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Isländische Märchen


Illustrationen von Angelika Winkler

Märchen europäischer Völker


Der häßliche Fuß

Es war ein Mann, der hieß Thorarin Nefjulssohn. Er war ein Isländer. Seine Sippschaft saß hin und her nördlich im Lande. Er war von geringer Herkunft, aber klüger und redegewandter als andere und freimütig in seiner Rede gegen Hochgestellte. Er war ein gewaltiger Seefahrer und viel außer Landes.

Thorarin war der allerhäßlichste Mensch; und das entstellte ihn am meisten, daß er so übel gegliedert war. Er hatte große Hände, aber die Füße waren noch viel häßlicher.

Thorarin war einst an dem Orte, an dem König Olaf der Breite Hof hielt, der nachmals der Heilige genannt ward. Er war dem Könige wohlbekannt. Damals rüstete er ein Kaufschiff, das er zu eigen hatte, um zum Sommer nach Island zu fahren. König Olaf hielt Thorarin einige Tage bei sich und sprach oft mit ihm. Thorarin schlief in der Halle des Königs.

Eines Morgens in der Frühe geschah es, daß der König erwachte, während die andern noch schliefen. Es war aber die Sonne im Aufgehen, und es war ganz hell drinnen. Da sah der König, wie Thorarin den einen Fuß unter der Decke herausgestreckt hatte. Er schaute eine Weile auf den Fuß, da erwachten die andern in der Halle.

Der König sprach zu Thorarin: »Wach liege ich schon eine Weile, da habe ich ein Gesicht gesehen, das mir der Aufmerksamkeit wert scheint; und das ist der Menschenfuß da, von dem ich glaube, daß er der häßlichste in der Kaufstatt sein möchte« —und forderte die andern auf, nachzudenken, ob ihnen so schiene.

Und alle, die es sahen, stimmten dem zu, daß es wahrhaftiglich so ware.

Thorarin hörte zu, was da gesagt ward, und antwortete: »Wenige Dinge gibt es, die so vereinzelt wären, daß man nicht erwarten sollte, noch ein anderes der Art zu treffen. Es ist mir sehr wahrscheinlich, daß es hier noch so etwas gibt!«

Der König sagte: »Ich bin dafür, daß sich ein ebenso häßlicher Fuß nicht finden wird - und wenn ich darum wetten sollte!«

Da sagte Thorarin: »Ich bin dabei, mit Euch darum zu wetten, daß ich einen noch häßlicheren Fuß in der Kaufstatt finden werde.«

Der König sagte: »Da soll der von uns einen Wunsch frei haben beim andern, der recht hat.«



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»So soll es sein!«sagte Thorarin -da zog er unter den Decken den andern Fuß hervor, und der war um nichts schöner, und ihm fehlte der große Zeh.

Da sagte Thorarin: »Schau nur hier, König, den andern Fuß, der ist um so viel häßlicher, als ihm ein Zeh fehlt, und ich habe gewonnen!«

Der König sagte: »Der erste ist um so viel häßlicher, als fünf Zehen von dieser Art greulicher sind als viere, und ich habe gewonnen!«


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