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[372]

Johannes Kambli an
Bullinger
Eglisau,
5. Mai 1534

Autograph: Zürich StA, E II 359, 2744 (Siegelspur) Ungedruckt

Die Gemeinde Rafz hat bei Kambli über ihren Pfarrer, Johann Gumprecht, Klage geführt, der mit Trunkenheit und Mutwillen Anstoß erregt. Außerdem geht er eifriger dem Weberhandwerk nach als dem Bibelstudium.

Minen gantzen gneygten, gütten willen alzit zuvor.

Lieber Meister Heinnrich, es ist ein gemeind von Raffs 2 vor mir erschinen und sich des klag[t], wie Johans Guntprecht 3 , ir predicant, yettlich 4 unmessig hendel gewurcht 5 , und namlich in jarsfrist ist er ein fart 6 gen Schaffhussen gangen, und do er dahin komen ist, hat er sich so vol getruncken, do er heym ganngen, ist er underwegen am weg darnyder gelegen und allas wider oben von im geloffen, darum ich in dan vonn miner heren wegen umm 5 lib. gestrafft hab.

Zu anderen 7 so hat ein gemeind von Wil 8 yecz nechst vergangen winters holcz an miner heren bü zu Eglisow 9 holcz gefurt. Und do sy widerumm heym gegangen sigend, do hat er 10 einen thottnen fogel inn weg gefunden und zü sinen gesellen geret: «Mit dem fogel wil ich etwas abendur bruchen 11 .» Und do sy heym komen sind, habend sy mit einander ze nacht gessen, und do es im end zmall 12 komen ist, hat er den thottnen fogel uß dem büssen 13 gezogen und einer mit im habend mit einem gewettet, wan derselbig den rowen thottnen fogel mit den federen also gancz innygessen 14

1 Johannes (Kleinhans) Kambli, gest. 1541, aus Zürich, seit 1519 als Zwölfer zur Gerwe Mitglied des Großen Rates. In der Schlacht bei Kappel 1531 hatte er als Vortrager des Zürcher Stadtbanners entscheidenden Anteil an dessen Rettung, wofür ihm zur Belohnung die Landvogtei Eglisau (Kt. Zürich) übertragen wurde. - Lit.: HBRG II 156. III 113. 129-133; HBLS IV 443.
2 Rafz (Kt. Zürich).
3 Johannes Gumprecht (Guntprecht), gest. nach 1553, aus Zürich, war Diakon in Waldshut, von wo er im Bauernkrieg vertrieben wurde. Seit 1526 war er Pfarrer in Rafz, 1537 beurlaubt, 1542 Pfarrer in Dietikon-Urdorf, 1544 in Flaach (beide Kt. Zürich). Im Herbst 1545 zerstritt er sich mit dem benachbarten Pfarrer in Berg am Irchel, Balthasar Fehr, so daß die Synode vermittelnd einschreiten mußte (Zürich StA, E II 1, 320). Gumprechts Lebenswandel scheint sich nicht gebessert zu haben. An der Oktober-Synode 1551 klagte man über seine unmäßige Eß- und
Trunksucht, die ihn überall zum Gespött mache; zudem sei er ein schlechter Prediger und habe keinen Fleiß (Zürich StA, E II 1, 376). Daraufhin wurde er als Pfarrer abgesetzt. 1552 und 1553 bat er um Begnadigung und Wiederaufnahme in die Synode, wurde aber jedesmal abgewiesen (Zürich StA, E II 1, 387 und 406). - Lit.: AZürcherRef 1391, S. 601. 1757, S. 753; Pfarrerbuch 310.
4 jederlei.
5 verursacht hat (Grimm XIV/II 561).
6 einmal (SI I 1027f).
7 zum zweiten.
8 Wil bei Rafz (Kt. Zürich).
9 Wohl das am linken Rheinufer gelegene Schloß, der Sitz des Zürcher Landvogtes.
10 Johannes Gumprecht.
11 einen tollen Streich verüben.
12 gemeint: zum Ende des Mahls.
13 die Brust bedeckender Teil der Bekleidung von Männern (vgl. SI IV 1755).
14 verschlucken, vor allem etwas Ungesundes, Schädliches (SI I 525).

möge 15 und den nit wider von im gebe, so wellends inen allen das mal bezallen. Gebe er aber den wider von im, so musy er inen das mal bezallen. Also hat derselbig den fogel gessen und behalten. Do hat der Johans und sin gesel innen das mal müssen bezallen und 11 baczen darfur geben, darumm ich in yecz uf dem jargericht ouch furnemen wirtt. Darzü so ist er ein weber worden und brücht 16 sin handwercht streng 17 , küfft 18 ouch gütter neben inn, daruber er mer flis hat dan uber das studieren, dar ab 19 sölichem handel und unwessen ein kilch zu Raffs sich mer verergeret dan von siner ler nücz und frucht empfahy. Das wil ich uch gütter meingung zügeschryben haben und uch hiebin gebetten, das ir wellend das best hier inn handtlen 20 , als ich uch vertrüw. Wo ich sölichs umm uch konde beschuldigen 21 , wil ich alzit gütwillig erfunden werden.

Datumm uf zinstagt nach dem meytag anno im 34. jar.

Johans Kambly,

obervogt zu Eglysow.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem erwirdigen, wolgelertten herenn Meister Heinrichen Bullinger, predicant zu Zurich, minem besunders gunstigenn herrenn.