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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


25. Die Versucher in der Schloßfluh bei Twann.


Mündliche Mittheilung. Jahn, der Kanton Bern deutschen Theils ec. S. 78.

Zu einem Mädchen aus Twann trat, als es einst unfern der Schloßfluh am Bielersee auf einer Wiese heuete, ein Fremdling, schön und prächtig angethan, von dem sich die sonst tugendhafte und sittsame Jungfrau so mächtig angezogen fühlte, daß sie einwilligte den Herrn in der folgenden Nacht zu einer bestimmten Stunde an einem gewissen Orte zu treffen. Als sie sich nun auch wirklich, wie verabredet, an jenem Orte einfand, ergriff sie der Unbekannte an der Hand und führte sie die steile Schloßfluh hinauf, ohne daß ihr das Steigen im mindesten beschwerlich fiel. Oben angekommen bemerkte sie im Mondenschein eine große Oeffnung in dem Felsen, welche sie früherhin noch nie wahrgenommen hatte. In diese trat der Fremdling mit ihr ein und nach einigen Schritten befanden sie sich in einem großen, weiten Saale, der hell erleuchtet war und wo um eine schwär; verhängte Tafel viele bleiche und düstere Männer saßen. Einer derselben winkte der Jungfrau näher zu treten und befahl ihr, ihren Namen in ein großes Buch einzujagen, das aufgeschlagen auf dem Tische lag. Obschon das Mädchen nicht lesen konnte, was in dem Buche stand, so merkte es doch, daß es nichts Christliches sei. Es weigerte sich daher standhaft und betheuerte beim Blute Christi, es werde nie thun, was man verlange. Kaum hatte sie diese Betheurung ausgesprochen, so war Alles wie im Hui verschwunden und sie fand sich ihrer Kleider beraubt, nackt und allein auf der Schloßfluh.

Pracht und Schönheit gehören zu den Verführungskünsten des Teufels. Unter dem Einschreiben in das Buch kann man das Abschwören der Lehre



Schw.Sagebuch-063 Flip arpa

Christi verstehen, dessen Name allein hinreicht, die Feinde derselben aus dem Felde zuschlagen. Vor Christus und dem Zeichen des Kreuzes müssen sich alle bösen Geister beugen, bedeutet nichts Anderes als die überwältigende Wahrheit der christlichen Lehre, die das Heidenthum, dem die bösen Geister angehören, besiegte. Daß sich das ihren Versuchern entrissene Mädchen nackt und allein auf der Schloßsfuh findet, deutet an, wie verlassen und elend schon der ist, der sich, wenn auch nur mit halbem Schritt, von dem Wege der Tugend und Wahrheit entfernte.
Copyright: arpa, 2015.

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