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Kapitel 

[666]

Berchtold Haller an
[Bullinger]
[Bern],
27. Oktober 1535

Autograph: Zürich StA, E II 343, 83 (ohne Siegel) Ungedruckt

Will die Abschrift eines Briefes von Bullinger durch Crispinus Fischer den vertriebenen [Solothurnern] zukommen lassen. Berichtet vom Sieg der neuenburgisch-bernischen Freischar, die den Genfern zu Hilfe eilen wollte und dabei in einen Hinterhalt der Savoyer geriet, inzwischen aber zurückgemahnt wurde. Bern hat dem Herzog von Savoyen ein Ultimatum gestellt, doch gefährlicher als die äußere Bedrohung durch Savoyen und seine Verbündeten scheint Haller die innere Uneinigkeit Berns. Drei Berner Gesandte sind zu Friedensverhandlungen aufgebrochen. Bittet um Wachsamkeit.

S. Is, qui causam hanc aget fidelissime 2 , fidelis vir et tibi probe cognitus e numero patriciorum, Crispinus Vischer, quandoquidem levirum habet in numero exulum 3 , literarum tuarum 4 copiam curabo per hunc illis vel reddi vel mitti, tuas vero apud me servabo, donec revocaveris.

Der Genieren halb ist also ergangen 5 : Unser herren habend sich allwäg vor krieg wellen verhüten; nütdestminder sind uffbrochen 110 knecht, vast all von weltsch Nüwenburg 6 , Nüwenstatt 7 , wenig uss Bernbiet, sind 10 tag zogen durch Burgund, und dry tag ongessen 8 , by eim schlosß Goppet 9 , nitt wyt von der statt Niewus 10 , onferr 11 von Jenff, durch verrätery gfürt an ein gstrüpp und hag am birg. Da habend die Saffoyer 2000 starck uff sy abgschossen mitt ettwas handbüchsen, da unser knecht an herd 12 nider gfallen, die schücz lassen übergon. Und wie wol ein grüselich werfen uff sy mitt steinen daruff gevolget, habend doch die unsern zu dem hag trungen 13 , stych umb stych gäben, uff das die Saffoyer bald die flucht genommen. Sind iren erschlagen by 300, ettliche sagend noch mer. Ich schrib die minder zal, daß ich dist minder lüge. Die unser habend wellen gen Jenf ziehen, ist dise thatt darzwischend kummen. Uff das habend min herren die iren heim gemanet 14 , also sind si all heimzogen. Noch ist imerdar ein glöff 15 , wie dann die junge welt durstig ze kriegen.

1 Bullinger steht als Empfänger dieses Briefes fest, da er Teile daraus in einem Brief an Vadian zitiert (unten Nr. 668, 2-23).
2 Zum Plan, über einen Mittelsmann Verhandlungen zwischen Zürich und den Solothurner "Banditen" anzubahnen, vgl. unten Nr. 667.
3 Von einer verwandtschaftlichen Beziehung Fischers zu einem der vertriebenen Solothurner ist sonst nichts bekannt.
4 Nicht erhalten.
5 Zum folgenden Bericht über das Gefecht
bei Gingins (Kt. Waadt) am 10. Oktober 1535 vgl. oben Nr. 664, Anm. 4.
6 Neuenburg.
7 Neuenstadt (Kt. Bern).
8 ohne Verpflegung.
9 Coppet (Kt. Waadt).
10 Nyon (Kt. Waadt).
11 unweit.
12 auf die Erde.
13 sind vorgerückt (vgl. SI XIV 1104).
14 Siehe EA IV/1c 569f.
15 Gelaufe (SI III 1143).

Indem habend min herren wie och darfor an den herczogen 16 begert, er sölle sampt dem schloss Bineet 17 , den panditen und jenfischen bischoff die Jenfer rübig lassen und inen profiand lassen zu kummen oder alle pundbrieff, so mitt einer statt von Bern uffgericht, harusßgäben, und darumb in 14 tagen ein antwurt 18 . Nun ist hütt das zil uss 19 . Hie zwischend sind min herren gewarnet, wie daß ettlich tusent Spanyer, Italiener durch Wallis, och sampt den Wallisern, dem herzogen zu zühen und er schon 4 hüffen gerüst, die statt ze belägeren 20 . Wirt darby geredt de Antronianis 21 , werdint och iren teil thun, item de vicinis duabus urbibus Friburgo et Salodoro. Sed hec omnia non curarem, nisi quod primum omnium malorum est factio et dissidium intestinum, unwillen desß lantvolcks, mangel an gelt, alle welt fyend, niena 22 fründ, werde unß als überlägen 23 sin, das wir gots, sins worts, aller eeren vergessend, schand und schmach sampt unseglichem schaden uff unß nämen werdind, nam novi homines. Fac igitur, ut ecclesia tua pro nobis precetur. Habet senatus noster tres legatos pacem cum Sabaudis tractaturos 24 . Hi socios exigunt, quandoquidem dux sine arbitris omnia componi cupit. Nostratium quidam pacis tractationem nolunt, sed federis literas exigunt, alii pacem optant. Sic res agitur apud nos. Velim, ut per tuos etiam curares vigilari, si quid vel ab Antroniis vel per alios acciperent, monerent. Non opus est, ut senatus agat, sed cordatiores. Timeo nobis virgam iamiam esse paratam. Nolumus acceptare pacem, dum offertur, dum non offertur, cupimus. Plura non possum scribere.

Vale.

27. a octobris anno 1535.

Tuus Ber. H.

Literas tuas servavi copiam missurus exulibus. Tuas remittam. Tutus es in omnibus.

[Ohne Adresse.]

a Kann auch als 29. gelesen werden, vgl. aber zum Datum Z. 23 mit Anm. 19 sowie Bullingers Abschrift unten Nr. 668, 2. 22f
16 Karl III., Herzog von Savoyen.
17 In Peney (Kt. Genf) saßen aus der Stadt verbannte Genfer, die mit Unterstützung des Bischofs Pierre de la Baume einen Kleinkrieg führten; vgl. Jean-Antoine Gautier, Histoire de Genève des origines a l'année 1691, Bd. II, Genf 1896, S. 428f.
18 Siehe EA IV/1c 567f.
19 Die Frist lief am 27. Oktober ab, vgl. EA IV/1c 578.
20 Ein Gesandter des Herzogs von Savoyen hatte den Walliser Landrat am 12. Oktober
1535 um Zuzug und freien Durchzug gebeten. Letzterer war bewilligt worden; s. Die Walliser Landrats-Abschiede seit dem Jahre 1500, Bd. 3 (1529-1547), bearb. v. Bernhard Truffer, Sitten 1973, S. 78. Vgl. Charles Gilliard, La Conquête du Pays de Vaud par les Bernois, Lausanne 1935. — Université de Lausanne. Publications de la Faculté des Lettres [II], S. 43; Registres du Conseil XIII 337, Anm. 1;
21 Spottname für die katholischen V Orte, vgl. HBBW II, S. 88, Anm. 3.
22 nirgends.
23 dermaßen beschwerlich.
24 Zur Mission von Ludwig von Diesbach, Hans Rudolf von Graffenried und Michael Ougspurger s. EA IV/1c 576-578.