Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

[2406]

Johannes Haller an
Bullinger
Augsburg,
1. April 1546

Autograph: Zürich StA, E II 370, 37 (Siegelspur): [Beilage:]1 E II 350, 295—298 (Siegelspur) Brief ungedruckt Beilage gedruckt in: Francisco de Enzinas, Verdadera historia de la muerte del santo varón Juan Díaz, por Claude de Senarclens, hg. v. Ignacio J. García Pinilla, Cuenca 2008, S. 531—533 2

[Am 23. März] schickte Haller einen dicken Brief [Nr. 2389), ehe er zwei Tage darauf Bullingers Brief vom 12. März [Nr. 2377] erhielt. Da er bereits auf fast alle darin enthaltenen

j luminibus und carens in der Vorlage gestrichen.
1 Die Beilage wurde später als der Brief erstellt, da Haller bei Abfassung seines
Schreibens noch nichts von ihr wusste; s. unten Z. 7—9. Sie könnte sogar einen Tag

Fragen Bullingers geantwortet hatte, kann er sich hier kurzfassen. Er dankt Bullinger für die [in Nr. 2388]ausgeprochene Ermahnung ["Oratio de persecutione ecclesiae"?], zumal die Verfolgung bevorsteht. In den letzten Tagen hat nämlich ein Spanier [Alfonso Diaz] seinen Bruder [Juan Diaz] durch den Bediensteten [Juan Prieto] grausam umbringen lassen; mehr dazu in Georg Frölichs Brief [Nr. 2405]. Durch dieses Exempel wird man zum Gebet ermahnt, und man erkennt, was [den Evangelischen] bevorsteht! Manche sagen, dass die in Trient versammelten Bischöfe einmütig Papst [Paul III.] absetzen wollen, weil dieser einen Ausverkauf des päpstlichen Erbes betreibe, angeblich, um mit dem Geld die deutschen Ketzer zu unterdrücken, tatsächlich aber, um das Geld an die Seinen zu verteilen. Demzufolge beraubt er den Apostolischen Stuhl. In dieser verdorbenen Welt ist man wirklich vor nichts mehr sicher! Kaiser [Karl V.]heuchelt; die [Evangelischen] verstellen sich. Auf beiden Seiten fallen gute Worte, aber innerlich ist man gegeneinander aufgebracht. Einmal wird Krieg gemeldet, ein anderes Mal Frieden; doch ist nur Krieg zu erwarten. [Karl V.]befindet sich noch nicht in Regensburg, wird aber bald dort eintreffen. In der vergangenen Woche war er in Speyer, wo er Landgraf [Philipp von Hessen]treffen sollte, was allen Guten missfällt, denn man fürchtet die Hinterhältigkeit dieses spanischen Prahlers. Über ein Treffen von Herzog [August] von Sachsen und [Franz] von Lüneburg in Augsburg hat Haller nichts gehört. Auch was Bullinger über den falschen Friedrich schrieb, war ihm nicht bekannt. Auch [Georg] Frölich möchte mehr darüber erfahren. Unser wahrer Friedrich ist Christus! Über [Hans Wilpert] Zoller hat Haller ausführlich in seinen letzten Briefen [Nr. 2364 und Nr. 2389] berichtet; über [Hans] Vogler [d.J.] hat er jetzt an [Rudolf] Gwalther geschrieben. Haller geht es gut. Er erwartet Bullingers Antwort auf seinen letzten Brief [Nr. 2389]. Gute Wünsche für [Konrad] Pellikan und Theodor [Bibliander]. Haller ist froh, dass Erasmus [Schmid]auf friedliche Weise entschlafen ist. Grüße von Hallers Frau [Elsbeth, geb. Kambli]. [Beilage:]Abschrift eines an einen Augsburger Bürger [...] gerichteten Briefes aus Neuburg [an der Donau]: Während etwa vier Wochen hielt sich in Neuburg beim Prädikanten [Adam Bartholomäus] ein gelehrter Spanier [Juan Diaz] auf der sich dem evangelischen Glauben zugewandt hatte. Als sein in Rom lebender Bruder [Alfonso]hörte, dass [Juan] während des [Zweiten Religions]gesprächs in Regensburg entschieden den [protestantischen] Standpunkt gegen das Papsttum vertrat, begab er sich eilends nach [Deutschland] und kam nach Neuburg, wo er bei [Leonhard] Rehlinger untergebracht wurde. Alfonso versuchte, seinen Bruder vom evangelischen Glauben abzubringen, versprach ihm ein Bistum und versuchte es auch mit Freundlichkeit; doch alles vergebens. Zuletzt gab er dem Bruder Geld für bessere Kleidung, küsste diesen wie einst Judas und ließ sich von Rehlingers Kutscher Jörg [Knittel?] nach Augsburg zum Postmeister [...]bringen. Als am Freitag [26. März] der Kutscher, der von Siningers Sohn [...] begleitet wurde, [auf dem Rückweg] Pöttmes erreichte, war er ganz überrascht, [Alfonso] in Begleitung von [Juan Prieto und einem reitenden Boten aus Augsburg] beim Metzger [...] im Wirtshaus anzutreffen. Alfonso lud den Kutscher und seinen Begleiter ein, die Nacht in Pöttmes zu verbringen und versprach, für die Kosten aufzukommen. [Alfonso] erwarb dann in Pöttmes ein Beil, mietete neue Pferde und gelangte noch am selben Tag nach Feldkirchen, von wo aus er und sein Komplize [Prieto] sich früh am nächsten Morgen nach Neuburg begaben und [bei Rehlinger]anklopften. Als ihnen [der Hof]geöffnet wurde, klopfte der Komplize an der Wohnung von [Juan] an und erklärte, er habe für diesen einen wichtigen Brief von seinem Bruder. Als [Juan] beim Lesen war, schlug [Prieto] mit dem Beil auf seinen Kopf ein und flüchtete sogleich mit [Alfonso] aus der Stadt. Man ritt ihnen eilends bis nach Innsbruck nach. Dort konnte sie der Kammermeister [aus Neuburg, Michael]Herpfer, festnehmen und einkerkern [lassen]. [Von Bullingers Hand:] Der umgebrachte Spanier hieß Juan Diaz, sein reicher und mächtiger Bruder, ein Richter der römischen Rota, Alfonso. Der Mord wurde am

