Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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Kapitel 

[355]

Martin Bucer an
Bullinger und
Leo Jud
Straßburg,
14. April [1534]

Autograph: Zürich StA, E II 348, 420r.-v. (Siegelspur) Teildruck: QGT VIII 301f

Hat vergeblich auf Froschauer gewartet. Schickt seine an die Münsterer gerichtete Schrift, die Leo [Jud] lesen soll. Darin äußert er sich auch über das Amt in der Kirche, das einzige Thema, bei dem er vielleicht anders nuanciert als der Zürcher Katechismus. In Straßburg werden Soldaten rekrutiert. Capito ist krank. Grüße, auch von Matthäus [Zell] und [Jakob]Bedrot.

Fratres et symmystae observandi, gratia et pax.

Expectabam Froschoverum, sed illum negocia sua et vecturae commoditas nobis abripuit 2 . Mitto hic, quae scripsimus Monasteriensibus 3 . Ea, si vacat, legat Leo 4 noster. Patientis enim stomachi est. Ut cupiam salva puritate fidei in Christum ministerium ecclesiae suis, hoc est a domino ipso et apostolis usurpatis verbis commendari, hic legetis 5 . Idque unum est, quod videri queam a vestro cathechismo variare 6 . Movet me, quod cottidie experior, quam necessarium sit esse sacram politiam, eoque et sarci[ri] ministerio suam authoritatem. Corpus domini simus oportet, quod per actum cuiusque membrorum, qui cuique est secundum suam portionem, instauratur 7 . Liber est ut omnia nostra hic non excusus, sed confusus, quanquam hic typographus 8 sic deposuerit rudimenta artis 9 . Si non legere, coniicere tamen poteritis, quae volumus. Quibus ea scripsimus, in exemplum inciderunt Vaitzhudianorum 10 , nisi quod exules adhuc avertere excidium moliuntur.

1 Der Inhalt des Briefes verweist diesen eindeutig ins Jahr 1534, s. Anm. 3 und 15.
2 Christoph Froschauer pflegte wohl auf dem Weg zwischen Frankfurt und Zürich jeweils Straßburg zu berühren. Eine Reise Froschauers im Frühjahr 1534 ließ sich nicht nachweisen.
3 Bucers «Bericht auß der heyligen geschrift ... Durch die Prediger des heyligen Evangeli zu Straßburg der Stat und kirchen zu Münster in Westfal erstlich geschriben» erschien im März 1534 bei Matthias Apiarius in Straßburg, versehen mit einer am 5. März 1534 datierten Vorrede an die Augsburger Bürgermeister Wolfgang und Ulrich Rehlinger, Hieronymus im Hoff und Jacob Mangenseytz (BucerDS V 109-258).
4 Leo Jud.
5 Bucer behandelt in den ersten vier Kapiteln seines «Berichts» die Themen «Von dem dienst und haußhaltung Christlicher kirchen» (BucerDS V 128-131), «Von Christlicher gemein, und erstlich, wer die sey» (ebenda 131f), «Wie die kirch Christi erbauwen wurt» (ebenda 132-136) und «Von der weite und breite Christlicher
gemeine» (ebenda 137-139).
6 Darauf hatte Bucer schon im vorangehenden Brief an Bullinger vom 9. April kurz hingewiesen (oben S. 121, 5-7).
7 Leo Jud bedankte sich am 27. April für diese Erläuterungen, s. den Teildruck in: QGT VIII 305-308, bes. 306, Z. 33-35.
8 Matthias Apiarius.
9 Bucer hatte auch am 3. April gegenüber Blarer den mangelhaften Druck des «Berichts» beklagt (s. Blarer BW I 482). Das Buch weist Unstimmigkeiten zwischen Inhaltsverzeichnis und Text auf (Kapitel 17 und 25-27) und ist in der Tat unsorgfältig gesetzt: Druckfehler, v. a. falsche und auf den Kopf gestellte Typen, kommen ziemlich häufig vor. Stupperich hat diese Fehler in BucerDS V (s. Anm. 3) stillschweigend korrigiert. Einen Begriff der Druckqualität mag Wolfgang Hages Edition der 1533 ebenfalls bei Apiarius gedruckten Bucer-Schrift «Furbereytung zum Concilio» (BucerDS V 259-362) geben. Die dort ungefähr im gleichen Rahmen auftretenden Fehler (s. dazu ebenda 269) werden alle im textkritischen Apparat angeführt.
10 Bucer denkt an die unter Balthasar Hubmaier

Delectus hic habetur 11 et, ut audimus, nusquam alibi. Quo miles erupturus sit, nescitur. Coniecturae sunt variae, suspicio forsan potior, quae facit ad votum Wolfgangi 12 boni senis, qui in synodo 13 aderat 14 . Dominus omnia bene vertat. Impeti nos quam impetere semper mallem.

