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[752]

Sulpitius Haller an
Bullinger
[Lenzburg],
27. Februar 1536

Autograph a : Zürich StA, E II 360, 285f (Siegelspur) Ungedruckt

Um die bernischen Truppen [in der Waadt] steht es gut. Jakob Vogt schreibt: Die Berner haben dem französischen Gesandten [Jean d'Estouteville] gegenüber erklärt, keine Einwände gegen die beabsichtigte Einnahme savoyischer Gebiete durch König [Franz I.] zu haben. Danach haben sie die Festung Klus erobert und dort eine Besatzung mit Jakob Hetzel als Hauptmann zurückgelassen. Laut ihrem Schreiben aus Morges wollen sie nun La Sarraz und Yverdon einnehmen und haben deshalb Geschütze angefordert; diese sind bereits mit einer Begleitmannschaft unterwegs. Freiburg wird nach Verhandlungen mit Bern voraussichtlich mehrere Orte besetzen. Auch die Walliser haben viel Land eingenommen; ein Berner Ratsbote ist bei ihnen. [Louis Daugerant, Herr von]Boisrigaut und ein Gesandter des Kaisers [Nicolas de Gilley, Herr von Marnoz] haben Bern aufgefordert, stillzuhalten; dem Kaiser wird nun ein ausführlicher Bericht gesandt. Sulpitius Haller berichtet ergänzend: Der Auszug der Freiburger ist nach Erhalt eines Schreibens der V Orte unterblieben. Bern hat zwei weitere Geschütze nach Yverdon geschickt. Verspricht, Bullinger auf dem laufenden zu halten, dankt für dessen Bericht [über die Verhandlungen in Basel] und sendet Grüsse.

ao prope über der Zeile nachgetragen.
ap variet exemplar korrigiert aus varient exemplaria.
aq in der Vorlage DD.
24 Leo Jud hatte bei der Übersetzung des Ersten Helvetischen Bekenntnisses ins Deutsche (Autograph: Zürich StA, E II
440, 234-245) "eine gewisse Verdeutlichung in Zwinglischem Sinne hineingebracht" (Köhler, ZL II 414).
a Die Lesung einzelner Buchstaben ist unsicher. Nicht immer deutlich unterscheidbar sind a und o; m, n und nn; y und vokalisches j. Oft steht ü für einfaches u.

Min früntlich grus und willing diens zu for.

Lieber Meyster Heinrich, ich lan üch wüssen, das es wol b stat umb unser kneck im feld 1 , got syg lob und er in eüwikeit. Lieber Meyster Heinrich, es hat mier ein guter fründ und bruder 2 geschriben; sick ich üch die koppi zu: "Min frünttlich grus und willing c dienst sige üch von mier alle zit bereitt. Lieber her und bruder, ich las üch wüssenn von wegen unssers kriegs volck, das as inenn von den gnaden gotts wol gat. Enet Jenff 3 im läger ist zu inen komen der proffos von Parys 4 , in names des küngs 5 inenn an zeigt, wie der küng willens sig, etlich land in zenemen, so er vermeint, rächt dar zu ze haben, als Kamrach 6 , Rümely 7 , Salenoüwen das tal Morienen 9 . Haben unsser heren im gantwürt, es sig nyt minder 10 , sy sigenn willens gesin, an die genamten d pläcz zu ziechenn; dann sy ver nomenn, das etlich ir figent 11 sich da uffenthaltenn. So aber der küng die placz zu sinen handen wel nemen, lassen sis pschächenn 12 , wellend in oüch nüt irenn 13 , so ver 14 er sy oüch las machen, in hoffnung, er werde unsser gutter fründ und nach pür sin; des där her träffenlich wol zu friden gsin.

Uff das sind sy zogen gegen der Klüs, die understanden in zu nämen 15 ; ist ein vast werlicher fläcken 16 . Haben sy dermas umbgäben und an gfochtenn, das sy sich haben uffgäben, und e also die klüs ingenomen an 17 schaden unserthalb, got sy lob, das kriegs volck, so drin gsin, an gwer 18 lasen abzien, ein eid gschworen, in drigan maneten 19 nit wider uns ze züchen. Sinnd also wider uff Jenff zu zogen, ein zu sacz 20 in der klüs gelasen, Jacob Heczel, 21 houptman; dan as ein schlüssel des lands ist.