nach dem Brief entstanden sein, da dieser bereits versiegelt war.
2 Dort allerdings fälschlich als Beilage eines
Briefes von Georg Frölich dargestellt.

27. März zwischen 5 und 6 Uhr morgens verübt. [Von Hallers Hand:] Bullinger soll den Brief auch [Ambrosius] Blarer zum Lesen geben.

Salutem a domino. Biduo ante, quam tuas accepi literas priores, quae 12. martii datae sunt, 3 dimisi ego magnum literarum fasciculum, 4 in quibus ferme ad a omnia respondi, quae tu in tuis literis scire cupis; quas te interim accepisse puto. In praesentiarum ergo brevior ero. Ago autem tibi gratias maximas pro sancta illa tua adhortatione, 5 quae certe magno mihi erit solatio; iacta enim est alea b ad persecutionem. 6

Hisce enim diebus Neoburgi Hispanus quidam 7 , doctor rotae pontificiae, 8 inventum fratrem proprium 9 crudelissime per servum 10 obtruncavit, sicut ordine ex d. Laeti 11 intelliges literis. 12 Quo profecto debemus excitari exemplo ad constantiam, vigilantiam frequentiamque precum. Videmus enim, quid omnibus nobis immineat, quid nobis de nebulonibus his polliceri debeamus. Ficta enim sunt omnia, quaecunque dulciter canunt.

Dicunt quidam episcopos Tridenti congregatos unanimiter pontificem 13 deposituros, quod ita urbes et patrimonium d[ivi] Petri 14 vendat, quasi his pecuniis velit supprimere haereticos Germanos, cum tamen omnes has pecunias suis distribuat et conferat haeredibus, sicque apostolicam suis bonis defraudet sedem. Non dubium est autem, quin haec et alia omnia fiant dolo. Tam perversum est enim saeculum, ut non possim satis deplorare ingentem, quae ubique est, perfidiam. Verum nihil, certum nihil, ita ut nec amicis liceat scribere quicquam, quod non post paucos dies mendacii possit argui, et

a ad über der Zeile nachgetragen.
b In der Vorlage alaea.
3 Brief Nr. 2377.
4 Brief Nr. 2389 vom 23. März 1546, dem zwei Schriften beigelegt waren; s. Nr. 2389, Anm. 14 und Anm. 16. — Haller erhielt also Bullingers Brief vom 12. März (Nr. 2377) am 25. März. Demzufolge wurde dieser nicht durch Markus (Marx)[...] von Konstanz aus überbracht; vgl. Nr. 2387,32f.
5 Hier ist nicht etwa Bullingers Brief an Haller vom 22. März gemeint (auch wenn Haller diesen kurz vor Abfassung des vorliegenden Briefes erhielt; vgl. Nr. 2388,3—6), sondern eine separate Abhandlung, von der damals auch Sixt Birck ein Exemplar bekam. Birck bezeichnete die Schrift als "cohortatio", die ihm helfe, die "molestia scholastica" standhaft zu ertragen; Nr. 2442,3—5. Da zu dieser Zeit auch Georg Frölich eine handschriftliche "Oratio de persecutione ecclesiae" verdankte (s. Nr. 2405 und Anm. 47), und da im vorliegenden Brief unmittelbar nach Erwähnung der "adhortatio"
Haller auf die bevorstehende Verfolgung anspielt, wird hier und im Briefe Bircks wohl dieselbe Schrift wie in Frölichs Brief gemeint sein.
6 Die Verfolgung der deutschen Protestanten durch den Kaiser.
7 Alfonso Diaz. —Zur Angelegenheit s. Nr. 2399,18—25.
8 Siehe dazu Nr. 2399, Anm. 15.
9 Juan Diaz.
10 Juan Prieto.
11 Georg Frölich.
12 Siehe Nr. 2405,24—44. —Siehe dazu auch die unten veröffentlichte Beilage zum vorliegenden Brief.
13 Paul III.
14 patrimonium Petri: Seit dem 6. Jh. die Bezeichnung für Ländereien, die von Kaisern, frommen Laien und Mitgliedern des Klerus der römischen Kirche übertragen wurden. Als tatsächlicher Eigentümer dieser Güter galt der hl. Petrus, als Verwalter der Papst; s. LMA VI 1792f.

scripsisse poeniteat. Miror, quis tantae fraudis et perfidiae tandem futurus sit exitus.

Simulat caesar 15 , dissimulant nostri; bona utrinque verba, animis tamen ita mutuo exacerbatis ut nihil supra. Iam nunciatur bellum, mox iterum pax, ita tamen, ut in summa pace nihil nisi bellum sperandum sit. Dominus confortet nos, ut vincamus cum eo, 16 qui moriendo vicit mundum. 17

Caesar nondum venit Ratisbonam. Fuit hac septimana adhuc Spirae. 18 Brevi tandem veniet illuc 19 . Duces, ut scribis, 20 Saxoniae 21 et Lünenburgensis 22 non fuerunt Augustae, nec de eis quicquam audivi. 23 Langravium 24 aiunt caesarem conventurum Spirae, 25 quod nullis bonis placet. Metuunt enim insidias Hispani illius greek c 26 .

||37v. Quae de Pseudo-Friderycho scribis, 27 mihi ignota sunt. Spargunt[ur]d enim nugae quaedam, sed a pueris duntaxat. Vellem scire, qua occasione hoc scripseris. Cupit idem scire Laetus. Iesus Christus est Friderychus noster, 28 verus antipapa, qui dives pacis 29 pacem donat omnibus credentibus in eum; quam tamen non eo modo, quo mundus dat, dat nobis, 30 sed per multas afflictiones oportet nos ingredi regnum coelorum. 31 Stultus mundus subinde nova quaedam invenit, quib[us] suae patrocinetur perfidiae et incredulitati.

Quod ad Zollerum 32 et Voglerum 33 , de altero copiose in proximis scripsi literis, 34 de hoc vero nunc ad Gvaltherum scripsi. 35

c In der Vorlage greek. —
d Hier und unten im engen Einband verdeckt.
15 Karl V.
16 Vgl. Apk 17, 14.
17 Joh 16, 33.
18 Der Kaiser hatte sich in Speyer vom 24. bis zum 30. März aufgehalten; s. Stälin 579.
19 Nach Regensburg.
20 Vgl. Nr. 2388,7—9.
21 Herzog August von Sachsen.
22 Herzog Franz von Braunschweig-Lüneburg-Gifhorn.
23 Siehe aber Nr. 2379 und Anm. 29. — Haller war zum Zeitpunkt dieses Besuches nicht in Augsburg.
24 Philipp von Hessen.
25 Zum Treffen zwischen Karl V. und Philipp, das am 28. und 29. März unter größter Geheimhaltung stattfand, s. Druffel, Karl V. IV 480f; Hasenclever, Hessen 16—43: Lenz II 414, Anm. 1; RTA-JR XVII 47—49. 64—78, Nr. 5; PC IV/1 93, Nr. 65. Vgl. auch Nr. 2403,11f.
26 Gemeint ist Karl V. — greek = prahlen.
27 Zu Bullingers Nachricht über den angeblich auferstandenen Kaiser Friedrich I. s. Nr. 2388,12—24.
28 Ähnlich schon Bullinger; s. Nr. 2388,22f.
29 Wortspiel mit "Friedrich". — Vgl. auch Eph 2, 14.
30 Joh 14, 27.
32 Apg 14, 22.
32 Hans Wilpert Zoller.
33 Hans Vogler d.J., der damals eine Anstellung suchte; s. Nr. 2367,48f.
34 Über Hans Wilpert Zoller hatte Haller sich in Nr. 2364,32—35, vom 1. März 1546 und in Nr. 2389,89—92, vom 23. März 1546 geäußert.
35 Johannes Haller an Rudolf Gwalther, 1. April 1546 (Zürich ZB, Ms F 39, 228—229; wir danken Herrn Kurt Jakob Rüetschi für freundliche Auskunft). Aus dem Brief geht hervor, dass Hans Vogler d.J. ohne Wissen seines gleichnamigen Vaters durch die Vermittlung von Hieronymus Sailer von einem Angehörigen der Familie Herwart aufgenommen worden war, um sich bei diesem "inn schriben, in studieren, in kaufmanns händlen, in Music, inn stall, und wo er will" üben zu können. Voglers sehnlichster Wunsch sei es, dass sein Vater ihm verzeihe.

Quod vero ad res meas, bene se habent omnia. Expecto autem tuum ad proximas literas 36 responsum. 37

Vale. Salvos cupio d. Pellicanum, d. Th[eo]dorum, 38 etc. Erasmum foeliciter demigrasse 39 gaudeo. Mox, si domin[o] visum fuerit, sequemur omnes. Salutat vos uxor mea 40 . Augustae Vindelicorum, 1546 calendis aprilis.

loan. Hallerus totus

tuus.

[Adresse darunter:] Clarissimo viro d. Heinrycho Bullingero, ecclesiae Tigurinae antistiti fidelissimo, domino ac patri suo semper colendo. 41

[Beilage:]42 ||E II 350. 295 Abgschrifft eins brieffs, gesannt von Nüwenburg 43 einem burger 44 von Augspurg. 45

Mein freündtlichen gruß, etc. Lieber schwager, ich füg dir zu vernemmen, das ein spangescher 46 doctor 47 bi 48 vier wuchen hie gelegen ist undt bi dem predicannten 49 uß undt in gangen. Ist gar ein gelerter, frommer evangelischer mann geweßt. Hatt gar kein teutsch können. Nun hatt derselb ein bruder 50 zu Rom gehabt. Der ist innen worden 51 , wie 52 er zu Regenspurg sye uff der disputatzen 53 , undt wie er als gar 54 gut uff der evangelischen seiten und gar wider das papstumb sye. Da ist der mörder imm zu lieb 55 herauß postiert 56 von Rom inn 9 tagen bis hieher 57 . Da hatt man imm zum Rechlinger 58 eingfuriert 59 .

36 Nr. 2389.
37 Der nächste erhaltene Brief Bullingers an Haller datiert erst vom 29. Juni 1546 (Zürich ZB, Ms F 46, 592).
38 Theodor Bibliander.
39 Erasmus Schmid war am 23. Februar 1546 verstorben; s. Nr. 2360, Anm. 43.
40 Elsbeth, geb. Kambli.
41 Markus [...] überbrachte diesen Brief, wie auch die Briefe Nr. 2399, Nr. 2403 und Nr. 2405; s. Nr. 2403, Anm. 41.
42 Zur Datierung von Hallers Abschrift s. oben Anm. 1 und unten Anm. 45.
43 Neuburg an der Donau.
44 Unbekannt.
45 Der Brief wird frühestens am 31. März 1546 geschrieben worden sein. Am 30. März hatte nämlich Wolfgang Musculus in Augsburg bereits von der am Abend des 28. März (ein Sonntag) erfolgten Verhaftung der zwei Täter im ca. 160 km von Augsburg entfernt gelegenen Innsbruck erfahren; s. Nr. 2399 und Anm. 19. Da Neuburg sich etwa 50 km nördlich
von Augsburg befindet, kann sowohl die Vermittlung der Nachricht aus Innsbruck als auch die Beförderung dieses Briefes von Neuburg nach Augsburg nur durch reitende Boten erfolgt sein.
46 spanischer.
47 Juan Diaz.
48 etwa.
49 Adam Bartholomäus; vgl. Juan Diaz' Brief an Calvin vom 13. März 1546 (CR XL 313f, Nr. 778), in dem Bartholomäus sowohl als "concionator" als auch als "hospes meus" bezeichnet wird.
50 Alfonso Diaz.
51 ist innen worden: hat erfahren.
52 dass.
53 Das Zweite Regensburger Religionsgespräch.
54 sehr.
55 imm zu lieb: seinetwegen.
56 herauß postiert: mit gemieteten Pferden abgereist.
57 Neuburg an der Donau, da Juan Diaz Regensburg bereits am 16. Februar verlassen

Da ist er bi vier oder fünff tagen gelegen 60 undt sich zu sinem bruder gethon 61 , undt gar fründtlich mitt imm gerett undt gehandlet, das er von der evangelischen sect abstee und mitt imm gen Rom ziech. So well er imm ein bistumb zu wegen bringen, das er ein jar zehen oder 15000 fl. hab. Er hatt inn aber nitt können bereden. Undt gesagt 62 , er well vom evangelio undt sacramennt inn beiderlei gestalt zu nemmen nitt wichen; er well ee 63 sin läben darumb laßen. Nun ist der pößwicht gar frundtlich mitt imm gangen 64 , undt so schon zu imm thon 65 das man sich verwunderet hatt. Aber hatt inn 66 nitt bewegen können. 67

Da hatt der pößwicht zu letst, als er gesehen, daß er nichts könnt usrichten, urlaub 68 von imm genommen, undt hatt imm 20 kronen zuletz gelaßen und gesagt, er söll sich klaiden 69 dann er ist gar schlächt gangen 70 . Hatt inn auch küßt wie Judas den herren, 71 undt ist uff deß Rechlingers wagen weg

hatte (s. Nr. 2399, Anm. 13), ehe sein ihn suchender Bruder Alfonso dort eintraf. — Alfonso wird Neuburg spätestens Mitte März erreicht haben, da Bucer am 19. März einen Brief aus dem ca. 90 km von Regensburg gelegenen Neuburg erhielt, in dem Juan die Möglichkeit erwog, seinen Bruder nach Italien zu begleiten; s. Wolrad, Regensb. RG 337.
58 Leonhard Rehlinger; s. [Johannes Lang], Ein erbermlich geschicht ..., Erfurt [April] 1546 (VD16 E3705), f. Biij,r. (wo allerdings "Leonhart Rochlinger" steht). In einem auf Spanisch verfassten Zeugnis, welches auf den Aussagen des Täters Alfonso Diaz beruht (veröffentlicht von García Pinilla aaO, S. 489), wird der Hausbesitzer als "Leonardo Melinjer"bezeichnet und Bedauern darüber ausgedrückt, dass ein solch genialer Mensch nicht Katholik war. Laut Friedrich Roth, Zur Verhaftung und zu dem Prozeß des Dr. Rotae Alfonso Diaz (27. März bis 14. April 1546), in: ARG 7, 1909/10, 419, Anm. 4, handelt es sich um den Sohn des Augsburger Advokaten Johann Rehlinger. Bei der Plünderung von Ottheinrichs Schätzen während des Schmalkaldischen Krieges diente Leonhard Rehlinger den Kaiserlichen als Wegweiser; s. Max Radlkofer, Leben und Schriften des Georg Frölich, Stadtschreibers zu Augsburg von 1537—48, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 27, 1900, 96. —Wenn man die Aussagen
der verschiedenen Quellen über die Wohnstätte und den Gastgeber von Diaz vergleicht, kommt man zum Schluss, dass Rehlingers Anwesen in Neuburg aus einem Hof mit mehreren Wohnstätten bestand, in denen nicht nur Rehlinger, sondern auch Bartholomäus und Juan Diaz untergebracht waren. Zur Lokalisierung des Anwesens s. Roth, aaO.
59 einquartiert.
60 Diese nur hier genauer angeführte Zeitspanne kann nicht stimmen; vgl. oben Anm. 57 und unten Anm. 68.
61 zu sinem bruder gethon: an seinen Bruder gewandt.
62 Subjekt ist nun Juan Diaz.
63 eher.
64 umgegangen.
65 so schon zu imm thon: hat mit ihm so schöngetan.
66 Juan Diaz.
67 Genaueres über die Art und Weise, wie Alfonso seinen Bruder aus Neuburg zu locken versuchte, in [Francisco de Enzinas,] Historia vera de morte ... Ioannis Diazii Hispani, Basel November 1546 (VD16 E 1436), S. 96—125.
68 Abschied. —Alfonso verließ Neuburg am Morgen des Donnerstag, 25. März; s. [Enzinas], aaO, S. 124f.
69 Zu verstehen: er solle sich mit neuer Kleidung versehen.
70 gar schlächt gangen: ziemlich armselig gekleidet einhergegangen.
71 Lk 22, 47f.

gefaren undt gsagt, er well imm baldt wider schreiben. Undt der rüter 72 Jörg 73 hatt inn gefürt schlecht 74 gen Augspurg zum postmeister 75 inn. Da hatt er inn zalt undt wider faren laßen. 76

Undt als der Jörg amm fritag 77 wider herus gefaren ist undt gen Pethmes 78 kommen, da hatt er den pößwicht seib dritt zum metzger 80 imm wirtshus gefunden. Undt ist deß Siningers sun 81 mitt dem Jörgen gefaren. Undt als si habendt wellen uf sin 82 , da hatt der pößwicht mitt inn reden laßen, si söllendt ||[296] dieselbig nacht zu Pethmes bleiben. Er well inen die zeerung usrichten 83 . Das habendt si bewilliget.

Da hatt der pößwicht andere roß endtlehnet, undt ist denselben tag gen Fäldtkirch 84 geritten, undt amm fritag 85 gar frü gen Nüwenburg in die vorstat geritten, undt habendt die roß an ein zun 86 gebunden. 87 Undt ist der bößwicht mitt sinem knecht 88 hinin gangen, undt dem knecht ein brieff 89 geben, undt ein schreinerspiel 90 , das er zu Pethmes kaufft hatt. Undt hatt an der herberg anklopft undt gesagt, er hab ein brieff, den müß er dem Spanger 91 geben. Da

72 Reiter, hier im Sinne eines Kutschers. Alfonso Diaz fuhr nämlich mit einem Wagen Rehlingers nach Augsburg; s. [Enzinas], aaO, S. 124f.
73 Möglicherweise Jörg Knittel, der einige Wochen später als Bote von Neuburg nachgewiesen ist; s. Albrecht Weissmann, Die Einnahme Neuburgs im Schmalkaldischen Krieg 1546 und die "Schmach von Neuburg", in: Neuburger Kollektaneenblatt 144, 1996, S. 115. — Der Kutscher wurde von einem weiteren Neuburger begleitet; s. unten Z. 79 und Anm. 81.
74 geradewegs.
75 Unbekannt; vgl. Anton Fugger an Georg Hörmann, 29. März 1546, in: Roth, aaO, S. 420. — Der Postmeister vermietete Alfonso Diaz und Juan Prieto zwei Pferde und einen reitenden Boten; s. Lang, aaO, f. Bij,v.—Biij,r.
76 Doch erst, nachdem er den Kutscher bis Freitagmorgen in Augsburg zurückhielt, um die Stadt mit seinem Komplizen vorher verlassen zu können; s. [Enzinas], aaO, S. 127—130.
77 den 26. März.
78 Pöttmes, ca. 30 km nördlich von Augsburg.
79 selb dritt: zu dritt. — Damit sind Alfonso Diaz, sein Komplize Juan Prieto und der reitende Begleiter oder Bote aus Augsburg gemeint; s. oben Anm. 75; und [Enzinas] aaO, S. 130f.
80 Unbekannt.
81 Unbekannt. [Enzinas], aaO, S. 130, erwähnt ebenfalls diesen Begleiter, ohne ihn jedoch mit Namen zu nennen. — In dem Ansuchen der evangelischen Reichsstände an den Kaiser vom 2. Juni 1546 wird der Begleiter Alexin Morold(t) oder Morald(t) genannt; s. Edward Boehmer, Spanish Reformers of Two Centuries from 1520: Their Lives and Writings, According to the Late Benjamin B. Wiffen's Plan and with the Use of his Materials, Bd. 1, Straßburg/London 1874, S. 210; RTA-JR XVII 495f.
82 uf sin: aufbrechen.
83 inen die zeerung usrichten: ihre Kosten übernehmen.
84 Feldkirchen, ca. 1,8 km südlich von Neuburg; so auch Lang, aaO, f. Biij,r.; [Enzians]. aaO, S. 136.
85 Richtig ist Samstag, 27. März.
86 Zaun.
87 Die Erzählung stimmt völlig mit dem ausführlicheren Bericht von [Enzinas], aaO, S. 130—137, überein.
88 Juan Prieto.
89 Ein von Alfonso am 26. März in Augsburg verfasster Brief, der die Aufmerksamkeit von Juan während des Lesens in Anspruch nehmen sollte. Der Brief ist von García Pinilla aaO. S. 452f, veröffentlicht.
90 Eine kleine Schreinersaxt (piel oder biel

hatt man imm ufthon 92 , sindt si beidt hinin gangen, hatt der knecht an der kammer anklopft undt dem 93 gerüfft, er söll ufsteen, er müß imm ein brieff geben. Da ist er ufgestanden undt inn die stuben gangen. Undt da er am brieff gelesen, hatt der pößwicht, der knecht, das piel zuckt underm rock herfür undt hatt imms hinderwerts inn kopff geschlagen, das ers hatt müssen stecken laßen. Undt ist sin herr, deß endtleipten 94 bruder, diewyl 95 in der stegen 96 gestanden undt den streich 97 gehört. Da sindt si beidt die stegen abgsprungen zum hus undt der statt hinus, undt wider uff ire roß gsessen undt darvon gerent. 98

Da hatt man inen nachgeilt; hatts aber nitt mögen erriten 99 . Sindt also endtritten 100 bis gen Insprugk. Da haft si der camermeister, der Harpfer, 101 nider geworffen 102 undt inn gfencknuß pracht. Der hatt inen uff der post 103 nachgeilt undt da 104 ergriffen. 105 Wie es inen aber ergon 106 werd, wirt man hernach hören. 107

[Ohne Unterschrift.]

=Beil). Diese wurde bei einem Schmied in Pöttmes erworben; s. [Enzinas], aaO, S. 134.
91 Spanier (Juan).
92 geöffnet.
93 Juan.
94 getöteten.
95 währenddessen.
96 Treppe.
97 Hieb.
98 Vgl. Lang, aaO, f. Biij,r.—v.; und [Enzinas], aaO, S. 137—142, wo das Ganze noch ausführlicher geschildert wird.
99 zu Pferde einholen.
100 zu Pferde entkommen.
101 Lang, aaO, f. Biij,v., spricht vom "Cammermeister oder Voigt zu Newburgk, Michel Herpffer, einer vom Adel". Laut Fuggers Brief vom 29. März (s. oben Anm. 75) soll der "neuburgisch camermaister mit noch ainem edlman, ain Redwitz," dem Täter ab Augsburg nachgeritten sein. Roth (aaO, S. 421, Anm. 1) weiß zu berichten, dass Redwitz (möglicherweise Thomas von Redwitz; vgl. aaO, S. 429, Anm. 1) wegen Erschöpfung nur bis nach Lechbruck am See (Lkr. Ostallgäu, Bayern) gelangte. [Enzinas], aaO, S. 145, spricht vom "praefectum arcis, qui nomine illustrissimi principis Ottonis Henrici Palatini locum et gubernationem tenet", und der mit anderen Reitern die Täter bis nach Augsburg verfolgte. Auf S. 147f hebt dann Enzinas unter
den Reitern einen "quidam caeteris aetate minor, cui nomen erat Michaeli Herpffer, qui prae reliquis ingenti zelo permotus" hervor, der den Tätern ab Augsburg weiter nacheilte. Demzufolge wird Michael Herpfer mit dem "camermeister"gleichzusetzen sein, während der Stadtvogt von Neuburg mit Hans Heckel und der Statthalter mit Hans Kraft von Vestenberg zu identifizieren ist; vgl. HBBW XV 144, Anm. 4; Weissmann, aaO, S. 115f; Deutsche Reichstagsakten. Reichsversammlungen 1556—1662, Der Reichstag zu Regensburg 1556/57, bearb. v. Josef Leeb, Bd. III, München 2013, S. 119.
102 nider geworfen: festgenommen.
103 uff der post: in aller Eile; vgl. SI IV 1797.
104 dann.
105 Zur Beschreibung der Festnahme in Innsbruck am Samstag, 28. März, gegen Abend, s. Georg Hörmann an Anton Fugger, 2. April 1546, in: Roth, aaO, S. 422f; und [Enzinas], aaO, S. 148—152. — Herpfer, der es nicht wagte, die Täter schon in Füssen (Lkr. Ostallgäu, Bayern) zu ergreifen, zumal diese Ortschaft sich im Gebiet des Augsburger Bischofs, Kardinal Otto Truchsess von Waldburg, befand (s. Roth, aaO, S. 421), eilte weiter bis in das im Hoheitsgebiet König Ferdinands I. gelegene Innsbruck, um dort die Festnahme der Täter zu veranlassen.
106 ergehen.

||297 [Anmerkung von Bullingers Hand:] Der umgebracht Hispanier hat geheyssen d. Joannes Diacius, sin bruder d. Alphonsus Diazius, iudex rotae apostolicae 108 , ein gwaltiger 109 , rycher papist. Das mordt ist beschähen 27. martii morgens zwüschen 5 und 6. ||[298] [Adresse:] D. Bullinger.

[Darunter von Hallers Hand:] Da etiam d. Blaurero 110 , ut legat.

[Darüber über Kopf von Bullingers Hand:] Wie der Diazius zu Nuwenburg ermurt 111 .