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Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Die Bergmanndli schuhen Herden und Fische

Die Bergzwerge schätzen und lieben die Gemsen, sie wollen nicht, daß die Jäger sie töten, und manchem Alpenjäger ist es deshalb schon gar schlecht ergangen. Guten Jägern, denen sie wohlwollten, haben sie wohl auch das eine und das andere Stück hingestellt, der durfte aber bei Leib und Leben nicht mehr schießen, als mit den Bergmanndli verabredet war, sonst schmissen sie ihn die Felsen hinunter und bliesen ihm das Lebenslicht aus elendiglich.

Da war einmal ein Gemsjäger, der verstieg sich hoch in die Felsen, auf



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einmal stand ein eisgraues Bergmanndli vor ihm da und sprach ihn zornig an:

Was verfolgst du meine Herde?

Der Jäger war ganz erschrocken und sprach:

"Hab' ich doch nicht gewußt, daß die Gemsen dein sind. Sprach der Berggeist:

"Du sollst jede Woche vor deiner Hütte ein Grattier finden, aber du hütest dich und schießest mir kein anderes.

So geschah's, der Jäger fand alle Wochen den frischen Braten, der machte ihm aber gar keine Freude. Er konnte die Jagdlust nicht bezwingen, stieg wieder hinauf zu Berg und Holz, ward auch bald eines Gemsenleitbocks ansichtig, auf den legte er rasch an, zielte und schoß — aber wie er losdrückte, hob sich hinter ihm der Berggeist aus dem Boden und zog ihm die Hagen unterm Leib weg, daß er niederstürzte und in den Abgrund hinunterschmetterte.

In Malters saß ein Untervogt, der hieß Hans Bucher, der wollte auch gern einmal ein Herdmanndli sehen; war gar ein eifriger Fischer und Jäger, aber sonst ein frommer Mann, stieg eines Tages hinauf am Pilatus, folgte dem Rümligbach und wollte gern Forellen fangen. Da sprang ihm jählings ein Herdmanndli hinterwärts auf den Rücken und drückte ihn mit solcher Gewalt



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mit dem Gesicht in den Bach nieder, daß er meinte, er müsse versaufen. Dabei sagte das Herdmanndli zürnend:

Ich will dich wohl lehren, meine Tierlein fangen und jagen.

Als der Untervogt nach Hause kam, war er halbtot und sah im Gesicht aus wie der Tod von Ypern; war auch auf der einen Seite erlahmt und kam nimmermehr auf den Berg, zu jagen oder zu fischen.

In Obwalden war ein alter Landamman, der hieß Heinrich Immlin, der hat selbst erzählt, wie er einmal zum Pilatus hinangestiegen auf die Gemsjagd, da begegnete ihm ein Zwergmanndli und verlangte, er solle flugs umkehren. Nun ist der Landamman ein Starker, stattlicher Mann gewesen, der spottete des Zwergs und sagte:

"He, du wirst wohl große Macht haben, mir was zu wehren!

Kaum gesagt, so sprang ihn der Zwerg an, drückte ihn an einen Felsen, schwer wie ein Pferd, daß ihm schier die Seele ausfuhr und die Sinne ihm vergingen. Lag da eine halbe Stunde für tot, bis die Seinen ihn fanden, erquickten und heimführten.


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