Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[2587]

Johannes Wäber
an Bullinger
Bern,
15. September 154[6]

Autograph: Zürich StA, E II 359, 2802 (Siegelspur) Ungedruckt

Beat [Gering] und [Simon] Sulzer haben auf unverschämte Weise vor dem Rat versucht, die Berufung [Jodocus Kilchmeyers nach Bern] zu verhindern. Sie beschwerten sich über den Großen Rat wegen der von ihm verursachten Verzögerung [bei der Besetzung des Dekanpostens]. Zudem hätte man ihrem Wahlvorschlag, den sie kraft ihres Bischofsamtes einbrachten, nicht getraut. So kam es, dass die Angelegenheit bis auf den heutigen Tag hinausgeschoben und die Schreiben vom Rat, von [Andreas]Rappenstein und Wäber [Nr. 2584]nicht abgesandt wurden. Ungeachtet der List von Gering und von Sulzer hat nun der Rat heute doch beschlossen, unverzüglich die Berufung des Gewählten voranzutreiben. Wäber wurde beauftragt, Bullinger und Kilchmeyer zu schreiben, wendet sich aber aus Zeitmangel nur an Bullinger. Doch soll sich Kilchmeyer ja nicht durch die Intrigen einiger Prädikanten abschrecken lassen! Rappenstein ist nicht in Bern, sonst hätte er selbst an [Kilchmeyer]geschrieben. [Peter] Im Haag bittet Bullinger, sich an ihr letztes Gespräch in Zürich zu erinnern und im Interesse der Kirche Berns zu handeln. Der alte Chor[gerichts]schreiber Hans Glaner wurde von Rappenstein beauftragt, Kilchmeyer zu schreiben. Jeder sollte das Beste zugunsten des Evangeliums tun, denn man hat die andauernden Beschwerden der [Gegner] satt! Der Inhalt des letzten [beigelegten]Schreibens von Wäber [Nr. 2584]bleibt gültig. Jetzt soll nur noch Kilchmeyer unverzüglich nach Bern kommen, denn die Gelegenheit kann nicht günstiger werden! -Grüße.

S. Lieber Bullingere, von yl wegen kan ich nitt schryben, was ich solt. So unverschampt freven 2 sind Batt 3 und Sultzer gsin, das sy understanden 4 , vor radt gschechne 5 vocation 6 zehindren (mitt grosser klag der sümd 7 über die zweyhundert 8 ; das 10 man irer wal 9 als der bischöfen nitt glept ) a mitt vil sünfftzens 11 , wie 12 man inen nüt vertrüwe, etc. Ist also die handlung uffgschlagen 13 worden biß uff hüt, das 14 weder m[iner] gn[ädigen] h[erren] schryben 15 noch Rappensteins 16 und mins 17 het mogen gfürdert 18 werden.

a Klammern ergänzt.
1 Aus dem Inhalt (die Berufung von Jodocus Kilchmeyer) und besonders aus unten Z. 6f geht hervor, dass der Briefschreiber unten Z. 35 aus Versehen 1544 statt 1546 schrieb.
2 frech.
3 Beat Gering.
4 versucht haben.
5 erfolgte.
6 Die Berufung von Jodocus Kilchmeyer; s. dazu zuletzt Nr. 2584.
7 Verzögerung (s. SI VII 957) bei der Besetzung des Postens. — Erasmus Ritter
war schon vor längerer Zeit gestorben; s. Nr. 2549, Anm. 2.
8 D.h. über den Großen Rat, der am 12. September beschlossen hatte, Kilchmeyer zu berufen; s. Nr. 2583, Anm. 5.
9 ihrem Wahlvorschlag; s. dazu Nr. 2583, Anm. 2.
10 nachgekommen (ist).
11 Seufzen.
12 dass.
13 aufgeschoben.
14 so dass.
15 Welches der Berner Rat nach seinem Beschluss

