassen für die Gastfreundschaft, die schon jetzt dem Manne gewährt worden sei — weil wir ihn hinter Schloß und Riegel geborgen haben" . Vigdis antwortete: "Nicht wird Jngjald Geld van dir fordern für die Gastfreundschaft einer Nacht, denn der Mann soll den ganzen Winter über hier bleiben. Thord sagte: "Auf diese Weise läßt du mich alles verspielen, und es ist gegen meinen Willen, daß ein solcher Unglücksmensch sich hier aufhält." Aber Thorolf blieb doch den Winter über dort.

Das erfuhr Ingjald, der den an seinem Bruder verübten Totschlag zu verfolgen hatte. Er rüstete sich zur Fahrt ins Talgebiet, als der Winter zu Ende ging; er sog das Reiseboot ins Wasser, das er besaß; sie waren zwölf Mann zusammen. Sie segelten ab vor einem scharfen Nordwest und kamen abends in der Lachswassermündung an. Sie zogen das Reiseboot hinauf und begaben sich am Abend nach Goddastadir und kamen nicht unerwartet. Sie wurden dort wohl empfangen.

Ingjald nahm Thord auf die Seite und erklärte, was ihn dorthin geführt habe; es sei ihm bekannt, daß Thorolf, der Hall erschlagen habe, sich dort aufhalte. Thord sagte, das sei nicht wahr. Ingjald hat ihn, die Sache nicht zu bestreiten:" wir zwei wollen einen Handel miteinander schließen; du gibst den Mann heraus und zwinget mich nicht, Gewalt anzuwenden, und ich habe hier drei Mark Silber, die sollen dein Eigen sein.



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Ich will auch auf die Klageansprüche verzichten, die ich gegen dich habe weil du Thorolf beherbergt hast." Thord schien das ein schönes Geld, dazu war ihm verzicht auf den Klageanspruch zugesagt, vor dem er am meisten Angst gehabt hatte, weil er meinte, dabei Verluste an Hab und Gut zu erleiden. Thord sprach da: "Ich werde nun vor den Leuten mich ganz gegen unsere Verabredung benehmen, aber doch soll dies so unter uns beiden abgemacht sein." Sie schliefen dann, bis die Nacht verging und sich allmählich dem Tage zuneigte.


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