Optime valete. || 420v. Comendate nos toti choro symmystarum illic. Pro Capitone orate graviter luctante cum febri sesquitertiana 15 . Matthaeus 16 vos salutat officiose et Bedrotus.

Argentorati, 14. aprilis.

M. Bucerus tuus,

vester totus, totus, quantus est.

[Adresse darunter:] Piis ac vigilantibus Christi ministris Heylrycho Bullingero et Leoni Iudae, fratribus colendis.

von April bis Juni 1525 durchgeführte Täuferreformation in Waldshut; dazu s. Torsten Bergsten, Balthasar Hubmaier. Seine Stellung zu Reformation und Täufertum 1521-1528, Kassel 1961. - Acta Universitatis Upsaliensis. Studia Historico-Ecclesiastica Upsaliensia 3, S. 302-324; Harold S. Bender und Gerhard Hein, in: ML IV 457f.
11 Zu den Kriegsvorbereitungen Philipps von Hessen und den Truppenwerbungen durch Wilhelm von Fürstenberg s. oben S. 115, 2-10 mit Anm. 6.
12 Nur Wolfgang Capito kann vom Alter her (56jährig), seiner Stellung als Pfarrer und als Kenner der Truppenaushebungen (vgl. oben Nr. 351) gemeint sein. Bucer erwähnt ihn ausnahmsweise so, um ihn nicht bloßzustellen; sonst wird er in den Briefen immer Capito genannt. Andere Träger des Vornamens Wolfgang in Straßburg waren in Zürich kaum bekannt und kommen auch sonst kaum in Frage: Wolfgang Schultheiß, damals Pfarrer in Schiltigheim nördlich von Straßburg (Bopp 499, Nr. 4786; QGT VIII Reg.), oder der Ratsherr Wolfgang Böcklin von Böcklinsau (s. Thomas A. Brady Jr., Ruling Class, Regime and Reformation at Strasbourg 1520-1555, Leiden 1978. - Studies in Medieval and Reformation Thought, hg. von Heiko A. Oberman, Bd. 22, S. 304f. 387) waren zu jung, dieser zudem weder an der Synode 1533 beteiligt noch Kirchspielpfleger.
13 Gemeint ist wohl die Synode vom Juni und Oktober 1533 (QGT VIII 4-8. 15f. 21-32. 35-92. 94-96. 143f. 204-207, Nrn. 358. 365. 367. 370f. 373-377. 379-381. 384. 387. 392. 434f. 453), oder vielleicht eine Sitzung des Kirchenkonvents der Stadt, in welchem alle Pfarrer und je drei Kirchspielpfleger (je ein Ratsherr, Scheffe und Gemeindeglied) der sieben
Pfarrkirchen Straßburgs vertreten waren ( s. Marie-Joseph Bopp, Die evangelischen Gemeinden und Hohen Schulen in Elsaß und Lothringen von der Reformation bis zur Gegenwart, Neustadt a. d. Aisch 1963. - Genealogie und Landesgeschichte, hg. von Heinz F. Friederichs, Bd. 5, S. 21).
14 Infolge seiner Krankheit (s. Z. 19f) wurde Capitos Dabeisein ausdrücklich vermerkt.
15 eine Art Dreitagesfieber; Bucer hatte bereits am 10. April 1534 in einem Brief an Ambrosius Blarer darüber berichtet (Blarer BW I 487). Noch Anfang Mai ist Capito nicht ganz wiederhergestellt, s. Capito an Ambrosius Blarer, am [9. Mai 1534](Blarer BW I 495). Vgl. auch unten S. 139, 50.
16 Matthäus Zell, 1477-1548, aus Kaysersberg (Elsaß), wurde 1518 Leutpriester an der Straßburger Münstergemeinde und begann 1521 unter dem Einfluß der Schriften Luthers im evangelischen Sinn mit der Auslegung des Römerbriefes zu predigen. Gegen Angriffe von katholischer Seite verteidigte er sich 1523 mit seiner «Christlichen Verantwortung», der ersten Straßburger Reformationsschrift. Zell widmete sich vor allem den praktischen Aufgaben, der Predigt und Seelsorge. Den theologischen Streitigkeiten blieb er fern. - Lit.: Alfred Erichson, Matthäus Zell, der erste elsässische Reformator und evangelische Pfarrer in Straßburg, Straßburg 1878; Johannes Ficker, in: RE XXI 650-652; Robert Stupperich, in: RGG VI 1891f; weitere Lit. gibt Marc Lienhard, Catherine Zell, née Schütz, in: Bibliotheca Dissidentium. Répertoire des non-conformistes religieux des seizième et dix-septième siècles, éd. par André Séguenny, Tome I, Baden-Baden 1980. - Bibliotheca Bibliographica Aureliana LXXIX, S. 105-107.