b in der Vorlage wo.
c vor willing gestrichenes alles.
d in der Vorlage gemamten.
e vor und gestrichenes an gfoch.
1 Gemeint sind die bernischen Truppen auf dem Feldzug in die Waadt.
2 Jakob Vogt, s. unten Z. 41.
3 jenseits von Genf, genauer: im Feldlager bei der Festung Klus (fort de l'Ecluse, Dép. Ain).
4 Jean d'Estouteville, Herr von Villebon, prévôt von Paris; zu seiner Mission vgl. Edouard Rott, Histoire de la Représentation Diplomatique de la France auprès des Cantons Suisses, de leurs Alliées et leurs Confédérés, Bd. I: 1430-1559, Bern 1900, S. 286. 319. 401f; Gilliard, Conquête 137f; EA IV/1c 634f.
5 Franz I.
6 Chambéry (Dép. Savoie, Frankreich).
7 Rumilly (Dép. Haute-Savoie).
8 Sallenôves (Dép. Haute-Savoie).
9 Maurienne, das Tal am Weg über den Mont-Cenis nach Turin.
10 es sei in der Tat so, daß... (SI IV 321).
12 Feinde.
12 geschehen.
13 hindern (SI I 408f).
14 sofern.
15 sich daran gemacht, sie einzunehmen. — Zur Einnahme der Festung Klus am 13. Februar vgl. Gilliard, Conquête 146f.
16 ein sehr wehrhafter, stark befestigter Ort.
17 ohne.
18 Waffen.
19 in den nächsten drei Monaten.
20 Besatzung (SI VII 1569-1571).
21 Jakob Hetzel, von Bern, gehörte zum bernischen Kontingent, das 1527/28 auf französischer Seite an den Feldzügen in Oberitalien und nach Neapel teilnahm (vgl. Anshelm V 324). 1535 war er Schaffner zu Hettiswil (Kt. Bern). Nach der Eroberung der Waadt wurde er für fünf Jahre zum Vogt von Gex ernannt,

Uff süntag vergangen 22 haben wier brieff von inen enpfangen, so zù Morse us gangen 23 , das sy willens, uff Lassera 24 zu, das zefergen 25 , ouch etlich plecz under wegen in zunemen, dem nach uff Ifferden 26 da wellen sy uff hüt sin mit beger, inen zeschickenn 2 kortenen 27 , 2 notschlangen 28 , 2 boler 29 mit ir municzion, das wier inen schick uff hüt mit beleitüng 200 manen us der stat; dan äs f niemen wilig ist, da heinen 30 zebliben, wan wier al gern zu inen weren.

So den bin ich gutter hoffnung, unser mit bürger vonn Frybürg werdenn oüch uff sin 31 , Remünd, Rüw, Fifis 32 und noch me fleckenn innemen g ; dann wiers inen verwilget 33 . Dan wier unser botschafft by inen ghept und sy die ir botschafft by uns 34 von wegenn der flecken, und was ghandlet, wer vil zlang zeschryben. Wen ier har koment, wil ich üch als an zeigen.

Der Walysser halb sind wier wol mit inen zfriden; habenn oüch fil ingnomen 35 . Wier haben oüch ein ratz bot by inen in Walles 36 .

Jecz nit mer. Sint got bevollen. Grüssen uns aller üwer husfrow und üwer kind 37

Datum am 22. tag hornung im 36. jar.

Üwer dienner

Jacob Vogt.

f dan as am Anfang einer neuen Zeile irrtümlich wiederholt.
g in der Vorlage innenen.
wo er auf rasche Protestantisierung drängte (vgl. Gilliard, Conquête, Reg.). 1543 beabsichtigte er, das Bürgerrecht aufzugeben (s. Bern StA. A III 26, 263). 1550 und 1554 ist er als Schreiber der päpstlichen Garde nachweisbar (s. Bern StA, A V 1377, Nr. 80; Mathias Sulser, Der Stadtschreiber Peter Cyro und die Bernische Kanzlei zur Zeit der Reformation, Bern 1922, S. 150; Paul M. Krieg, Die Schweizergarde in Rom, Luzern 1960, S. 66). — Lit.: HBLS IV 212.
22 20. Februar.
23 Gemeint ist das Schreiben aus dem Feldlager zu Morges (Kt. Waadt) vom 19. Februar (Kopie in: Zürich StA, A 246. 1). Ein Brief mit ähnlichem Inhalt war bereits am 17. dieses Monats von Genf aus nach Bern gesandt worden; s. Mülinen, Kriegsberichte 265-267, Nr. 8; vgl. Gilliard, Conquête 160.
24 La Sarraz (Kt. Waadt).
25 abzufertigen, zu übernehmen (vgl. SI I 1006f).
26 Yverdon (Kt. Waadt).
27 Kartaunen, schwere Geschütze (SI III 490). —Zur Anzahl vgl. unten Anm. 46.
28 Feldgeschütze mittleren Kalibers (SI IX 583).
29 Wurfgeschütze (SI IV 1178).
30 daheim.
31 aufbrechen (vgl. SI I 120).
32 Romont, Rue (Kt. Freiburg), Vevey (Kt. Waadt).
33 bewilligt.
34 Zu den Verhandlungen, die Peter Stürler und Hans Rudolf Nägeli am 15. Februar in Freiburg, Ulrich Nix und Hans Reif am 19./20. Februar in Bern in dieser Sache führten, s. EA IV/1c 639f. 642f; vgl. Gilliard, Conquête 115-118. 168-172.
35 Die Walliser hatten in Absprache mit Bern das Land bis zur Drance besetzt; vgl. Gilliard, Conquête 114f; EA IV/1c 625f.
36 Am 25. Februar erschienen bernische Boten vor dem Walliser Landtag zu Sitten und sprachen sich für gegenseitigen Beistand beim Halten der eroberten Gebiete aus (s. Walliser Landrats-Abschiede III 95 e). gemäss Instruktion vom 12. Februar handelte es sich bei den Gesandten um Urban Baumgartner und Anton Tillier (s. EA IV/1c 635).
37 Haller war nach Angabe des Genealogen Samuel von Werdt (s. Bern Burgerbibliothek, Ms. hist. helv. XII 313, 76) mit Barbara Flühmann (gest. 1563) verheiratet. Die Namen der Kinder sind nicht bekannt.

Äs ist hie gsin der Borygo 38 und jecz ein bot vom keisser 39 , bringen selczenn fablen 40 , doch in suma: Wier sölen stil haltenn und fryden. Dem keiser schribenn wier alen handel von anfang bis am end zu 41 ."

||286 Lieber Meister Heinrich, ich lan üch wüsen, das die Fribburger ir gesucz uf dem blacz hand kan und mit iren klygfolck[!] han welen us der stat ziechenn; ist inen ein brieff kon von den 5 orten 42 . Was der ver mag 43 , ist h nit wüssen 44 ; dann mich thung 45 , die 5 ort sigen ir heren.

Mier herren aben noch 2 kortonen inen gesick gan Ifferden 46 wend an drüen orten den blacz beschiesen. Got geb inen glück.

Was mier wor hafig 47 zu künd, wil ich üch alweg 48 lasen wüsen.

Ich danck üch über handlung 49 , die ier mier hand gesick, und den[?]i schryber 50 dar zu und über guten rim[?]k51 , und dancken mier Meister Steiner 52 ouch l und sinen, und gruesend mier Meister Leüwen 53 und al gut brüeder. Nit me, den got halt uns in siner hut.

Geben am 27. tag hornung im 36. jar m .

Uwer thiener

Biczius Haller ober

vogt zu Lenczburg.

[Adresse darunter:] Dem erwürden, wolgelerten Meister Heinrich Bullinger. diener der kilen zu Zürich, min lieben heren und bruder.

h vor ist gestrichenes mag.
i vielleicht als dem zu lesen.
k nicht sicher lesbar.
l vor ouch gestrichenes u.
m Der erste Buchstabe des Wortes jar fehlt, da die vorausgehende römische Ziffer (xxxvj) mit dem gleichen Zeichen endet.
38 Louis Daugerant, Herr von Boisrigaut, der Gesandte des französischen Königs, bot am 16. und 18. Februar in Bern Vermittlung an; s. EA IV/1c 641f; vgl. Gilliard. Conquête 137.
39 Der Gesandte des Kaisers, Nicolas de Gilley, Herr von Marnoz, verlangte am 21. und 24. Februar vom Berner Rat, von den Feindseligkeiten gegen Savoyen abzulassen; s. EA IV/1c 643-645; vgl. Gilliard, Conquête 185f.
40 seltsame Reden.
41 Siehe EA IV/1c 644f, Nr. 1.
42 Die V Orte, die am 15. Februar in Luzern tagten, teilten Freiburg schriftlich ihre
Bedenken mit (s. EA IV/1c 636 a und 638, Nr. 3; zur Verzögerung des Aufbruchs der Freiburger vgl. ebd., Nr. 4).
43 beinhaltet (SI IV 111).
44 bekannt (Grimm XIV/II 772f).
45 dünkt.
46 Bern hatte entgegen dem Wunsch Hans Franz Nägelis zunächst nur zwei statt vier Kartaunen geschickt. Zwei weitere wurden auf seine dringende Bitte am 23. Februar nachgesandt; vgl. Mülinen, Kriegsberichte 267-269, Nr. 9f.
47 glaubwürdig.
48 immer.
49 für Euren Bericht (über die Verhandlungen in Basel, die zum Ersten Helvetischen Bekenntnis führten; vgl. oben Nr. 750, 52-54).
50 Wer gemeint ist, bleibt unklar.
51 Reim(?).
52 Werner Steiner.
53 Leo Jud.