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[667]

Berchtold Haller an
Bullinger
[Bern],
28. Oktober 1535

Autograph: Zürich StA, E II 343, 82 (Siegelspur) Ungedruckt

Die Solothurner "Banditen" haben zwar ihrer Heimatstadt nicht eine eigentliche Fehde angesagt, sondern nur einen für sie unakzeptablen Frieden aufgekündigt, die Beilegung dieses Konflikts liegt aber jedenfalls im Interesse aller Beteiligten. Haller begrüßt einen Zürcher Vermittlungsversuch und ist bereit, durch [Crispinus Fischer]mit den Vertriebenen Kontakt aufzunehmen.

Gnad und frid von gott.

Insunders fürgeliepter 1 herr und bruder, ich gspür allwäg stäten 2 ifer und ernst, och grosse sorgfeltikeit, die du zu allen denen tragst, so nitt allein in der warheit sich der gotsälikeit flissend 3 , sunder ouch deren, so in gfar stond umb der gerechtikeit und warheit willen, deren hercz doch gott kent. Der panditen 4 halb von Solothurn 5 hetts die gstalt: Si dörffend sich in unser herren biett 6 nitt lassen finden, beschwärt sy gar übel der 10 orten einmütikeit 7 , so si doch dären keins nie beleidigett, sunder sich gehalten, als getrüwen eidgnossen zimpt 8 , und als vil ir personen zustatt, für ander 9 . Si habend einer statt von Soloturn nitt abgseit 10 , sunder gemachten friden 11 , so inen nitt lidenlich 12 , abkünt 13 , dann wo sy je gsinnet, offen vyendt 14 irs vatterlands ze sin, hettend si wol mitt andren fyentlichen stucken sömlichs 15 mögen erzeigen, als mitt rowen 16 , brennen, toden etc. In summa: Si habends lassen gon über frembd messpfaffen 17 . Nun sy dem, wie imm well. Es mags wäder ein statt von Soloturn noch sy disen span 18 in die harr 19 liden, ist minen g[nädigen] herren ouch überlägen 20 , dann ir biett grosß und wyt mitt vil anstössen. Hierumm möchte uff dise stund nitt grössers werck und gotslon 21 beschähen, ouch zu gutt einer

1 vorzüglich geliebter.
2 beständigen.
3 befleißigen.
4 Verbannten (SI IV 1282).
5 Vgl. oben Nr. 643, Anm. 13.
6 Gebiet.
7 Am 18. September 1535 waren Bern und Basel in einem von 10 Orten unterzeichneten Schreiben aufgefordert worden, den Verfolgern der Solothurner "Banditen" ihre Grenzen zu öffnen; vgl. EA IV/1c 558f 1. 561 zu 1.
8 geziemt.
9 mehr als andere.
10 Fehde angesagt (SI VII 400).
11 Gemeint ist der Vergleich, den Solothurn
am 9. November 1534 angenommen hatte; vgl. EA IV/1c 420 m. 424 zu m.
12 erträglich (SI III 1092).
13 aufgekündigt.
14 Feinde.
15 solches.
16 rauben.
17 Besonderes Aufsehen hatte die Mißhandlung des Pfarrers von Biberist (Kt. Solothurn) erregt, vgl. oben Nr. 645, Anm. 9.
18 Streit (SI X 279-286).
19 auf die Dauer (SI 111514).
20 lästig (Grimm XI/II 383).
21 gute Tat (Grimm IV/I 5 1283f).

eidgnoschafft, denn so diser span zertragen 22 wurde. Ich weiß sin 23 so vil, daß ich besorg, obschon die panditen jecz ein zit wychen werdend, werdend sy doch in künfftigem, so man ir nitt wertig 24 , ablassen 25 ; wurde je lenger je erger. Nun, den gutherczigen willen deren, so du in einer statt Zürich findest, wirt, als ich hoff, vil vermögen und erschiessen 26 . Dann ein statt von Zürich nitt allein den panditen, sunder ouch denen von Soloturn angeneem sin wirt, einen früntlichen vertrag ze losen 27 , ja ich acht, ouch unser glnädigenj herren werdinds mitt grossem danck uffnämen. Ich wil aber verschaffen, daß sobald möglich inen dise meinung zugstelt werde. Ich weiß nitt, kans och nitt erfaren, wo si sind, dann sy an keinem ort sich summend 28 . Aber gwisß wil ich verschaffen, das es inen ze wissen thon württ. Es förchtet sy jederman, wo sy gand 29 ; sind, als ich hör, vast 30 in Solothurn piett. Jedoch wil ich in vast kurczem verschaffen, das dir gwisse antwurt wirt. Bitten dich hiemitt, wellist nitt ablassen unsern herren von Zürich, daß si sich hierinn erzeigend als frumm eeren lütt, die frid ze machen in disem handel vast gschickt und angeneem sind. Es ist ein vertrüwter hercz fründ 31 hie in unser statt, der ein fründ hatt under den panditen, durch den ich alle ding verschaffen wil. Lasß nitt ab, damitt man ze ruben 32 kumm.

Da mitt biß gott befolhen.

28. octobris anno 35.

Berchtold. Haller.

[Adresse auf der Rückseite:] Heinrico Bullingero, ecclesiastae Tigurino vigilantissimo, fratri suo summo amore observando.