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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 4

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM GESTOHLENEN HALSBAND

Es war einmal eine fromme Frau, eine Asketin, die sich nur dem Dienste Gottes widmete. Die pflegte zum Palast eines Königs zu gehen, dessen Bewohner durch sie gesegnet wurden und sie deshalb hoch in Ehren hielten. Eines Tages nun kam sie wieder in jenes Schloß, wie sie es gewohnt war, und setzte sich zu der Gemahlin des Königs. Die übergab ihr ein Halsband, das tausend Dinare wert war, und sprach zu ihr: ,Gute Frau. nimm dies Halsband zu dir und hüte es, bis ich aus dem Bade komme und es wieder von dir zurückerhalte!' Das Bad aber war in jenem Schlosse. Die Frau nahm das Halsband und setzte sich in ein Gemach im Schlosse, während die Königin in



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das Bad ihres Hauses ging; und sie wartete, bis die Herrscherin zurückkäme. Jenes Halsband aber legte sie unter einen Gebetsteppich; und sie begann zu beten. Da kam ein Vogel, raubte das Halsband und versteckte es in einem Mauerspalt an einer der Ecken des Palastes; die Hüterin war nämlich gerade hinausgegangen, um einem Ruf der Natur zu folgen und sogleich zurückzukehren, und so bemerkte sie es nicht. Als aber die Gemahlin des Königs wieder aus dem Bade kam, erbat sie sich das Halsband von der Hüterin. Die konnte es jedoch nicht finden, und soviel sie auch danach suchte, entdeckte sie doch kein Anzeichen und keine Spur von ihm. Da beteuerte sie: ,Bei Allah, meine Tochter, es ist niemand bei mir gewesen! Als ich es erhielt, legte ich es unter den Gebetsteppich. Und jetzt weiß ich nicht, ob vielleicht einer von den Dienern es gesehen und es unbemerkt genommen hat, während ich im Gebet versunken war. Das kann nur Allah der Erhabene wissen!' Wie der König nun hörte, was geschehen war, befahl er seiner Gemahlin, die Hüterin durch Feuer und schwere Schläge zu foltern. — —« Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 587. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß die Königin, nachdem ihr Gemahl befohlen hatte, die Hüterin durch Feuer und schwere Schläge zu foltern, seinen Befehl ausführte und die Frau auf jegliche Art foltern ließ. Und dennoch gestand sie nichts, noch beschuldigte sie jemanden. Darauf gebot er, sie zu fesseln und ins Gefängnis zu werfen; und es geschah also. Bald darauf saß der König einmal in seinem Schloßhofe, wo ilm fließendes Wasser rings umgab; und seine Gemahlin saß neben ihm. Da fiel sein Blick auf einen Vogel, der jenes Halsband aus einem Mauerspalt an einer Ecke des Schlosses herauszog; er



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rief eine Sklavin, die bei ihm war, und die fing den Vogel und nahm ihm das Halsband ab. Daran erkannte der König, daß der Hüterin unrecht geschehen war, und er bereute, was er ihr angetan hatte. Dann ließ er sie kommen; und als sie vor ihm stand, küßte er ihr das Haupt und begann zu weinen und sie um Verzeihung zu bitten, indem er seine Reue über sein Tun beteuerte. Ferner befahl er, ihr viel Geld zu geben; aber sie weigerte sich, es anzunehmen. Sie verzieh ihm und verließ ihn; und sie schwor, nie wieder eines Menschen Haus zu betreten. Und von nun an zog sie über die Berge und durch die Täler und diente Allah dem Erhabenen, bis sie starb.

Ferner, o König - so fuhr die Odaliske fort -, ist mir über die Tücke der Männer berichtet worden


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