Aber uff hüt 19 vor radt einhellig erckennt, unangsehen der zweyen lugenhafftigs [un]d b betruglichs fürnemen, das man unverzogenlich nach dem [gwe]lten 20 schryben und schicken sölle, etc. Ist also ouch mir von bso[nd]ern herren und fründen zugemuttet 21 , das ich üch und her Josen 22 ernstlich und mitt höchster pitt schrybe, sölche vocation, die eygentlich von gott selbs ist, 23 nitt zehindren, sunder nach üwerm allem besten vermügen gegen üwrem radt und ir 24 undereinandren fürdren wellind, ungezwyffletter hoffnung, gott werde unnser kilchen bystan und dieselb widrumb in gutten friden stellen. Und gschicht diße ermanung darumb so ernstlich, nitt das wir uns nitt alles gutten zu üch allen versehind 25 , sunder das wir boße pratiken etlicher unrüwigen predicanten entzitzend 26 , die villicht von hinnen her Josen möchtind hinderstellig 27 wellen machen. Darumb thtint wie bißhar, und wir üch wol trüwend. Ermanend her Josen (denn ich inn solcher yl nitt selbs imm schryben können), das er gott sin kilchen, die inn brüfft 28 , nitt verschetze 29 und zum verderben c richte, etc.

Es ist Rappenstein nitt by der statt. Der seib hette imm sunst ouch gschriben. Sunder ermanet üch min liber her und gfatter 30 venner Im Hag 31 , ingedenck zesin, was er zületst mitt üch z'Zürich gredt habe, 32 und thugend 33 , das unßer kilchen nutz und eehr erfordret.

Es schrybt her Josen von Rappensteins wegen min lieber gfatter Hans Glaner, alter chorschryber. Thette yederman gern das best (so müd ist man deß überlasts, irs bochens 34 ), damitt uns die einfalte und reynikeyt deß evangelii nitt enzogen ||2802v. werde!

Das übrig bestadt wie vorhin gschriben, 35 allein das her Jos unverzogenlich har köme, denn es ouch fürhin nimmer besser zewandlen 36 , etc.

b Hier und unten Papierverlust beim Öffnen des Siegels.
C In der Vorlage verdeben.
vom 12. September (s. Nr. 2583, Anm. 5) an Zürich hätte schreiben sollen.
16 Andreas Rappenstein. — Sein Brief ist nicht erhalten; s. Nr. 2584, Anm. 3.
17 Gemeint ist Wäbers Brief vom 13. September (Nr. 2584).
18 befördert.
19 Vgl. Nr. 2583, Anm. 5, wo tatsächlich ein Schreiben des Berner Rats vom 5. September belegt ist.
20 Gewählten.
21 Ist mir zugemuttet: wurde von mir begehrt.
22 Jodocus Kilchmeyer.
23 Vgl. Nr. 2584,2-5.
24 Gemeint ist die Zürcher Pfarrerschaft.
25 zu üch versehind: von euch erwarten würden.
26 befürchten.
27 zögernd, unwillig; s. SI XI 178.
28 berufen hat.
29 geringschätze.
30 Da Im Haag und Wäber der gleichen Generation angehörten, weist diese Bezeichnung auf die Tatsache, dass einer dieser beiden Taufpate von einem Kind des anderen war.
31 Peter Im Haag.
32 Vgl. Nr. 2583,7f.
33 tut.
34 irs bochens: ihrer [Gerings und Sulzers] andauernden Beschwerden.
35 Mit Brief Nr. 2584.
36 denn es ouch fürhin nimmer besser zewandlen: da man die Sache nicht noch besser gestalten könnte.

Sind gott empfolhen und grüßend mir von hertzen üwre mittarbeyter, prediger und leßmeyster 37 alle.

Uß Bern, amm 15. septembris 1544 d jars.

Johanns Weber, üwer

allzyt williger.

[Adresse darunter:] An m. Heinrich Bullinger, predicanten zu e Zürich. 38