Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Vo chlyne Lüte


ZWERGENSAGEN FEEN- UND FÄNGGENGESCHICHTEN AUS DER SCHWEIZ


NEU MITGETEILT VON C.ENGLERT-FAYE


MIT BILDERN VON BERTA TAPPOLET

TROXLER-VERLAG BERN


Die Zwergentaufe

Es waren einmal zwei Schnittermädchen in der Ernte zusammen auf dem Kornacker. Wie sie fleißig sichelten, schrie plötzlich die eine: «Ursi, lug diese mächtig große Kröte! Soll ich ihr eins mit der Sichel geben?» —«Nein, Bürgi», rief die andere, «beileibe nicht! Schau nur, wie dick sie ist.» —«Geh», rief sie der Kröte nach, die -hump plump - weiterhopste, «ich hin dann Gotte bei dir, wenn du ins Bett kommst». Und die beiden Mädchen lachten und schnitten weiter. Als sie abends heimkamen und von der Kröte erzählten, meinte die Mutter: «Ursi, da hast du wieder einmal das Maul gebraucht und weißt nicht gegen wen».

In derselben Nacht, als beide Mädchen ruhig schliefen, klopfte es auf einmal an ihr Fenster, und eine Stimme sprach: «Ursi, denk an dein Versprechen, steh auf und komm schnell mit!» Auf den ersten Ruf schon hatte Ursi geantwortet und war gleich nach der Tür gegangen, denn sie meinte, ihr Liebster warte ihr drunten. Aber wie sie auf die Schwelle trat, stand da ein Erdmännchen und sagte: «Gelt, du weißt noch, was du gestern auf dem Acker zu der Kröte gesagt hast: ich bin dann Gotte hei dir, wenn du ins Bett kommst. Diese Kröte, mußt du wissen, ist mein Weiblein gewesen, und eben hat es ein Büblein zur Welt gebracht.» So sprach das Männlein zum Mädchen, riß es beim Tschopenärmel und schleifte es mit, und sie mußte bei Gott mit,



Vo Chline Luete-018 Flip arpa

wie sehr sie sich sperrte, sie konnte nicht anders. Durch Tobel und Wälder führte das Männlein sie bis zu einer großen Höhle. Da stiegen sie hinunter durch einen langen Gang. Zuletzt kamen sie auf eine weite, helle Matte. Da standen eine ganze Menge zierlicher Häuslein und Hüttlein, jedes wie aus leuchtendem Glas; denn von einer Wand zur andern war alles durchsichtig, und die Lichtlein, die drinnen brannten, schienen selbst durch das Dach heraus. In ein solches Häuslein traten sie ein. Hier lag ein Erdweiblein blaß und bleich im Bett und hatte neben sich in einer goldenen Wiege ein neugeborenes Kind, munzig klein, kaum daumengroß. Das gab man dem Mädchen auf den Arm, und sie mußte es auf der Stelle aus dem Haus tragen, und hinter



Vo Chline Luete-019 Flip arpa

ihr drein kam ein langer Zug von lauter Erdmännlein gegangen. Sie aber hielt das Kindlein sorgsam in der hohlen Hand statt auf dem Arm. Sie gingen zu einer Kirche ganz aus leuchtendem Kristall. Hier sollte das Kind getauft werden, und das Mädchen verrichtete, wie es der heilige Brauch heischt, die Nottaufe an dem Zwergenkind. Dann trug sie den Täufling zurück zur Mutter. Die zog aus ihrem Bettsack fünf Strohhalme heraus und bot sie der Gevatterin zum Andenken.

Das Männlein führte sie wieder zurück, hinauf unter den freien Himmel und zeigte auf den Birnbaum hinunter, der auf der Mark von ihres Vaters Hofe stand. Und der Mond schien ganz hell. «Lug gut zu den Halmen», sagte das Männlein und war im Berge verschwunden. «Strohhalme hab ich daheim auch bis genug», dachte das Mädchen und warf vier von den fünf Halmen aus dem Jüppensack und lief eiligst heim. Wie sie daheim die Stiege hinaufgeht, merkt sie etwas klingen. Und wie sie in den Sack greift, zieht sie ein rotes Gold-. stäblein heraus. Kaum wars Tag geworden, lief sie zurück und suchte in Busch und Berg nach den andern Halmen, aber sie hat keinen mehr gefunden.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt