Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Die Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal


Mit zwei Beilagen Übertragen von Rudolf meißner

verlegt bei Lugen Diederichs in Jena 1913


12. Höskuld kauft eine Sklavin

Zu Anfang des nächstens Sommers geschah es, daß der König mit dem Landesaufgebot ostwärts 1 nach Brenno 2 zur gebotenen Versammlung zog und Frieden für sein Land erneuerte, wie es die Gesetze jeden dritten Sommer bestimmten. Diese versammlung war zwischen den Fürsten festgesetzt, um die Sachen zu erledigen, über welche die Könige zu entscheiden hatten. Man sah es als eine Vergnügungsreise an, diese versammlung aufzusuchen, denn da fanden sich Leute aus fast allen Ländern ein, von denen wir Kunde haben. Höskuld brachte sein Schiff zu Wasser, er wollte ebenfalls diese versammlung besuchen, da er im Winter nicht zum Könige gekommen war. Auch zu einem Handelsmarkt fand man sich dort zusammen. Diese Versammlung war sehr besucht; da gab es ein sehr fröhliches Treiben, Trinkgelage, Spiele und Belustigungen aller Art; Dinge von Bedeutung ereigneten sich nicht. viele von seinen Verwandten, die in Dänemark lebten. traf Höskuld dort.

Und eines Tages, als Höskuld mit einigen Männern ausging sich zu vergnügen, sah er ein prächtiges Zelt, das abseits von den andern Buden stand. Höskuld ging dahin und trat in das Zelt ein, da saß vor ihm ein Mann in einem Samtgewande, der einen russischen Hut auf dem Kopfe hatte. Höskuld fragte den Mann nach seinem Namen; er nannte sich Gilli, —"aber viele wissen besser Bescheid, wenn sie meinen Beinamen hören: man nennt mich Gilli, den Russen." Höskuld sagte, daß er ihn oft habe erwähnen hören, als den reichsten der Männer. die zur Kaufmannschaft gehörten. Da sprach Höskuld: "Du wirst uns wohl Dinge verkaufen können, die wir gern einhandeln möchten." Gilli Sagte, was er und seine Gefährten kaufen wollten.



Thule-Bd. 06-044 Geschichten v. Landwassertal Flip arpa

Höskuld sagte, daß er eine Sklavin kaufen wolle, ,-falls du eine anzubieten hast" Gilli erwiderte: "Ihr glaubt mich dadurch in Verlegenheit zu setzen, daß Ihr Dinge zum Kauf begehrt , von denen Ihr meint, daß ich sie nicht vorrätig babe; aber das ist doch nicht so ausgemacht, wie es scheint." Höskuld hatte bemerkt, daß ein Vorhang quer durch das Zelt ging. Da hob Gilli den vorhang auf und Höskuld sah, daß zwölf Frauen im innern Zelt saßen. Gilli sagte, Höskuld solle hingehen und zusehen, ob er eine von diesen Frauen kaufen wolle. Das tat Höskuld. Sie saßen alle in einer Reihe quer durch das Zelt. Höskuld betrachtete genau diese Frauen. Er sah, daß eine Frau am Ende nahe der Zeltwand saß; sie war ärmlich gekleidet. Höskuld bemerkte, daß die Frau von schönem Aussehen war, so weit man etwas von ihr sehen konnte. Da sagte Höskuld: Wie hoch soll diese Frau kommen, wenn ich sie kaufen will." Gilli antwortete: "Du sollst für sie drei Mark Silber bezahlen." Es scheint mir," sagte Höskuld, " als rechnetest du diese Sklavin ziemlich teuer an; das ist ja der Preis für drei." Da antwortete Gilli "Du hast recht darin, ich setze sie teurer an als die andern; wähle dir nur irgendeine von den andern elfen und bezahle für sie eine Mark Silber, aber diese mag in meinem Besitz bleiben."Höskuld sagte:"Ich muß erst wissen, wieviel Silber in dem Beutel ist, den ich an meinem Gürtel habe." Er bat Gilli, die Wage zu bringen und griff nach seinem Beutel. Da sprach Gilli: "Dieses Geschäft soll ohne Betrug von meiner Seite vor sich gehen: es ist da nämlich ein großer Fehler vorhanden, was die Frau anlangt. Ich will, daß du das vorher weißt, Höskuld, ehe wir diesen Kauf abschließen." Höskuld fragte, was das sei. Gilli antwortete: Diese Frau ist stumm; auf vielerlei Weise habe ich versucht, sie zum Sprechen zu bewegen, aber nie ein Wort aus ihr herausgebracht; es ist wirklich meine Überzeugung. daß diese Frau nicht sprechen kann. Da sagte Höskuld: "Bring die Geldwage und laß uns sehen, wie viel der Beutel wiegt, den ich hier habe." Gilli brachte die Wage; sie wogen das Silber, es war drei Mark Silbergewicht. Da sagte Höskuld:" Es steht nun so, daß dies unser Handel sein soll: nimm du das Silber hier, und ich werde diese Frau



Thule-Bd. 06-045 Geschichten v. Landwassertal Flip arpa

nehmen. Ich gestehe, daß du dich wacker bei diesem Geschäft benommen und mich offenbar nicht hast dabei übervorteilen wollen. Darauf kehrte Höskuld in sein Zelt zurück. Am selben Abend ging Höskuld mit ihr zu Bette. Und am nächsten Morgen als man sich anzog, sprach Höskuld:"Geringen Aufwand sieht man an der Kleidung, die Gilli der Reiche dir gegeben hat; es ist aber freilich wahr, daß es eine größere Aufgabe für ihn war, zwölf zu kleiden, als für mich eine einzige." Darauf schloß Höskuld eine Kiste auf, nahm gute Frauenkleider heraus und gab sie ihr; da stimmten nun auch alle Männer darin überein, daß gute Kleider ihr standen.

Als nun die Fürsten die Sachen erledigt hatten, über die nach den Gesetzen zu verhandeln war, wurde diese Versammlung geschlossen. Da suchte Höskuld den König Hakon auf und begrüßte ihn ehrerbietig, wie es sich gebührte. Der König betrachtete ihn und sagte: "Deine Begrüßung, Höskuld, würden wir auch angenommen haben, wenn du dich schon etwas früher an uns gewandt hättest; doch soll es auch so gut sein."


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt