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[664]

Bullinger an
Joachim Vadian
Zürich,
22. Oktober 1535

Autograph: Zürich StA, E II 342, 53 (Siegelspur) Gedruckt a : Vadian BW V 254f

Berichtet in Ergänzung zu [Nr. 662] über einen Ausfall der Genfer und über den neuenburgisch-bernischen Freischarenzug nach Genf, der bei Nyon gegen eine savoyische Übermacht siegreich blieb, sowie über die Klage einer savoyischen Gesandtschaft vor den in Baden versammelten Eidgenossen.

Früntlicher grutz, williger dienst unnd was ich üch eeren, liebs und gutz vermöchte etc.

f esse übergeschrieben.
g peteretur übergeschrieben.
h salutis übergeschrieben.
i-k Von Leonem bis plurimum nachträglich eingefügt.
15 vom Kaiser.
16 Leo Jud.
17 Theodor Bibliander.
18 Erasmus Schmid.
19 Welche Schriften von Philipp Melanchthon gemeint sind, ist nicht bekannt. Vgl. auch unten Nr. 673, 19.
a Z. 18-26 sind zitiert in: Kessler, Sabbata 441, 20-26.

Fürgeliepter herr und bruder, wie ich üch nächstmols 1 zugeschriben, wie der herr vonn Safoy 2 sin bottschafft ze Bernn gehept und wie die Berner die iro abgemandt 3 , hatt sich mitthinzu zugetragen volgende warhaffte historia, die ich hab uß den botten vonn Baden 4 : Es sind die Genffer ußbrochen und habend den Safoyern by 16 hüser verbrent, geschlagen, geroupt und inn die statt hynyn gefürt, was sy ankummen 5 . Darüber sich die Safoyer gerüst. Nun aber hatt vil guthertziger 6 Berner der trang 7 der Genffern wee gethon, und sind heymlich hinder der oberhand 8 uffgeprochenn redlich, guthertzig lüt vonn Nüwenburg, Nydow, Biel etc. 9 , sind durch unwäg 10 hynyn uff Genff zogen, habend sich besamlet und sind iro biß inn die 500 worden, habend houptlüt und fürrer erwöllt. Denen sind nachgesandt junckher Ludwig vonn Dießbach und seckelmeister Nägelins bruder 11 . Wie sy nun hynyn kummen gen Nüws 12 , ist ein traulicher sturmm uff die 500 man gangen 13 , und habend sich die Safoyer wider sy biß inn die 2000 und 2500 starck gesamlet, die 500 umbgäben und sy nitt alein understanden 14 von Genff abzewenden, sunder ouch ze erschlahen. Der vonn Dießbach hatt die groß gfaar gesähen und mitt anxt 15 begärt, mitt einen[!]castellan deß hertzogen 16 , der ouch ylends darkummen, umb frydens willen zu dem züg 17 ze ryten und sy ze beyder syt abmanen; dann inn beduncke 18 es wölle ein schlahens 19 gaben. Hatt aber der castellan

1 vor kurzem (SI IV 147), nämlich am 16. Oktober (s. oben Nr. 662).
2 Karl III., Herzog von Savoyen.
3 die Ihren zurückbeordert haben (SI IV 293). Zur Sache vgl. oben Nr. 662, 6-14.
4 Zürichs Gesandte an der Badener Tagsatzung vom 18. Oktober 1535 waren Hans Edlibach und Heinrich Rahn (vgl. EA IV/1c 572). — Über den "Neusserzug", einen Freischarenzug nach Genf, der am 10. Oktober mit einem Sieg über die Savoyer bei Gingins (unweit von Nyon, Kt. Waadt) endete, vgl. auch unten Nr. 666. 668. 684. 691; Eduard Bühler. Der Seeländerzug nach Genf im Oktober 1535, in: Neues Berner Taschenbuch auf das Jahr 1905, Bern 1904, S. 63-95; ders. (leicht verändert ins Französische übersetzt), Au secours de Genève. L'expédition des "Seeländer" et la bataille de Gingins, in: Revue historique Vaudoise XXIII, 1915, S. 145-148. 173-191; Gilliard, Les combats.
5 wessen sie habhaft werden konnten (s. Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hg. v. Robert R. Anderson u. a., Bd. 1, bearb. v. Oskar Reichmann, Berlin-New York 1989, Sp. 1268). — Am 24. September
hatten die Genfer nach einem Gefecht um die Arve-Brücke Häuser verbrannt und Beute gemacht; vgl. Registres du Conseil XIII 3121.
6 gutgesinnte (SI II 1661).
7 die Bedrängnis (SI XIV 1089f).
8 ohne Zustimmung der Obrigkeit (SI II 1393. 1414).
9 Neuenburg und Orte des bernischen Seelandes, darunter Biel und Nidau, stellten die Mehrzahl der Freiwilligen; vgl. Bähler, aaO, S. 761; unten Nr. 666, 6f.
10 auf schlechten Wegen (Grimm XI/III 2171 f).
11 Hans Rudolf Nägeli, der Bruder von Hans Franz Nägeli.
12 Nyon, deutsch: Neuß (Kt. Waadt).
13 ein großes Sturmaufgebot... erfolgt (SI XI 1483-1489).
14 und sich nicht nur angeschickt, sie... (SI XI 619-626).
15 eilig (SI I 337).
16 Gemeint ist der savoyische Landvogt in der Waadt, Aymon de Genève-Lullin.
17 Heer (Grimm XV 832; XVI 388).
18 ihm scheine (SI XIII 696-698).
19 ein Schlagen, ein Gefecht (SI IX 326).

verzogen 20 (zebesorgen 21 , daß er gehofft, der starck, wol gerüst züg deß hertzogen werde das armm hüfflin umbkeeren 22 ). Der castellan hatt vorhin wöllen ässenn. Wie sy aber geässen, ist das geschrey 23 kummen, sy schlahind, also sind sy noch zu der flucht kummen 24 . Und habend die Safoyer den syg verloren und das klein hüfflin hatt gesyget, also daß jetzund die botten deß hertzogen ze Baden nitt one thrächnen angerüfft die eydgnossen, man sölle hälffen und radten, das best reden und fryden 25 ; dann das armm volck sye inn grosser angst und forcht. Sy habind ann der schlacht by 200 redlicher man verloren etc. Inn summa: Nitt vil botten habend iämerlicher anrüffen vor den eydgnossen gehört. So sind ouch die 7 ort 26 in 4 jaren nit früntlicher und schnitzyger 27 gewäsen. Der bannyten 28 ist wol halb vergässen. Also weist gott den sinen lufft zmachen 29 . Gott sye unß wyter genädig!

Datum Zürych, 22. octob[ris] 1535.

H. Bulling. tuus.

[Adresse auf der Rückseite:] Doctori loachimo Vadiano, domino suo plurimum observando.